Instacart auf Österreichisch: Hofer, Roksh und der Online-Diskont-Einkauf mit „Personal Shopper“

Instacart auf Österreichisch: Hofer, Roksh und der Online-Diskont-Einkauf mit „Personal Shopper“

Inhalt:

Wenn’s um die Lieferung von Lebensmitteln geht, verfolgt Aldi Süd international eine widersprüchliche Strategie. In und um Wien hat sich die Tochter Hofer die Dienste eines Lieferpartners angelacht, der in vielerlei Hinsicht einem bekannten amerikanischen Vorbild nacheifert. Das hat aber auch Nachteile.

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Klingelingling, schönen guten Nachmittag, ich melde mich zu Ihrer Online-Bestellung – die Spitzpaprika und die Oliven im Glas sind leider nicht mehr vorrätig, die gewählten Tomaten würde ich durch eine andere Sorte ersetzen, haben Sie sonst noch einen Wunsch?

Beziehungsweise, anders gefragt: War das ein Traum oder hat gerade tatsächlich mein „persönlicher Einkäufer“ aus dem laufenden Kommissionierprozess im Laden bei mir angerufen, um mich über unvermeidliche Änderungen an meiner tags zuvor getätigten Lebensmittel-Bestellung zu informieren und nachzufragen, ob die gewählten Ersatzartikel in Ordnung für mich sind, bevor er sie mir an die Tür bringt?

Ja, tatsächlich – und die besondere Pointe bei all dem ist: Der Einkauf kommt auch noch von Hofer, der österreichischen Tochter von Aldi Süd.

Dort hat man gemerkt, dass auch der eine oder die andere Diskontkund:in bisweilen den Wunsch verspürt, es sich beim Einkauf etwas bequemer zu machen – und lange nach dem richtigen Modell gesucht, um diesem Wunsch nachzukommen. Fündig geworden ist man (ausgerechnet) bei Roksh – einem erst vor zwei Jahren in Wien gegründeten Liefer-Start-up, mit dem Hofer seit Ende 2021 kooperiert, um Kund:innen per „Personal Shopper“ in Wien und um Wien herum mit Lebensmitteln und anderen Artikeln des täglichen Bedarfs zu versorgen.

Hü und Hott im Online-Lebensmittelhandel

Roksh wäre gerne so etwas wie das österreichische Instacart; zumindest ist die Website, was Design und Funktionen betrifft, eine ziemlich schamlose, aber weniger professionell umgesetzte Kopie des Vorbilds, das sich in den USA gerade auf den Börsengang vorbereitet und seit Jahren als Lieferpartner zahlreicher stationärer Supermarktketten etabliert hat, unter anderem auch: Aldi.

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die Süd-Aldis aus Mülheim an der Ruhr mit ihren internationalen Ländertöchtern sehr unterschiedliche und zum Teil widersprüchliche Strategien verfolgen:

  • In Deutschland ist mit „Mein Aldi“ gerade ein erster eigener Lieferdienst für Lebensmittel gestartet: ein Picnic-Klon (mit Liefergebühren), der zunächst in Mülheim an der Ruhr, Duisburg und Oberhausen ausprobiert wird – vielleicht auch bloß, um ihn scheitern zu sehen.
  • In der Schweiz beliefert Aldi Suisse Nutzer:innen von „Aldi Now“ in ausgewählten Postleitzahlregionen und arbeitet dafür mit dem Logistikdienst Gastro Kurier Zusammen.
  • Im Online-Lebensmittel-Bestellland Großbritannien hat Aldi derweil seine Kooperation mit Deliveroo wieder eingestampft und zuletzt auch seinen während der Pandemie etablierten Click-&-Collect-Service stark zurückgefahren (aufgrund „fehlender Nachfrage der Kund:innen“).
  • In den USA können Aldi-Artikel seit kurzem via Doordash bestellt werden; und mit dem langjährigen Partner Instacart hat man kürzlich sogar den Schnelllieferdienst Aldi Express mit 30-Minuten-Lieferversprechen gestartet.

