Rewe, Knuspr, Flaschenpost: Wer ist der regionalste Lieferdienst im ganzen Land?

Rewe, Knuspr, Flaschenpost: Wer ist der regionalste Lieferdienst im ganzen Land?

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Mit kurzem Draht zu regionalen Erzeuger:innen und wachsenden Regional-Sortimenten wollen sich Lebensmittel-Lieferdienste voneinander abheben. Doch das wird zunehmend schwieriger, weil auch etablierte Anbieter die Relevanz des Themas für sich erkennen und damit werben.

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Als Lebensmittel-Lieferdienst-Herausforderer Knuspr vor zwei Wochen die Münchner Kund:innen des übernommenen Rivalen Bringmeister informierte, dass sie künftig vom Dienst mit dem sympathischen Croissant im Logo beliefert würden (siehe Supermarktblog), erschien online eine Art Beipackzettel, auf dem Knuspr die Besonderheiten seines Angebots in den Vordergrund stellte.

Zum Beispiel die „Knuspr-Produkt-Pyramide“:

„Wir setzen auf höchste Qualität: Dafür drehen wir sogar Pyramiden um! Das heißt konkret, bei uns stammen über 50% des Sortiments von kleinen, regionalen Betrieben und Start-ups, die wir mit voller Leidenschaft und Energie unterstützen. Beim traditionellen Supermarkt hingegen sind es nur 5-10%.“

Seit seinem Deutschlandstart wirbt der zur tschechischen Rohlik-Gruppe gehörende Anbieter damit, „Supermarkt und Hofladen“ in einem zu sein.

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Knuspr will sich von etablierten Supermärkten abheben, um Kundschaft zu gewinnen; Foto: Smb

Das kommt den Bedürfnissen zahlreicher (potenzieller) Kund:innen entgegen: Laut Allensbacher Markt- und Werbeträger-Analyse (AWA) 2023 sagen fast 38 Prozent der Deutschen von sich, dass sie „beim Einkauf regionale Produkte aus der Heimat bevorzugen“ (ein minimaler Rückgang im Vergleich zu den beiden Jahren davor).

Um die Ecke geerntet

Das dürfte man in Prag als Bestätigung des gewählten Schwerpunkts sehen.Vor wenigen Wochen schrieb Rohlik-Gründer Tomáš Čupr Kund:innen in einem Mailing zum 9. Gründungstag seines Unternehmens:

„Unser Ziel ist klar: Wir wollen den Lebensmitteleinkauf verändern, indem wir den Schwerpunkt auf regionale Lebensmittel [legen], Kunden ins Zentrum unseres Tuns setzen und ethische Grundsätze bestimmen, nach denen wir uns richten. Wir stehen dabei im absoluten Gegensatz zu den großen, gesichtslosen Konzernen, die oft die Bedürfnisse und Anliegen der einzelnen Kunden und Lieferanten übersehen.“

Im Rhein-Main-Gebiet versicherte Knuspr Kund:innen bereits im Frühjahr, das „über 50% unseres Obst & Gemüse-Sortiments weniger als 100km von unserem Lager entfernt“ angebaut und geerntet würden; dankt taggleicher Lieferung komme das Gemüse von regionalen Betrieben „in nur 7 Stunden vom Feld auf deinen Teller“.

Seit dem Sommer stamme „bereits 2/3 des Sortiments aus der Region“. So leiste man „einen wichtigen Beitrag gegen das Bauernhofsterben“, für das Knuspr auch seine Rivalen verantwortlich macht.

Rewe mopst die Knuspr-Kernkompetenz

Die „jetzige Struktur des deutschen Lebensmitteleinzelhandels“ dränge „systematisch regionale Kleinbetriebe aus dem Markt“, erklärte der damalige Knuspr-Chef Erich Comor vor anderthalb Jahren angriffslustig – doch anstatt mit seinem Versprechen zügig den deutschen Markt zu erobern, war Knuspr anschließend erstmal eine Weile mit sich selbst beschäftigt (siehe Supermarktblog und Supermarktblog).

