Holprige 15-Minuten-Zeitfenster und große Pläne: Knusprs Kampf ums richtige Timing für 2025

Holprige 15-Minuten-Zeitfenster und große Pläne: Knusprs Kampf ums richtige Timing für 2025

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Beim Lebensmittel-Lieferdienst Knuspr läuft es mit der punktgenauen Zustellung, die man Premium-Mitgliedern verspricht, noch nicht rund. Aber das Unternehmen will nachjustieren – und hat bereits große Pläne für 2025. Wie die Amazon-Partnerschaft und neue Logistikkonzepte den Markt aufmischen sollen.

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Der Zauber von Weihnachten liegt schon in der Luft“, flötete Knuspr seinen Kund:innen vor wenigen Tagen in einer E-Mail zu, die zur Hälfte als Besinnlichkeitsanstoß und zur anderen Hälfte als Organisationsanleitung für den Vorweihnachtseinkauf gemeint war. Die allermeisten Geschenke allerdings hat der Lebensmittel-Lieferdienst, der aktuell mit dem All-Time-Classic-Versprechen seiner Zunft („Spar dir das Anstehen“) und einem arg kitschigen Spot wirbt, jedoch schon vor dem Fest gemacht.

In Berlin, wo man im April offiziell gestartet war, hat sich die Verfügbarkeit der bestellbaren Waren in den vergangenen Monaten deutlich verbessert; das Sortiment ist weiter komplettiert worden (auch wenn in einzelnen Warenbereichen noch Lücken klaffen); Website und App wurden vor wenigen Wochen neu gestaltet und sind seitdem etwas übersichtlicher (z.B. in der Kategorienübersicht allerdings auch sehr viel Picnic-hafter).

Und inzwischen ist Knuspr fast flächendeckend mit den umgeklebten Ex-Bringmeister-Transportern in der Stadt unterwegs, was die Sichtbarkeit stark erhöht hat.

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Ausgerechnet eines der Kernversprechen, mit denen man den Markt revolutionieren will, kann man derzeit nicht zuverlässig einlösen: die Zustellung in 15-Minuten-Zeitfenstern für Abonnent:innen des Knuspr-Premium-Programms, die seit Oktober nicht mehr nur in München und Rhein-Main, sondern auch in Berlin aktiv ist.

Vorbereitung auf den Weihnachtsansturm

Insofern ist es vielleicht bloß konsequent, dass Knuspr das Versprechen gerade wieder einkassiert hat – jedenfalls vorübergehend.

Auf der neuen Website ist u.a. das Hauptemenü deutlich übersichtlicher gestaltet; Screenshot: knuspr.de

Denn „der Zauber von Weihnachten“, den man aus München beschwört, könnte auch für eine hohe Auslastung des Lieferdiensts sorgen. Man habe die Kapazitäten für die laufende Woche deshalb „um durchschnittlich 50% im Vergleich zum Vorjahr erhöht, um Verzögerungen möglichst zu vermeiden“, heißt es in der Kund:innen-Mail. Die Öffnungszeiten wurden erweitert (am Tag vor Heiligabend wird zwischen 5 Uhr morgens und 24 Uhr geliefert).

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Und es gibt eine weitere Änderung:

„Ab dem 16. Dezember pausieren wir vorübergehend unsere 15-Minuten-Zeitfenster. Wir hoffen, dass du für diesen notwendigen Schritt Verständnis hast und du auch mit den 1-Stunden-Zeitfenstern gut planen kannst.“

Das ist einerseits nachvollziehbar; demonstriert aber auch ganz gut, welche enorme Zusatzbelastung sich der Dienst mit der Auf-den-Punkt-Lieferung auferlegt hat. Ab dem 2. Januar soll dann wieder alles beim Alten sein.

Wobei: hoffentlich nicht. Denn die 15-Minuten-Zeitfenster funktionieren zumindest nach meiner Erfahrung (und der anderer Supermarktblog-Leser:innen) in Berlin bislang eher mittelmäßig. Von meinen zehn letzten Knuspr-Bestellungen kamen in den vergangenen acht Wochen exakt zwei im von mir ausgesuchten 15-Minuten-Zeitfenster an. Der Großteil war zumindest nah dran (zwischen 5 und 15 Minuten) – eines aber hatten die Zustellungen gemeinsam: Die Fahrer:innen waren jeweils zu früh.