Ein Einkauf, zwei Rechnungen

Hofer versucht’s in Österreich wiederum mit Roksh, auf dessen Startseite es nun bereits seit geraumer Zeit heißt: „Weitere Partnerunternehmen folgen.“ Bislang ist der Diskonter aber die einzige Bestelloption – wobei die Kooperation nun schon deutlich über anderthalb Jahre läuft, erst im Frühjahr auf weitere Zustellgebiete erweitert wurde und an den Filialen bzw. im Netz durchaus offensiv beworben wird.

Der Einkauf läuft nicht über hofer.at, sondern direkt auf roksh.at/hofer. Aus den links auf der Seite aufgelisteten Produktkategorien werden die benötigten Artikel ausgewählt und in den Einkaufswagen gelegt, mit dem „Zur Kasse“-Button lässt sich die Auswahl bestellen. Bezahlt wird nachher an der Haustür: z.B. kontaktlos mit Karte am vom Zusteller mitgebrachten Terminal, wie im Restaurant. Anschließend gibt’s per E-Mail gleich zwei Rechnungen: eine von Hofer, auf der die erhaltenen Artikel aufgelistet sind, und eine von Roksh, mit der Kommissionierung und Lieferung in Rechnung gestellt werden.

(Das passt zur Strategie, die Diskontanbieter in zahlreichen Ländern verfolgen: nämlich das Online-Bestell- und Liefergeschäft an Partner auszulagern, die sich darauf spezialisiert haben.)

Geliefert wurde bei meinem Test problemlos am Tag nach der spätabendlichen Bestellung; theoretisch gibt bzw. gab es auch eine „Express“-Option für den taggleichen Empfang – aber die war zum Bestellzeitpunkt ebenso „nicht verfügbar“ wie sie es heute ist (im Hauptzustellgebiet).

Liefereinkauf aus dem Diskont: pünktlich, aber nicht ganz vollständig; Foto: Smb

Ohne Aktionsartikel-Irrgarten

Der Service wiederum ist gleichzeitig prima – und wackelig: Einerseits ist es schon ärgerlich, wenn von 32 Bestellpositionen tags drauf fünf nicht vorrätig sind oder ersetzt werden müssen (Spitzpaprika, Bio-Oliven, Bio-Frischkäse, Oliven-Feta-Wurzel, Bio-Tomaten). Andererseits könnte man ja beim Anruf seines „persönlichen Einkäufers“ (dem man während des Bestellprozesses als Option zustimmen muss) Ersatzwünsche äußern.

Und selbst wenn nicht: Es fühlt sich schon ganz gut an, sich für seinen Diskont-Einkauf nicht durch Aktionsartikel-Irrgärten schlagen zu müssen, um nachher noch an der Kassa Schlange zu stehen. Sondern unkompliziert zwei große Tüten mit frischen Lebensmitteln in die Hand gedrückt zu kriegen.

Die Preise der Produkte sollen einem Bericht von orf.at zufolge dieselben wie im Laden sein. (Hab ich allerdings nicht gründlich überprüft.)

Größeres Sortiment als in vielen Läden

Größter Vorteil ist, dass das zur Verfügung stehende Sortiment (vor allem an Bio-Produkten von „Zurück zum Ursprung“) im Webshop deutlich größer ist als in vielen stationären Hofer-Filialen (je nach Einzugsgebiet).

Hofer profitiert über das Partnerschaftsmodell davon, Erfahrungen mit Online-Bestellungen zu sammeln, ohne dafür in eigene Infrastruktur investieren zu müssen, und kann sich generell überlegen, ob man sich eine solche Partnerschaft auch mit anderen Zustelldiensten vorstellen kann.

Aus Sicht von Roksh, das mit selbstständigen Kommissionierer:innen und Zusteller:innen Arbeit, die 12 Euro pro Stunde verdienen sollen, ist aber nicht ganz klar, wie sich das Angebot mittelfristig mit nur einem Handelspartner rechnen soll. (Vielleicht hat der sich aber auch vorübergehende Exklusiv-Nutzung erkauft.)

