Aktualisierung vom 14. September: Ab sofort ist Lidl Plus auch offiziell in allen deutschen Filialen aktiv und wird beworben.
Über ein Jahr nach dem Start in Deutschland ist Lidl Plus seit diesem Montag nicht mehr nur in Berlin und Brandenburg, sondern bundesweit in 3.200 Filialen des Discounters anwählbar. Zumindest sind seit dem heutigen Morgen auch Märkte z.B. in Düsseldorf, Frankfurt am Main, Hamburg, München und Neckarsulm als Plus-Filialen in der App gekennzeichnet:
(In der App steht zunächst weiterhin: „Nur in Berlin & Brandenburg“, wahrscheinlich weil für die Nutzung der Scan-Tulpen an den Kassen erst noch überall Aussparungen in die Corona-Plexiglasschutzwände gefräst werden müssen.)
Update, 10.18 Uhr: Bei Lidl mag man noch nicht von einem offiziellen Start sprechen, sondern von einem Test. Ein Unternehmenssprecher erklärt: „Wir testen Lidl Plus bereits seit Juni 2019 in Berlin und Brandenburg und haben den Test routinemäßig auf das ganze Bundesgebiet ausgeweitet, um die volle technische Funktionsfähigkeit sicherzustellen. Dieses Vorgehen hat sich bereits in anderen Lidl-Ländern als sinnvoll erwiesen. Damit bereiten wir uns darauf vor, zu einem späteren Zeitpunkt deutschlandweit zu starten.“
Auch der Start in Berlin und Brandenburg im Mai 2019 war zunächst als „Pilotphase“ für Mitarbeiter:innen gelabelt worden; offizieller Start war wenige Wochen später. (Wer die App auf dem Smartphone hatte, konnte sie aber auch als Kund:in bereits nutzen.)
Sie wollen endlich auch gratis Salat-Croutons und Rote Grütze abgreifen – äh, Pardon: „in den Genuss vielfältiger, auf Sie zugeschnittener Services“ (Lidl-Plus-Selbstwahrnehmung) kommen? Das müssen Sie vorher wissen:
1. Jeder nur ein Kreuz
Wer Lidl Plus (Android, iOS) nutzen will, muss sich mit seiner E-Mail-Adresse und Mobilfunknummer registrieren und erhält einmalig einen 5-Euro-Gutschein für seinen ersten Einkauf, der beim Scannen des QR-Codes automatisch eingelöst wird („Wie Plus ist das denn?“). Das klappt aber nur einmal pro Adresse bzw. Nummer; die Nutzung von Wegwerf-E-Mail-Adressen schließt Lidl in den Teilnahmebedingungen explizit aus.
Die Registrierung („Lidl ID“) gilt übergreifend für alle Dienste des Discounters. Anders gesagt: Wenn Sie im Lidl-Online-Shop schon einen elektrischen Rasenkantenschneider und ein aufblasbares Einhorn bestellt haben, sind Sie mit ihrem Login automatisch Lidl-Plus-startklar!
2. Ohne Netz geht nix
Der Einsatz der App ist an die Online-Nutzung gebunden. Weil sich so manche Lidl-Filiale bislang aber eher als empfangsfreie Zone für mobiles Internet ins Gedächtnis der Kundschaft eingebrannt hat, die im Laden noch Whats-App-Klärungsbedarf für den Kartoffelsalatkauf sah, hat die Discountkette in den vergangenen Monaten sämtliche Märkte mit kostenlosem WLAN ausgestattet. Oder wie Spezialisten, die nebenberuflich Daten aus frei zugänglichen Netzwerken abgreifen, sagen: Passwort-Büffet. (Deshalb: besser mit VPN surfen.)
3. Lidl weiß, wo Sie letzten Sommer eingekauft haben
Erklärtes Ziel von Lidls „Kundenservice Programm“ ist es, das Einkaufsverhalten seiner Teilnehmer:innen besser verstehen zu lernen. Dafür ermittelt der Discounter „Interessen und Vorlieben im Hinblick auf Produkte und Services“, wie es in den Teilnahmebedingungen heißt. Dazu gehört, was, wie und wo Lidl-Plus-Mitglieder einkaufen (in welcher Filiale, welche Produkte, die Bonsumme, das Zahlungsmittel usw.), wie sie die App nutzen, ob sie andere Lidl-Dienste (z.B. den Online-Shop) in Anspruch nehmen. Wer dieser Profilerstellung in einer „Loyalty ID“ nicht zustimmt, kann die App gleich wieder deinstallieren, weil er dann keine Coupons einlösen und auch nicht an „Rabatt- und Sonderaktionen“ teilnehmen kann.