Und die etablierten Wettbewerber haben die Gelegenheit genutzt, dem Neuling etwas den Wind aus den Segeln zu nehmen.

Zumindest dürfte es kein Zufall sein, dass Rewe das Thema Regionalität für seinen Lieferdienst gerade jetzt großflächig plakatiert. Während Knuspr derzeit damit beschäftigt ist, Doppelstrukturen der übernommenen Tochter Bringmeister abzuwickeln, um zu Beginn des neuen Jahres auch in der Hauptstadt durchzustarten (laut RBB24 mit dem bisherigen Bringmeister-Lager in Schönefeld als Basis), mopst sich Rewe kommunikativ die erklärte Kernkompetenz der Münchner:innen.

Auf Plakaten werden regional hergestellte Produkte derzeit mitsamt den Logos der Erzeuger:innen in den Vordergrund gerückt; darüber heißt es z.B.:

„Aus Südmüritz für Berlin: Regionales von deinem REWE Lieferservice.“

Die Großen lernen dazu

Im Rewe-Online-Shop und in der App steht der Menüpunkt „Regionales“ weit vorn. Die dahinter liegenden Sortimente unterscheiden sich von Region zu Region. Aber ein kurzer Blick ins Münchner Angebot zeigt, dass Rewe zahlreiche Artikel regionaler Bio-Bäckereien, Metzgereien und Produzent:innen anbietet, mit denen sich auch Knuspr schmückt – und zwar zu vergleichbaren Preisen oder sogar günstiger.

Den schwarzen Peter des Großkonzerns, der systematisch regionale Hersteller:innen verdränge, will man sich genau wenig zuschieben lassen. In einer Erklärung zur „Lokal-Partnerschaft“ für „eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit lokalen Lieferanten und Landwirten“ sind „gemeinsame Werte und Prinzipien definiert“.

Mit seiner Strategie ist Rewe keineswegs allein. Der zur Oetker-Gruppe gehörende Lieferdienst Flaschenpost, der sich längst als vollwertiger Liefersupermarkt positioniert, hat die Bedeutung regionaler Lebensmittel ebenso erkannt: In vielen Regionen bietet der frühere Getränkespezialist ein wachsendes Sortiment an Produkten aus der jeweiligen Umgebung an.

Frischepost-Kompetenz bei Flaschenpost

In der Navigation seines Online-Shops hat Flaschenpost den Reiter „Regionales“ dafür sogar an allererste Stelle gesetzt, noch vor „Obst & Gemüse“. Auf einer Unterseite – „Frisches aus deiner Region“ – heißt es:

„Wir glauben fest daran, dass regionale und saisonale Lebensmittel die besten Lebensmittel sind. Weil sie transparent und wirtschaftlich nachhaltig produziert sind, die Lieferwege verkürzen und die Umwelt schonen. Das ist Regionalität. Und das ist genial. Wir finden das ist #RegioGenial.“

(Fast genauso wie Knuspr, das mit dem Satz wirbt: „[W]ir sind der Überzeugung: regional ist genial“.)

Flaschenpost positioniert sich ebenfalls als Regionallieferant; Foto: Smb

Für den Aufbau seiner Regionalkompetenz hatte die Oetker-Tochter vor gut einem Jahr Eva Neugebauer zu sich geholt, Gründerin des Regionalprodukte-Lieferdiensts Frischepost, der kurz zuvor Insolvenz hatte anmelden müssen, nachdem die geplante Übernahme durch einen Investor gescheitert war.

(In Österreich scheint das Frischepost-Pendant Markta mehr Fortune zu haben und expandiert derzeit unter der eigenen Marke sogar stationär, hier mehr dazu.)

