„Billa Bio“ und die Doppelmarken-Strategie für Bio-Zielgruppen im Supermarkt

„Billa Bio“ und die Doppelmarken-Strategie für Bio-Zielgruppen im Supermarkt

Inhalt:

Darf eine Bio-Eigenmarke frech, bunt und witzig sein? Die österreichische Rewe-Tochter Billa macht’s mit „Billa Bio“ vor – und wendet sich damit vor allem an Kund:innen, die wenig mit dem etablierten Öko-Idyll anfangen können. Ein Vorbild für deutsche Supermärkte?

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Aller guten „Thinge“ sind bekanntlich drei, anschließend wird es entweder unübersichtlich („Star Wars“-Filme), hoch (im Schwimmbad) oder verwirrend (was denn jetzt, drei Musketiere – oder vier?). Aber hilft ja nichts: Im Lebensmitteleinzelhandel ist der frühere Eigenmarken-Dreiklang, die klassische Abstufung in Discountpreismarke, Mittelmarke und Premiummarke („Good, Better, Best“) längst einem bunten Durcheinandergetröte gewichen, weil sich die Händler auch mit Bio-, Regional-, Vegan- und Frei-von-Produkten unter eigenem Namen vielfältiger aufzustellen versuchen. Die dann selbst noch weiter aufgefächert werden – allen voran das Sortiment ökologisch erzeugter Lebensmittel, das immer beliebter wird.

Die Handelsketten reagieren formatübergreifend darauf, indem sie versuchen, Bio in unterschiedlichen Preisstufen anzubieten:

Tegut hat gerade angekündigt, die Zahl der Produkte seiner Basis-Bio-Marke „Tegut Bio zum kleinen Preis“ (siehe Supermarktblog) auf 200 verdoppeln zu wollen, um der Nachfrage nach günstigem Bio gerecht zu werden (und sich gegen die Discounter zu wehren). Aldi Süd wiederum ergänzt sein Angebot mit der neuen Eigenmarke „Nur Nur Natur“, deren Qualitätsstandard deutlich über das Basis-Bio-Angebot von „Gut Bio“ hinausgeht (siehe Supermarktblog).

Edeka und Netto (ohne Hund) versuchen selbiges mit „Naturkind“ (bislang aber ohne die Marke trennscharf zu „Edeka Bio“ und „BioBio“ zu positionieren, siehe Supermarktblog). Auch Alnatura reagiert und führt gerade die Eigenmarke „Prima! Alnatura“ als günstiges Basis-Bio-Angebot mit EU-Mindeststandards ein, um Kund:innen im Fachhandel zu halten oder zurückzuholen (siehe Supermarktblog).

Günstig-Bio ergänzt Besser-Bio

Anders formuliert: Eigenmarken-Bio steht vielerorts längst in unterschiedlichen Varianten im Regal. Aber niemand im deutschsprachigen Raum macht das bislang so schlau wie die österreichische Rewe-Tochter Billa.

Ende 2020 tauchten die ersten Produkte der neu gestarteten Eigenmarke „Billa Bio“ in den Läden auf – und das, obwohl Billa schon seit einer kleinen Ewigkeit (1994!) über eine funktionierende Bio-Eigenmarke verfügte: „ja! natürlich“ (nicht zu verwechseln mit Rewes deutscher Discountmarke ja!). Entwickelt wurde sie vom österreichischen Bio-Pionier Werner Lampert, der Bio-Produkte mehrheitlich aus österreichischer Herstellung und Herkunft fördern half. Ja! natürlich ist auch weiterhin fester Bestandteil des Billa-Sortiments – und hat, wenn man so will, mit Billa Bio ein kleines, freches Schwesterchen bekommen.

Billa positioniert seine beiden Bio-Eigenmarken auch in separaten Aufstellern; Foto: Smb

Elke Wilgmann, ehemalige Vorständin bei Billa Österreich, erklärte zum Start, Billa Bio solle Kund:innen „mit weniger Budget und Zeit abholen“, was vor allem bedeutet: Die Produkte entsprechen durchweg Eu-Bio-Mindeststandards, sind größtenteils im Ausland hergestellt und vor allem günstiger als die von ja! natürlich.

In den Märkten wird ja! natürlich als Bio-Eigenmarke beworben, die „Immer einen Schritt voraus“ ist, wohingegen „Billa Bio“ als „Einfach Bio, einfach günstig“ etabliert wird – und zwar mit erheblichem Aufwand: In fast allen Billa-Filialen sind die Vorteile der Eigenmarke derzeit prominent beworben; die Artikelzahl ist von anfänglich 135 auf über 200 gestiegen.