Lidl erklärt:
„Wir werten die Daten mit dem Ziel aus, solche Informationen zu ermitteln, an denen Sie interessiert sein könnten, damit wir Ihnen nur noch solche Informationen zusenden oder anzeigen.“
Dafür würden zudem „mathematisch-statistische Methoden“ eingesetzt, um mögliche Produktinteressen abzuleiten – etwa, indem das Einkaufsverhalten anonym mit dem anderen Kund:innen, die ähnliche Gewohnheiten haben, abgeglichen wird.
4. Fleisch ist kein Gemüse
Das funktioniert bislang: miserabel. Seit dem Deutschland-Start hab ich Lidl Plus regelmäßig im Einsatz, um im Blog über interessante Entwicklungen zu berichten (hier, hier, hier und hier z.B.). Auch nach einem Jahr scheint die App aber nicht einmal grundlegend mein Einkaufsverhalten verstanden zu haben.
Obwohl ich ziemlich viel Bio kaufe, empfiehlt mir Lidl Plus weiterhin vor allem konventionelle Produkte. Und vermutlich müsste man mal ein ernstes Wörtchen mit der mathematisch-statistischen Methode vom Dienst reden, die glaubt, es sei eine gute Idee, Kunden, die bislang kein einziges Mal Wurst oder Fleisch, dafür aber massig vegetarische Alternativen gekauft haben, eine 12-Prozent-Vergünstigung für „Delikatess-Fleischsalat“ in die Coupons zu pushen. In Sachen Personalisierung zeichnet sich Lidl Plus – bislang – durch Vollversagen aus. Das sabotiert die Treue eher als sie zu stärken.
5. Der Name der Moosrose
Wer öfter bei Lidl einkauft (was ja das Ziel eines Kundenbindungsprogramms wie Lidl Plus ist) und jedes Mal artig seine digitale Kundenkarte an der Kasse scannt, erhält über den „Rabattsammler“ regelmäßig Coupons für kostenlose Naturalia. Je höher der monatliche Einkaufswert, desto mehr kostenlose Produkte werden stufenweise freigeschaltet (aktuell ab 30 Euro, 75 Euro, 150 Euro, 250 Euro usw.). Mit jedem neuen Monat wird der Rabattsammler genullt und von vorne gerechnet.
Wie diese Produkte ausgewählt werden, scheint jedoch völlig willkürlich zu sein. Um zumindest eine minimale Auswahl zu ermöglichen, können sich Nutzer:innen bei jeder Freischaltung zwischen zwei Produkten entscheiden: Tomatenketchup oder Prosecco, Donut oder Passata, Crunchips oder Delikatess-Leberwurst, Flips oder Kaffeegetränk, Frischkäse oder Küchentücher. Höchste Form der Belohnung im aktuellen Rabattsammler ist (bei erreichen der 600-Euro-Einkaufsstufe): Moosrosen oder Toilettenpapier.
(Moosrosen???)
An manchen Filialen hängt Lidl eine praktische Übersicht der Rabattstufen aus, um Plus-Nutzer:innen ein für alle Mal zu verwirren.
Korrekt ist: Wer monatlich wirklich alle seine Einkäufe bei Lidl tätigt, kann derzeit bis zu sieben kostenlose Produkte abgreifen – von denen man erfahrungsgemäß aber die allermeisten gar nicht haben mag. Das ist umso lustiger, weil Lidl Plus ja für sich in Anspruch nimmt, Kund:innen nur Informationen anzeigen zu wollen, die auch tatsächlich ihren Vorlieben entsprechen. Und schon bei den Belohnungen, einem zentralen Element des Programms, grandios daran scheitert.
Sehr viel nützlicher wäre ein simples Punktesystem, bei dem mit jeder erreichten Einkaufswert-Stufe Lidl-Plus-Punkte vergeben würden, für die man sich selbst Artikel aus einem größeren Produkt-Pool aussuchen könnte. Das wäre im Zweifel sogar eine sehr viel bessere Treue-Motivation, weil Kund:innen Punkte „ansparen“ könnten, um den Artikel ihrer Wahl zu erhalten.
6. Rabattirrgarten der Leidenschaft
In der Testphase hat Lidl haufenweise Funktionen durchprobiert – und damit möglicherweise auch schon den ein oder anderen Nutzer vergrault, weil die Lidl-Plus-Funktionen von Monat zu Monat wechselten: Gewinnspiele tauchten auf und verschwanden wieder, Wochencoupons wurden an Bedingungen geknüpft, „Knaller“-Angebote sind ganz untergetaucht. Entsprechend fallen auch manche Bewertungen in den App-Stores aus.