Mehr Platz für Kleinstbetriebe

Neugebauer bat Hamburger Frischepost-Kund:innen daraufhin in einem Brief darum, ihre Adressen zu Flaschenpost mitnehmen zu dürfen (Bericht des „Hamburger Abendblatts“). Auf LinkedIn ist die Gründerin als „Head of Regional Procurement FMCG“ angemeldet, die an der „Weiterführung der Frischpost-Vision“ arbeite: „Den besten regionalen Erzeuger:innen einen digitalen Absatzkanal ermöglichen.“

In Hamburg sind derzeit 26 Regionalpartner:innen verzeichnet, die Produkte via Flaschenpost ausliefern: vom Biolandwirt über den Hühnerhof bis zu regionalen Brauereien und Kaffeeröstern. Am Flapo-Gründungsort Münster sind es 23 Partner, in Berlin und München schrumpft die Auswahl bereits auf übersichtliche zwölf.

Auch eine Exklusivität besteht bei den allermeisten nicht: Manche Hersteller:innen kooperieren z.B. mit Amazon Fresh, wo das Regionalsortiment „Lokale Lieblinge“ heißt.

Wenn zahlreiche Lieferdienste Produkte aus der Region anbieten, noch dazu von denselben Erzeuger:innen, wird es in Zukunft sehr viel schwieriger, sich mit diesem Thema strategisch von der Konkurrenz abzuheben. Mag sein, dass Knuspr durch seine strukturelle Fokussierung auf regionale Partnerschaften einen Vorteil gegenüber anderen Lieferdiensten hat und Ressourcen hat, auch Kleinstbetriebe mit ihrer Produktauswahl ins Angebot zu holen.

Wieviel Regio wollen die Kund:innen?

Dieses zusätzliche Plus an Regionalität muss den Kund:innen aber nicht nur kommuniziert, sondern von denen auch gewollt werden. Vielleicht reicht den allermeisten auch die Auswahl an Produkten von ein bis zwei Bio-Bäcker- bzw. Metzgereien?

Einen Vorteil könnte das Regionalitäts-Engagement der Konkurrenz aber haben: Bei seiner angekündigten Deutschland-Expansion muss Knuspr nicht überall bei null anfangen, um regionale Partner:innen von einer Zusammenarbeit zu überzeugen – weil viele im Zweifel schon Erfahrungen mit anderen Diensten gesammelt haben.

Dass die Regionalkompetenz der Lieferdienste überall gleichermaßen verfängt, ist auch noch nicht ausgemacht: Zum einen, weil’s der etablierte Bio-Fachhandel langsam leid ist, die pauschale Regionalitätsbevorzugung um die Ohren gehauen zu bekommen – und für eine differenzierte Auseindersetzung mit den angeblichen Vorteilen plädiert (so wie Denn’s Biomarkt in Österreich mit „Bio vs. Regional“).

Durchgekeimte Regional-Kartoffeln

Und zum anderen, weil die Erwartungshaltung seitens der Kundschaft womöglich (noch) nicht in dem Maße vorhanden ist, wie es die Umfragen prognostizieren.

Die bei einem meiner letzten Rewe-Lieferservice-Einkäufe mitbestellten Bio-Kartoffeln vom Demeter-Hof aus der Region waren zum Lieferzeitpunkt jedenfalls schon so gründlich durchgekeimt, dass klar war, dass sie im Verteilzentrum zuvor schon länger ungekauft rumgelegen haben müssen.

Selbstläufer scheint das Regionalsortiment bei etablierten Lebensmittel-Lieferdiensten also schon mal keiner zu sein – kein Wunder, dass sich Rewe mit seiner Regionallieferkampagne gerade so ins Zeug legt, das zu ändern.

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2 Kommentare
  • Wo gerade das Lager von Bringmeister in Schönefeld erwähnt wurde, frage ich mich, was mit dem modernen Logistikzentrum von Oda unweit von Schönefeld passiert? Das Gebäude ist abends immer noch hell erleuchtet aber dürfte doch traurigerweise ungenutzt sein (es steht auch noch immer Oda in großen Lettern dran).

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