Kleine Handelsketten im Experimentier-Modus: Tegut Quartier fokussiert Rhein-Main, Alnatura plant die „Biobox“

Kleine Handelsketten im Experimentier-Modus: Tegut Quartier fokussiert Rhein-Main, Alnatura plant die „Biobox“

Foto: Tegut / Ben Pakalski
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Nach der Eröffnung der ersten Convenience-Märkte in Frankfurt könnte Tegut auch bestehende Kleinfilialen auf die neue Marke Quartier umstellen. Alnatura erprobt derweil ein neues Kaufmannsmodell – und wäre idealer Partner für einen Bio-Teo im eigenen Design.

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Darf’s, wenn unterwegs der kleine Hunger zu nörgeln beginnt, vielleicht ein „Langer Ritter Classic Pork“ sein, also: ein „knuspriges Baguette gefüllt mit Schinkenfleisch nach Art einer Frikadelle, verfeinert mit Salsa-Soße, Tomaten und roten Zwiebeln“ für 2,99 Euro? Oder lieber ein vegetarischer „Bauernsalat griechischer Art“ für 89 Cent je 100 Gramm bzw. den „Snack des Monats“: die „Mexican-Stange“ zu 1,09 Euro?

All diese Köstlichkeiten sind selbstverständlich „Ready to Eat“ (bzw. altmodisch formuliert: verzehrbereit) und waren vergangene Woche bei Tegut Quartier im Angebot, dem neuen Marktkonzept der hessischen Handelskette, das sich auf den schnellen Einkauf für die Pause – vom Studium, von der Arbeit oder vom Ausdenken lustiger Snackmahlzeitennamen – spezialisiert hat.

Im Frühjahr 2021 eröffnete Tegut eine erste Filiale in Fulda und kündigte da bereits an, künftig auch Kund:innen an anderen Standorten damit beglücken zu wollen (siehe Supermarktblog).

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Danach war aber erstmal weiter Pandemie, und in der Tegut-Zentrale hatte man ausreichend Zeit, die beabsichtigte Expansion sehr sorgfältig zu planen – zum Beispiel bei einer der täglich wechselnden warmen „Mahlzeiten der Woche“, mit denen sich Tegut Quartier von der Schnell-Supermarktkonkurrenz abheben will. (Zuletzt gab’s in der quadratischen Schale zum Mitnehmen u.a. „Reis-Gemüsepfanne mit Hähnchen“, „Currywurst mit Kaiserbrötchen“, „Fischpfanne Kreta Style“ und „Nasi Goreng“.)

Schnelleinkauf für Fluggäste

Ende Januar hat ein zweiter Tegut Quartier eröffnet, diesmal am Terminal 1 des Frankfurter Flughafens, wo Tegut bis November 2019 schon einmal mit einem eigenen Laden vertreten war, bis umfangreiche Bauarbeiten laut „Fuldaer Zeitung“ zur Schließung zwangen. Die Neu- bzw. Wiedereröffnung ist nun konsequent auf Mitnahme-Mahlzeiten ausgerichtet, nur für eine Salat-Bar war hier kein Platz. Auch im Sortiment habe man „kleinere Anpassungen“ vorgenommen, heißt es aus Fulda:

„So haben wir am Flughafen zum Beispiel ein sehr großes Angebot an Lindt-Schokolade, weil das vor allem bei den asiatischen Fluggästen als Mitbringsel sehr gefragt ist.“

Beim Bezahlen können Kund:innen zwischen vier SB-Kassen und einer regulären wählen. Ganz verwegene Reisende laden sich die Tegut-Fluxx-App herunter, scannen ihre Artikel bereits während des Einkaufs selbst mit dem Smartphone und brauchen den Warenkorb am Ende nur noch an den Self-Checkout zu übertragen.

Am heutigen Donnerstag ist bereits Markt Nummer drei hinzu gekommen: direkt in der Frankfurter Innenstadt, an der Neuen Mainzer Straße im Winx-Tower, wo auf 330 Quadratmeter Platz ist für Salat-Bowls, Sushi und Selberscannen.