Für jede Bio-Zielgruppe eine Marke

Für die Differenzierung setzt Rewe International aber – und das ist das Schlaue – nicht nur beim Preis an, sondern positioniert seine beiden Bio-Eigenmarken auch so, dass sie grundverschiedene Zielgruppen ansprechen können.

Ja! natürlich sei sowas wie der Bio-„Goldstandard“, heißt es aus der Billa-Zentrale in Wiener Neudorf: Die Qualitätsansprüche sind besonders hoch, viele Produkte sind in Papier statt Plastik verpackt, die Gestaltung ist eher klassisch – all das, womit sich insbesondere überzeugte Bio-Traditionalist:innen überzeugen lassen dürften. Die lokale Herstellung wird stark betont und im Zweifel direkt in den Produktnamen gerückt: „ja!-natürlich-Bio-Snack-Tomaten aus Geinberg“ werben mit der siegelartigen „Saisonverlängerung von österreichischem Bio-Fruchtgemüse durch Erdwärme“ auf der Papierschale, in der sich der Inhalt durch ein Sichtfenster im österreichischen Landesumriss zeigt.

Billa Bio ist hingegen stark für Bio-Modernist:innen inszeniert: Auf alles, was irgendwie an ein grünes Öko-Idyll erinnern könnte, wird ganz bewusst verzichtet. Das Design ist nicht grün oder in Erdfarben gehalten, stattdessen sind die Verpackungen zeitgemäßer, bunter und so im Regal auffälliger als manche konventionelle Marke.

Lustig oder albern?

Der Name des Absenders ist in den weiß gesetzten Schriftzug auf wechselndem buntem Grund einbezogen, ohne das Orginal-Billa-Logo zu verwenden. Auf der Vorderseite stehen EU-Bio-Siegel (links oben), ggf. Vegan-Siegel (links unten) und ein Billa-eigenes Fantasie-Siegel: „geprüfte Bio-Qualität“ (rechts oben).

Artikel, bei denen ja! natürlich klassischerweise auf Zutatenabbildungen setzt, kriegen in der Billa-Bio-Variante kurzerhand ein Sichtfenster.

Produkt- bzw- Qualitätsversprechen verpackt Billa Bio in launige Untertitel. Bio-Penne sind „Die italienischen Strohhalme für Tomatensauce“; der Bio-Tee tönt: „Fenchel und Anis kümmeln sich um alle“; „‚Dich hab ich gern um mich‘, sagt der gebeizte Lachs zur Bio-Dille“, dichtet der orangerosa Speisefisch; Maiskeimöl ist „Der Bio-Maister im Kochen, Frittieren und Backen“; und die Macadamia-Nüsse bereiten ihren Charts-Einstieg vor: „Voller Ballaststoffe – Eyyy, Ma-ca-damia!“

Um auch noch die Sprachmumifizierenden an die engen Grenzen des für sie Erträglichen zu bringen, werden einzelne Produktbezeichnungen auf den Verpackungen sogar – Achtung, nichts für schwache Nerven! – gegendert, z.B. „Student:innenfutter“ („Mündliche Prüfung? Bestanden!“), wobei sich der Doppelpunkt ganz niedlich aus Nüsschen zusammensetzt.

Hohe Bio-Nachfrage in Österreich

Darüber, ob das lustig oder bloß albern ist, lässt sich natürlich vortrefflich streiten – außer halt, man sieht Billa Bio als das, wofür die Marke offensichtlich gebaut wurde: ein zeitgemäßes Supermarkt-Bio, dass sich sehr konsequent an eine Zielgruppe aus jungen Familien, Student:innen und all jenen richtet, die mit dem traditionell-biederen Auftreten der Öko-Bewegung wenig anfangen können – aber trotzdem verstanden haben, dass Bio-Lebensmittel besser für sie und den Planeten sein können.

Damit ist Billa Bio schon ziemlich nah dran an der der im vergangenen Jahr hier im Blog geäußerten Möglichkeit, für ein gut ausgebautes Basis-Bio-Sortiment einfach auf konventionelle Mittelmarken mit teilweise sehr viel weniger leicht zu erklärenden Mehrwerten zu verzichten. Auch wenn es dazu wohl nicht kommen wird: Billa hat seine Mittelmarke nach dem Zusammenschluss mit Merkur gerade erst als „Billa – Immer gut“ relauncht.

