Mintgrüne Wände, pinke Wende: 5 Trends aus Österreichs Lebensmittelhandel

Mintgrüne Wände, pinke Wende: 5 Trends aus Österreichs Lebensmittelhandel

Foto [M]: Spar/Voithofer, Smb
Inhalt:

Gastro-Inspiration, Einwegpfand-Start und Lieferkonzept-Tests sorgen dafür, dass sich österreichische Händler und Delivery-Dienste stetig neu erfinden. Oder zumindest hübschere Kulissen für die Kundschaft bauen. Zum Abschluss des Österreich-Specials: interessante Entwicklungen bei Bipa, Billa, Hofer, Spar und Foodora.

Austria
Das Supermarktblog Österreich Special wird präsentiert von:

umdasch The Store Makers
1. Schöner speisen: Food Courts deluxe bei Billa Corso & Spar

Während deutsche Supermärkte noch rätseln, wie sie ihre Bedientheken über den Personalmangel retten können (siehe Supermarktblog), zeigen die österreichischen Kolleg:innen unverdrossen, dass es auch ganz anders geht.

Marktführer Spar hat seine – ohnehin wenig überzeugende – Pasta-Bar im Bahnhofs-Einkaufscenter-Zwitter The Mall Wien-Mitte vor kurzem in eine „Market Kitchen“ verwandelt, die aussieht, als hätte man dafür einen Lifestyle-Influencer gekidnappt und zum Designen gezwungen: Weiße Fliesen treffen auf mintgrüne Wände, darüber schweben beleuchtete Menüboards wie in einem hippen Food Court. Serviert werden Bowls und „One Pot“-Gerichte – vorrangig to go, denn wer will heutzutage schon beim Essen gesehen werden, wenn der Insta-Post erstmal hochgeladen ist?

Keine 2000 Meter weiter kontert der ebenfalls noch recht frisch eröffnete Billa Corso am Universitätsring mit einem Theken-Trio, das so gar nicht mehr nach Supermarkt aussieht: vertikale grüne Fliesen, dunkler Stein und goldene Metallgitter. Eigentlich fehlt nur noch ein Türsteher, der sich erkundigt, ob man auf der Gästeliste für die Quinoa-Bowl steht.

Die Handelsketten kopieren hier gekonnt, was Beauty-Stores und Modeboutiquen längst perfektioniert haben: Ambiente ist alles, auch wenn’s nur um belegte Baguettes geht. Hauptsache Social-Media-tauglich!

Self-Checkout im LEH: Mehr Effizienz, Kundenzufriedenheit und neue Chancen für den Point-of-Sale

Maximaler Nutzen, minimaler Wartungs- und Kostenaufwand: Mit der Self-Checkout-Lösung matrix von umdasch The Store Makers und der Software von shopreme funktioniert Self-Checkout so einfach und problemlos, wie Händler*innen und Kund*innen sich das wünschen.

Wobei es keine schlechte Idee gewesen wäre, nach dem Design-Update auch mal einen Blick auf den Glasvitrinen-Inhalt zu werfen. Die bisherigen Kund:innen-Bewertungen zum Essen fallen im Netz jedenfalls eher ernüchternd aus. Auch die schönste Theke kann halt nicht kaschieren, wenn die Shakshuka dahinter schmeckt wie das, was sie ist: schon seit längerer Zeit warmgehalten.

2. Pink war gestern: Bipas neue Bescheidenheit

Dass sich modernes Retail-Design auch auf Miniatur-Niveau umsetzen lässt, demonstriert die Rewe-Drogeriemarkttochter Bipa. Eine Ende Juni eröffnete Filiale in der Wiener Favoritenstraße nutzt ihre nur 315 Quadratmeter optimal: Klare Linienführung und helle Bodenfliesen lassen das 15.000 Artikel umfassende Sortiment erstaunlich luftig wirken.

Das typische Bipa-Pink taucht nur noch dezent auf Schildern und Preishinweisen auf; sonst ist die Markenfarbe weitgehend Naturmaterialien und neutralen Tönen gewichen. (Dafür darf sie den Laden draußen aber über die komplette Schaufensterbreite einkurvertieren.)

An der Decke ziehen sich schwarze Lichtschienen durch den Laden, deren Spots die holzgerahmten Regale perfekt ausleuchten. In ausgewählten Produktkategorien ragen die Logos zentraler Marken (und Eigenmarken) oben frontal aus den seitlich gestellten Regalen heraus, um Orientierung zu schaffen.

Das Bipa-Pink strahlt in der Favoreitenstraße vor allem noch im Schaufenster; Foto: Smb

Fast könnte man vergessen, dass man hier eigentlich nur kurz Shampoo kaufen wollte. Aber genau das ist wohl die Kunst: Reduzieren statt überfordern. Bipa hat kapiert: Das beste Pink ist manchmal – gar keins.

3. Einwegpfand-Start: Friede den Flaschen, Sieg der Paläste

Österreichs Diskonter üben schon fleißig für die große Pfand-Revolution: Seit Monaten werden eifrig Automaten installiert und Rücknahmeräume geschaffen, damit ab Januar 2025 niemand mehr seine leeren Flaschen und Dosen in der Botanik entsorgt. Dann nämlich wird landesweit ein einheitliches Pfand von 25 Cent für Getränkeverpackungen aus Kunststoff und Metall fällig.