Im Laden fielen rabattierte Plus-Produkte zuletzt kaum auf. Per Preisschildzusatz riet der Discounter: „Jetzt Lidl Plus Preis sichern“. Welcher das ist, steht dort aber nicht (mehr), weil er vermutlich nutzer- bzw. filialindividuell berechnet wird.
Gleichzeitig hebt sich die Kennzeichnung weiterhin kaum von der übrigen Lidl-Sonderpreisinszenierung ab, sodass man schon sehr genau hinsehen muss, um zu erkennen, welches Angebot nun eigentlich an die App-Nutzung geknüpft ist – und welches nicht. (Im Plus-Testland Österreich ist das zu Beginn besser gekennzeichnet worden, hat aber für noch mehr Preisschild-Durcheinander gesorgt.)
7. Lost in Translation
Wer selbst in den Ferien nicht auf den Einkauf in seinem Lieblings-Discounter verzichten kann, weil das Hotelbuffet Corona-bedingt ausfallen muss, der kann Lidl Plus auch im europäischen Ausland einsetzen: Inzwischen ist das Programm in zwölf Ländern verfügbar (Belgien, Dänemark, Deutschland, Spanien, Irland, Luxemburg, Niederlande, Polen, Slowakei, Finnland und Österreich; in Großbritannien ist offizieller Start am 3. September, die App ist aber ebenfalls bereits nutzbar).
Das rentiert sich insofern, dass Rabattaktionen und Coupons von Land zu Land teilweise verscheiden sind. Vielleicht lernen Sie aber schon mal besser Suomi, um beim nächsten Finnland-Aufenthalt sämtliche Kupongit-Vorteile ausschöpfen zu können. Die im Urlaubsland erreichte Rabattstufe lässt sich leider auch nicht mit nachhause nehmen.
8. Einer wird bezahlen
Screenshots [M]: Lidl/Smb
Lidl Plus ist nicht nur der Versuch, die eigene Kundschaft besser kennenzulernen (und von der Konkurrenz fernzuhalten), sondern zugleich Basis für eine zunehmende Digitalisierung des Lidl-Angebots. Der nächste Schritt dafür ist, die App auch als Zahlungsmittel einzusetzen. Mittels der Option Lidl Pay, das in einigen Ländern bereits freigeschaltet ist (siehe Supermarktblog), kann auf Wunsch per QR-Code-Scan der Kasse direkt bezahlt werden. Dafür muss zuvor eine Girokonto mit Lastschriftverfahren hinterlegt (und überprüft) worden sein. Die Funktion lässt sich in den Einstellungen auch wieder deaktivieren.
Eine Frage haben Sie sicher noch:
Lohnt sich der ganze Summs überhaupt für mich als Kund:in?
Naja. Das kommt ein bisschen darauf an, wie langweilig Ihnen beim Einkauf so ist bzw. ob Sie sich damit anfreunden können, Ihr Einkaufs- und App-Nutzungsverhalten mit Lidl sowie diversen Social-Media-Anbietern (die auch ein paar Daten abkriegen) zu teilen, um nachher in einen kostenlosen Butterkeks zu beißen.
In Irland wirbt Lidl für Plus mit dem Versprechen: „At least 10 € savings every week“.
Das dürfte – sagen wir: sehr optimistisch gerechnet sein. Zumal die versprochen Einsparungen wohl auch auf Produkte entfallen, die man selbst vergünstigt nicht kaufen würde – weil man sie einfach nicht braucht. Ein bisschen ist das so als würde Lidl die Rabatte sämtlicher in seinem Wochenprospekt beworbenen Produkte addieren und dann damit werben: 100 Euro jede Woche sparen!
Hierzulande ist der Discounter bislang etwas leiser aufgetreten:
Möglicherweise ändert sich das aber in den kommenden Wochen. Immerhin dürfte Plus für Lidl auch ein wichtiges Instrument dafür sein, Umsätze und Marktanteile auszubauen, die – trotz Corona – derzeit eher stagnieren. Ob sich das Programm in Deutschland großflächig durchsetzen kann, wird aber auch deshalb hochinteressant zu beobachten, weil es Lidl dabei helfen könnte, das arg in die Jahre gekommene Discount-System ein Stück weit zu digitalisieren und für weitere Services vorzubereiten. (Bisherige Plus-Kund:innen wurden bereits gefragt, ob Sie sich vorstellen könnten, eine Fahrgemeinschaft-App zu nutzen, die die Schwarz-Gruppe bislang nur für ihre eigenen Mitarbeiter:innen nutzt.) Nicht zuletzt könnte die Freischaltung von Lidl Pay den Trend zur bargeldlosen Zahlung beschleunigen.