Der gebeizte Lachs von Billa Bio ist aber schon jetzt nur 50 Cent teurer als der aus konventioneller Zucht von Billa – Immer gut.

Verzicht auf gängige Öko-Klischees: die Eigenmarke ist eher für Nicht-Bio-Traditionalist:innen designt; Foto: Smb

Unabhängig davon ist Billa mit seinem Bio-Eigenmarken-Zweiklang vielen deutschen Handelsketten, die ihr Basis-Bio bislang vor allem über niedrigere Preise zu etablieren versuchen, einige Schritte voraus. Aus Sicht von Rewe International ist das aber eine ebenso notwendige wie konsequente Reaktion auf die landesspezifischen Marktverhältnisse: Nach Angaben der AMA (Agrarmarkt Austria) liegt Österreich mit seiner Bio-Nachfrage im europäischen Vergleich weit vorne – mit 11,3 Prozent Bio-Marktanteil auf Platz 2 nach Dänemark mit 13 Prozent. (Deutschland folgt nach dieser Rechnung mit 6,4 Prozent auf Platz 7.)

Der Diskont macht’s genauso

2020 wurde erstmals die 10-Prozent-Marke geknackt. Das dürfte auch daran liegen, dass ein Großteil des Bio-Angebots im eigenen Land hergestellt wird: 26,5 Prozent aller Agrarflächen in Österreich sind laut AMA auf Bio-Erzeugung umgestellt. (Deutschland kommt nach dieser Rechnung nichtmal in die Top 10.) Die Bio-Umsätze sind seit 2017 um 15 Prozent gestiegen.

Gleichzeitig gibt es in Österreich keinen vergleichbar starken Bio-Supermarkt-Fachhandel (mehr) wie in Deutschland: Denn’s Biomarkt kommt zwischen Bregenz und Wien zwar auf über 30 Filialen – aber auch deshalb, weil zahlreiche andere Mini-Bioketten übernommen wurden (Maran, Standorte von BioMarket, zuletzt die österreichischen Standorte von Basic).

Ein großer Teil der Bio-Umsätze entfällt also auf den klassischen Lebensmitteleinzelhandel – und der reagiert eben, indem er seine Sortimente für unterschiedliche Zielgruppen auffächert.

Hofer hat seine Basis-Bio-Marke „Bio Natura“ in Zusammenarbeit mit Aldi Schweiz aufgelegt; Foto: Smb

So positioniert Hofer, das mit seinem Besser-Bio-Angebot „Zurück zum Ursprung“ (siehe Supermarktblog) Vorbild für Aldi Süds Nur Nur Natur war, seine „Bio Natura“-Produkte – EU-Bio-Mindeststandard zum günstigen Preis – zunehmend prominenter in den Märkten und bietet so auch Kund:innen im Diskont zwei klar positionierte Bio-Optionen.

Kuriose Eigenmarken-Vielfalt

Viel Platz für Eigenmarken im Regal; Foto: Smb

In den Billa-Märkten wiederum führt die Strategie bisweilen dazu, dass im Regal mancherorts eine fast schon kuriose Vielfalt unterschiedlicher Eigenmarken steht, z.B. bei Ölen: das zum Preiseinsteig von clever!, die Varianten der Mittelmarke Billa – Immer gut, Lein- und Sesamöl von Billa Bio, Bio-Öle aus Österreich von ja! natürlich – und noch eine Variante des deutschen Handelspartners Alnatura dazu. Das ist nebenbei eine klare Ansage an klassische Markenhersteller, weil für deren Artikel im Zweifel weniger Platz bleibt. (Auch Alnatura- Produkte sollten teilweise von Billa Bio ersetzt werden.)

Wenn Bio auch im deutschen Lebensmitteleinzelhandel weiter wächst – und die bisherigen Zahlen sprechen stark dafür – werden vermutlich auch deutsche Handelsketten erkennen müssen, dass es für ökologisch erzeugte Produkte nicht (mehr) nur eine Zielgruppe gibt.

Sondern längst mehrere, die im Laden sehr unterschiedlich angesprochen werden müssen, um einen Händler zur Bio-Haupteinkaufsstätte ihrer Wahl zu machen.

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1 Kommentar
  • Interessant, dass bei den JN-Produkten anscheinend wenig Wert auf eine Verbandszertifizierung gelegt wird. In DE geht es ja gerade im Discount z.T. so weit, dass „Billigbio“ (Bioland-, Naturland-zertifiziert etc.) und die bessere demeter-Version feilgeboten werden. Aber auch Hofers ZZU bietet m.E. deutlich mehr Verbandsware.

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