Tegut Quartier in der Frankfurter Innenstadt mit Salat-, Obst- und Gemüse-„Bar“; Foto: Tegut / Ben Pakalski

Und womöglich geht es mit der Quartier-Ausbreitung jetzt ganz schnell – dann nämlich, wenn zwei bereits bestehende reguläre Tegut-Märkte auf das neue Convenience-Format umgestellt würden: der Laden in der Mainzer Bahnhofstraße und der Laden am Eschenheimer Turm in Frankfurt. Ein Tegut-Sprecher erklärt auf Supermarktblog-Anfrage:

„Bisher gibt es hierzu keine konkreten Überlegungen. Der nächste QUARTIER-Markt kommt nach Heidelberg.“

Rhein-Main-Gebiet im Expansions-Fokus

In der Tegut-Marktübersicht sind die beiden Märkte online aber bereits farblich als Tegut-Quartier-Filialen ausgewiesen. Und auch die Verkaufsflächen von 330 (Mainz) bzw. knapp 400 (Frankfurt) Quadratmetern sprechen für die Umwandlung, zumal Tegut sein Quartier-Format als „Frischemärkte bis 400 qm mit rund 5000 Produkten“ ausweist.

Ob es bei einer möglichen Umstellung auch zum Umbauten kommen wird (wenn z.B. eine Bedientheke für zubereitete Mahlzeiten eingebaut würde), verrät Tegut auf Supermarktblog-Anfrage nicht. Für die Filiale am Eschenheimer Turm wäre es aber bereits die zweite Umgestaltung seit der Eröffnung Ende 2014.

Auch anderweitig steht das Rhein-Main-Gebiet im Fokus der stationären Tegut-Expansion für die kommenden Monate. Die Fuldaer, die in diesem Jahr den 75. Jahrestag der Unternehmensgründung feiern, hatten vor kurzem bereits angekündigt, mit ihrem Minimarkt Teo in die Offensive zu gehen. Nach den zehn im Raum Fulda etablierten automatisierten Läden sollen gleich zwanzig weitere ins Rhein-Main-Gebiet kommen – noch in diesem Jahr.

Teo-Markt am Klinikum Fulda – als nächstes steht das Rhein-Main-Gebiet auf der Expansions-Agenda; Foto: Tegut

Die ersten beiden Standorte scheinen mit Darmstadt und Hanau bereits fix zu sein, hat sich die „Hessenschau“ sagen lassen. Für Frankfurt und Wiesbaden gebe es ebenfalls Gespräche; außerdem seien Mainz, Gelnhausen (Main-Kinzig) und Seligenstadt (Offenbach) interessant. Weil „hier noch keine Verträge unterzeichnet“ seien, will man sich in Fulda derzeit nicht konkreter äußern.

Thomas Stäb, Tegut-Leiter für Vertrieb und Expansion, erklärte dem HR aber, man sehe „Potenzial für mehrere hundert Standorte in Deutschland“:

„gerade im ländlichen Raum, wo Unterversorgung vorhanden ist, oder auch in städtischen Nischen, zum Beispiel in neuen Wohnquartieren“.

Alnatura probt „Kaufmannsmodell“

Teo-Märkte funktionieren vollständig ohne Personal, Kund:innen erhalten Einlass per Smartphone-App oder Bankkarte; anschließend können sie aus rund 950 Artikeln auswählen, die selbst gescannt und bezahlt werden müssen (siehe Supermarktblog).

Im Unternehmensumfeld war vor einiger Zeit bereits angedeutet worden, dass man sich neue Teos auch in Lizenz mit Partner-Unternehmen vorstellen könnte, die einzelne Filialen selbst betreiben. Technologie und Kund:innenverhalten dürften dafür inzwischen ausreichend erprobt bzw. analysiert worden sein. In diesem Zusammenhang ist auch die Schwerpunkt-Verlagerung der Expansion in Richtung Rhein-Main interessant, weil dort bekanntlich der Tegut-Partner Alnatura seinen Sitz hat (in Darmstadt).

Alnatura meldete zuletzt 143 reguläre Filialen; weitere unter eigener Regie wurden seitdem neu eröffnet oder sind in Planung. Dazu kommen außerdem erstmals Läden, die von selbstständigen Kaufleuten betrieben werden – so wie bei Edeka und Rewe.

Alnatura kommt inzwischen bundesweit auf über 140 eigene Märkte; Foto: Smb

Mit „Ulli’s Super Natur Markt“ eröffnete in Schwerin Mitte November ein erster Alnatura unter Leitung des Kaufmanns Ulrich Löhle. Dabei handele es sich um einen „Pilotmarkt für ein Kaufmannsmodell, mit dem Alnatura zunächst in Mecklenburg-Vorpommern startet“, hatte die Handelskette damals auf Anfrage von „BioHandel“ (Abo-Text) erklärt – ohne Details dazu zu nennen, welche Bedingungen an eine solche Kooperation bzw. Markennutzung auf beiden Seiten geknüpft sind.

Lust auf neue Ladenformate

Optische Unterschiede zu regulären Alantura-Märkten gebe es – bis auf den Namen – für Kund:innen nicht; Löhle hat aber erklärt, auch Produkte von regionalen Bio-Herstellern ins Sortiment zu nehmen, die lediglich „in Kleinstmengen produzieren“.