Und am Ende fände sich vielleicht sogar noch eine Antwort auf die Frage aller Discount-Fragen, die da lautet: Crunchips oder Delikatess-Leberwurst?
P.S.: Lieblings-Coupon bis jetzt: 10 Prozent auf Wäscheklammern.
Hier finden Sie alle Supermarktblog-Texte über Lidl Plus:
„Wie Plus ist das denn?“ So will Lidl zum bundesweiten Start für Lidl Plus werben
Fotos: Supermarktblog
Negative tr*****
Ihr kriegt was geschenkt und jammert? Traurig! Wenn du es nich möchtest gib es jemandem der was damit anfangen kann. Rewe hat Payback eingeführt klar punkte sammeln, dann kannst‘ dir auch irgendwann was aussuchen, aber das ganze sortiment ist damals ein cent teurer geworden
Lidl gibt dir Coupons, Geschenke und erspart dir das Papier Chaos in der Geldbörse weil alle Bons eingesehen und für evtl. Rückgaben genutzt werden können. Das ganze unentgeltlich und ohne Preiserhöhung, trotz deutlichem Mehraufwand durch z.B. Erstellung und Anbringung von Werbemedien, usw.. Was stimmt nicht mit euch? Zu Punkt 7. sollte man sich ältere Kommentare ins Gedächtnis rufen bevor man irgendetwas kritisiert, viele Kunden sind schon mit ÜBER der Ware hängenden Schildern überfordert und denken es ist der Artikel darüber gemeint, und das obwohl sie nur das Preisschild lesen müssten um zu wissen welcher Artikel gemeint ist – zu viel verlangt rotes Schild gilt natürlich für den Artikel den ich mir aussuche. Und diesen Menschen soll man auch nich zwei Preise über den Artikel hängen? Wollt ihr die armen Mitarbeiter in den Burnout treiben?
Sie müssen sich verirrt haben, die Facebook-Kommentarspalten sind ein paar Türen weiter rechts zu finden. Aber mal im Ernst – ist doch ein super differenzierter Text? Wenn Sie den Apfelmus für fünf Cent Rabatt im Gegenzug Ihrer kompletten Daten inkl. Telefonnummer und der Aufzeichnung Ihres kompletten Einkaufsverhaltens plus der Filiale einverstanden sind, fein. Längst aber kein Grund, auszuflippen.
„ Rewe hat Payback eingeführt klar punkte sammeln, dann kannst‘ dir auch irgendwann was aussuchen, aber das ganze sortiment ist damals ein cent teurer geworden
Lidl gibt dir Coupons, Geschenke […]. Das ganze unentgeltlich und ohne Preiserhöhung“
Ja nee ist klar.
Das ist doch Blödsinn.
Jeder Cent den Lidl für geschenkte Artikel und Rabatte ausgibt – incl der Millionen die das ganze System gekostet hat- nur irgendwie erwirtschaftet werden.
Selbstverständlich zahlen die Kunden das. Wer denn sonst??
„das ganze sortiment ist damals ein cent teurer geworden“
Echt? War mir gar nicht aufgefallen, dass alle Händler Preise haben, die auf 9 enden, und Rewe hat eine 0 am Ende …
Was für ein Quatsch. Ich finde den Text auch sehr differenziert. Gerade weil er herausstellt, dass der Kunde letztlich für seine Daten inkl. seines Einkaufsverhaltens Artikel im Cent-Bereich erhält. Gratis ist da nichts.
Wenn man bedenkt, dass Lidl gerade an den Eigenmarken kaum Verluste einfahren wird, ist es lächerlich, das Ganze so zu bewerben. Selbst Payback bietet hier mehr Spielraum und funktioniert vor allem Geschäftsübergreifend.
Und auch den Punkt mit den individuellen Rabatten und Gutscheinen finde ich spannend. Ich ernähre mich ähnlich wie der Autor hauptsächlich vegan/vegetarisch und kaufe niemals Fleischprodukte. Gerade hier wäre es sinnvoll, die eigenen veganen/vegetarischen Produkte hervorzuheben, damit ich als Kunde leichter finde, was ich suche(n könnte).
danke fürs testen und den erfahrungsbericht – liest sich ja abenteuerlich; ich hatte jedenfalls spaß bei lesen 🙂
Ich wollte eben bei der auch im Screenshot zu erkennenden Filiale in Düsseldorf meine brandneue App nutzen und den 5 Euro Willkommensbonus einlösen (zusammen mit ein paar Prozent auf Mozzarella). Leider konnte das Lesegerät den Code auf meinem Handy nicht lesen. Bei Rewe und Payback funktioniert das mit dem gleichen Gerät problemlos. Also bleibe ich da, ist auch näher.