Während die einen ganz bescheiden schmale Automaten vor die Lagerräume quetschen und – wie Lidl – ankündigen, das Sammeln bereits ab Ende 2024 üben zu wollen …

Bald in diesem Markt: Einwegpfand-Vorankündigung von Lidl in Wien; Foto: Smb

… macht Konkurrent Hofer mancherorts architektonisch gleich Nägel mit Köpfen und baut sich wahre Pfand-Paläste auf die Parkplätze, in denen – Überraschung! – gerade mal zwei Automaten stehen. Versteckt sich dahinter möglicherweise eine Recycling-Anlage, die gleich wieder neue Flaschen ausspuckt? Oder ein Zusatz-Pausenraum fürs Personal? Die Panik, Automaten auf die bestehende Verkaufsfläche zu quetschen, muss jedenfalls riesig sein.

Wobei man sich da eine gewisse Coolness (ausnahmsweise) bei den deutschen Geschwistern hätte abschauen können, die das Pfand-Theater ja seit jeher notfalls auch in kleinsten Stadtfialien bewerkstelligt kriegen.

Vielleicht ist es aber auch gar nicht so schlecht, dass Hofer seine Automaten in eigene Häuschen ausquartiert. Denn Kritiker:innen der Neuregelung befürchten, dass das System falsche Anreize setzen könnte – und Verbraucher:innen paradoxerweise vom Griff zur Mehrwegflasche abhalten. Warum das teurere Mehrweg in den Wagen legen, wenn sich Einweg so bequem zurückgeben und recyceln lässt?

Alternativ können gestresste Kund:innen im Hofer-Pfand-Paradies natürlich auch in Ruhe fluchen, wenn der Automat ihre Lieblingsflasche zum dritten Mal ausspuckt – ohne dabei die anderen Einkäufer:innen zu verschrecken. Oder die Pavillons werden zum beliebten Treffpunkt der Nachbarschaft. Und kriegen irgendwann hübsch geflieste Theken eingebaut, an denen warmes Mittagessen ausgegeben wird.

4. Foodoras Sinneswandel: Abholen statt Lagern

Da waren die pinken Foodora-Lieferheld:innen in Österreich wohl ausnahmsweise zu schnell unterwegs: Erst im Januar verkündete man stolz, die Eigenmarken des Supermarkt-Partners Billa ins Sortiment der hauseigenen Foodora Markets aufzunehmen. Mehr als 200 Produkte von „clever“ bis „Ja! Natürlich“ sollten es werden – „und das ist erst der Anfang“, hieß es aus der PR-Abteilung. Hunderte weitere Artikel seien schon in Planung.

Im Frühjahr folgert die Rolle rückwärts: Die sieben seit 2021 (damals noch unter dem Namen Mjam) aufgebauten Lieferlager in Wien, Linz und Graz wurden geschlossen, zahlreiche Stellen fielen weg – vermutlich aus Spargründen, genau so planlo… – Pardon: überraschend, wie solche Entscheidungen bei der Mutter Delivery Hero nunmal getroffen werden (siehe Supermarktblog)

Weiter geradelt wird trotzdem: Foodora holt die Bestellungen seiner App-Nutzer:innen jetzt einfach direkt bei Billa, Penny und Bipa ab. Das spart Lagerkosten und (zumindest etwas) Personal. Wie am Wiener Praterstern hängen derweil „Zu vermieten“-Schilder an den ehemaligen Market-Standorten.

„Anpassung der strategischen Ausrichtung“, nennt man das bei Foodora. Und die ist auch deshalb interessant, weil z.B. der Wettbewerber Wolt gerade in Deutschland in die entgegengesetzte Richtung steuert und sein Netz an selbst betriebenen Wolt Markets gerade massiv ausbaut (bzw. sich dafür beim bisherigen Management der Delivery-Hero-Dmarts in Europa bedient).

5. Von Alfies bis Ninjas: Österreich experimentiert im Liefermarkt

Allen Rückschlägen zum Trotz bleibt auch der österreichische Markt für Liefer-Lebensmittel weiter interessant: Hofer liefert mit – für Diskont-Verhältnisse – ungeahnter Ausdauer taggleich Einkäufe aus seinen Märkten über die Instacart-Kopie Roksh (siehe Supermarktblog), die mir kleinen E-Flitzern angesaust kommt.

Die Rohlik-Tochter Gurkerl hat ihren Lieferservice nach abgeschlossener Lagerautomatisierung gerade neu gestartet und will auch dank ihres Regio-Versprechens zügig wachsen.

In Salzburg, Wien und Linz ist der lokale Blitzlieferdienst Ninjas inzwischen mit eigenen Markets präsent und demonstriert, dass das Kapitel Quick Commerce noch längst nicht abgeschlossen ist („Dein Einkauf erledigt in Minuten“).

Und dann gibt’s da ja auch noch Alfies, das mittlerweile 5.000 Produkte des täglichen Bedarfs innerhalb von einer Stunde an Haustüren in Wien, Graz und (nach der Übernahme des Schweizer Konkurrenten Stash im Frühjahr) Zürich zu bringen verspricht. Und bei dem Coca-Cola mit rund einem Drittel inzwischen größter Anteilseigner ist – ein ähnlich interessantes Experiment wie der Versuch, der deutschen Oetker-Gruppe, mit Flaschenpost den Liefermarkt in der Heimat zu prägen.

Aber das sind alles Themen, deren Vertiefung wir uns einfach fürs nächste Supermarktblog-Österreich-Special aufheben. Bis hierhin erstmal: Herzlichen Dank fürs Mitlesen!

Alle Texte aus dem Supermarktblog Österreich Special 2024 ansehen.

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1 Kommentar
  • Zu Hofer: Irritiert das nur mich oder ist der Ausdruck „Pfandrücknahme“ seltsam gewählt? Der Pfand ist schließlich der entsprechende Centbetrag, der nach Retournierung des Gebindes zurückgeGEBEN wird.

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