Das von Rocket Internet Ende 2014 in Deutschland gestartete Instacart-Pendant Shopwings war jedenfalls nach wenigen Monaten schon wieder weg. (Hatte aber auch mit anderen Widrigkeiten zu kämpfen.)

Bis zu 8 Euro Liefergebühr

Und was haben die Kund:innen davon? Grundlegend funktioniert die Bestellung zwar ganz gut. Aber sobald es in die Details geht, wird der „Hofer Lieferservice“ etwas wackelig.

Im Safari-Browser auf dem iPad können gar keine Einkäufe bestellt werden, weil der „Zur Kasse“-Button im Warenkorb vom Seitenrand verschluckt wird und gar nicht antippbar ist.

Die angewählte Option, den Einkauf in Roksh-eigenen Mehrwegkisten zu erhalten, die der Einkäufer ausgeräumt gleich wieder mitnimmt, wurde bei meinem Test kommentarlos ignoriert; stattdessen war alles in Papiersackerl gepackt, die – anders als online angegeben – aber auch nicht separat berechnet wurden.

Der Einkauf wird in Hofer-Papiertüten an der Haustür abgegeben; Foto: Smb

Und die Express-Variante scheint, wie gesagt, nur noch Theorie zu sein.

Vor allem das Preismodell ist allerdings wenig Diskont-gerecht: Für die Lieferung in einem 3-Stunden-Fenster möchte Roksh 5,90 Euro ein Rechnung stellen; wer’s gerne etwas zielgegenauer hätte und auf die 1-Stunden-Option ausweicht, zahlt 7,90 Euro. Eine Kostenlos-Zustellung geht auch – aktuell für Einkäufe ab einem moderaten Warenwert von 69 Euro. Dann allerdings muss man ein „ganztägiges“ Zustellfenster in Kauf nehmen. Und das ist nun wirklich kompletter Humbug, weil die wenigsten Leute sich zuhause einschließen dürften, um abzuwarten, dass ihnen jemand die Günstig-Gurke heimbringt.

Gutscheine und Gratis-Artikel

In regelmäßigen Aktionen werden registrierten Kund:innen unabhängig davon Gratis-Zustellungen angeboten. Und wer einmal bestellt hat, den versucht Roksh nach einer, zwei und drei Wochen nochmal zu reaktivieren (erst mit einem 48 Stunden gültigen 7-Euro-Gutschein, dann mit 10 Euro). Gerade läuft außerdem eine Aktion, bei der man ab einem (sich über mehrere Bestellungen summierenden) Einkaufswert von 99 bzw. 129 Euro Gratis-Produkte dazu erhält (Kräuterbaguette, Salatmix, ACE-Getränk).

Aber so richtig gut kann ich mir das nicht vorstellen, dass sich so eine große Stammkundschaft einsammeln lässt, die regelmäßig 8 Euro Liefergebühr dafür ausgibt, die vorher mit dem Einkauf im Diskonter eingespart wurden. (Aldi Suisse berechnet bei Aldi Now sogar bis zu 19,90 CHF – gut 20 Euro; aber die Schweiz ist eh eine andere Einkausfwelt. Und in NRW liefert „Mein Aldi“ aktuell kostenfrei ab 50 Euro Bestellwert, darunter kostet’s 4,50 Euro.)

Oder das ist, umgekehrt, eine geniale Idee: Durch den Diskont-Einkauf spart man soviel Geld, dass man das locker in seinen „Personal Shopper“ zu investieren bereit ist.

Und so muss die Frage, ob es sich bei der beschriebenen Austria-Allianz um Aldis Einkaufsservice von morgen oder doch bloß um eine lustige Eskapade des Erfinders von Billig im benachbarten Ausland handelt, leider vorerst unbeantwortet bleiben.

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