Auf Supermarktblog-Anfrage gibt man sich in Darmstadt weiter zurückhaltend, eine Sprecherin sagt:

„Der Start des Alnatura Super Natur Markts Ulli Löhle in Schwerin war sehr erfolgreich. Wir freuen uns, dass der Markt bei den dortigen Kundinnen und Kunden sehr gut ankommt. Konkrete Pläne für eine Ausweitung des Kooperationskonzept gibt es aktuell noch nicht, da es sich um ein Pilotprojekt handelt. Details zu den Bedingungen für die inhabergeführten Märkte möchten wir (noch) nicht veröffentlichen.“

Gegenüber „BioHandel“ hatte man vor einiger Zeit erklärt, mit dem neuen Konzept wolle Alnatura „neue Wege der Zusammenarbeit gehen, um für die Zukunft gut aufgestellt zu sein“. Vorteilhaft dürfte das vor allem sein, um Standorte zu erschließen, an die die Biomarktkette bislang (noch) nicht mit eigenen Läden vorgedrungen ist, weil Eröffnungen dort bislang mit dem Standardformat wenig rentabel schienen – selbstständige Kaufleute könnten das mit einem Zuschnitt des Angebots auf ihren Stadtteil, mit dem sie sich auskennen, ändern.

„Biobox“ in den Startlöchern?

Auffällig ist zudem, dass sich Alnatura inzwischen auch in Stadtbezirke vordringt, die bislang nicht klassischerweise auf der Expansions-Agenda standen. Im Frankfurter Stadtteil Eschersheim soll Mitte April der nördlichst gelegene Alnatura der Stadt eröffnen: Am Weißen Stein in der Nähe eines unabhängigen Bio-Markts.

Und wenn sich Alnatura aber so offen für neue Standorte bzw. Modelle gibt, mit denen andere Handelsunternehmen bereits gute Erfahrungen gemacht haben: Spräche das nicht dafür, sich auch an den Betrieb eines modernen Formats heranzuwagen, das – sagen wir: ganz ohne eigenes Personal auskommt und im automatisierten Betreib rund um die Uhr geöffnet werden könnte?

Also zum Beispiel: ein Teo, bloß mit dem Alnatura-eigenen Branding?

Nach Supermarktblog-Informationen hat Alnatura gerade Schutz für die neue Marke „Alnatura Biobox“ beantragt, und zwar in Klassen, die u.a. Groß- und Einzelhandelsdienstleistungen in den Bereichen Lebensmittel und Getränke umfassen (ähnlich wie Tegut zuvor für Teo).

Dies könnte zwar genauso gut ein Liefer- bzw. Abholmodell für ausgewählte Bio-(Frische)-Artikel umfassen. Den Online-Handel mit Lebensmitteln und den eigenen Markenprodukten überlässt Alnatura – bislang – aber konsequent Handelspartnern, die sich damit besser auskennen.

Zukunftsfit mit neuen Modellen

Ebenso konsequent wäre es deshalb, stationär neue Erfahrungen zu sammeln, um zukunftsfit zu bleiben. In der Tat würde ein Alnatura-gebrandeter Teo, in dem es vorrangig Eigenmarken der Darmstädter und ausgewählte Produkte aus dem Bio-Fachhandel zu kaufen geben könnte, der Handelskette in Ergänzung zu den regulären Filialen gut zu Gesicht stehen; das gefällige Ökodesign mit der Holzverkleidung, dem begrünten Dach und der Rücksichtnahme auf die unmittelbaren Belange der Nachbarschaft ließe eine „Biobox“ ebenfalls glaubhaft wirken.

Und der Bio-Fachhandel? Könnte mit dem neuen Format einen großen Schritt nach vorne machen, anstatt sich von den konventionellen Anbietern mit deren Bio-Ambitionen weiter unter Druck setzen zu lassen. (Gerade wirbt Kaufland wieder massiv für sein umfassendes Bio-Eigenmarkensortiment zum Niedrigpreis.)

Ob es entsprechende Pläne für eine derartige Lizenz-Partnerschaft gibt, will man auf Supermarktblog-Anfrage weder in Darmstadt noch in Fulda kommentieren. Bei Tegut heißt es:

„Aktuell gibt es (…) hierzu nichts zu sagen.“

Alnatura erklärt:

„[Z]ur ‚Alnatura Biobox‘ gibt es noch nichts zur erzählen. Wir haben lediglich den Markennamen schützen lassen, ebenso wie einige andere auch.“

Vielen Dank an Jörg für die Frankfurt-Korrespondenz!

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