Sorge vor Verspätung sorgt für Verfrühung

Das ist in den allermeisten Fällen eher kein Problem. Es wird aber eins, wenn die Verfrühung 60 oder sogar 70 Minuten (!) beträgt, wie es zuletzt am Morgen zweimal vorkam.

Den Familien, die Knuspr so sehr als Kund:innen umwirbt, um ihnen den Alltag durch den gesparten Gang in den Supermarkt zu erleichtern, zerhaut und verkompliziert das nicht nur die morgendliche Routine vor der Kita oder der Schule; es führt auch das Kernversprechen der 15-Minuten-Zeitfenster ad absurdum: „die Lieferung besser in ihren Alltag zu integrieren“, wie es Knuspr-CEO Mark Hübner im Herbst per Pressemitteilung versprochen hat. Das Gegenteil ist der Fall, wenn die Tiefkühlware plötzlich während des Zähneputzens verstaut werden muss.

Am selben Tag verspricht Knuspr innerhalb von drei Stunden zu liefern; Foto: Smb

Auf Supermarktblog-Anfrage heißt es bei Knuspr, man sei sich dessen bewusst, dass noch nicht alles rund laufe. Eine Sprecherin erklärt:

„Dieses Thema hat für uns hohe Priorität, da eine Abweichung vom gewählten Lieferzeitfenster die Kundenerfahrung deutlich beeinträchtigt.“

Knuspr erklärt auch, wie die Verschiebung vermutlich zustande kommt: Ziel der Routenplanung sei es, in der Kalkulation „ausreichend Puffer einzuplanen, um mögliche Verspätungen zu vermeiden“:

„Wir priorisieren es, diese Puffer zu nutzen, statt die Routen zu eng zu takten, da das unnötigen Druck auf unsere Fahrer:innen ausüben und Verspätungen entlang der gesamten Route nach sich ziehen würde. Das führt dazu, dass Fahrer:innen teilweise zu früh bei den Kund:innen sind. In solchen Fällen sollen sie bis zum gewählten Lieferzeitfenster warten und erst kurz vorher eine Nachricht senden, um zu fragen, ob eine frühere Zustellung möglich ist.“

Optimierungsbedarf fürs neue Jahr

Tatsächlich erhalten Kund:innen, wenn ein:e Fahrer:in früher dran ist als beabsichtigt, eine SMS, in der es heißt:

„Hallo! Ich wollte dich nicht stören, Aber ich könnte deinen Einkauf schon früher liefern, als in deiner Bestellbestätigung angegeben. Wenn das für dich passt, schreib mir bitte eine Nachricht oder ruf mich kurz an. Vielen Dank.“

Wer auf diese SMS als Kund:in nicht reagiert, hat die Fahrerin bzw. den Fahrer aber kurze Zeit später oft trotzdem vor der Tür stehen – vermutlich weil die gerne ihre Schicht zügiger beenden wollen. Von Knuspr heißt es selbstkritisch:

„Hier sehen wir noch Optimierungsbedarf und arbeiten bereits daran, unsere Fahrer:innen besser zu schulen, damit die 15-Minuten-Lieferzeitfenster noch genauer eingehalten werden – ohne eine deutlich zu frühe Lieferung.“

Der gute Vorsatz fürs neue Jahr scheint also schon mal festzustehen. Aber auch sonst ist bei Knuspr in diesen Wochen einiges in Bewegung, das spätestens in 2025 seine Wirkung entfalten dürfte:

1. Die Logistik

Aus dem Rhein-Main-Gebiet gab es zuletzt Andeutungen, dass Knuspr eigene Fahrer:innen entlassen wolle, um die Lieferung (teilweise) outzusourcen. Das wäre durchaus plausibel, nachdem der Lieferdienst gegenüber dem Supermarktblog bereits im Sommer erklärt hatte, künftig regionenübergreifend stärker auf „Delivery-Service-Partner“ (DSP) zu setzen – so wie es das übernommene Bringmeister in Berlin mit dem tschechischen Food-Logistik-Spezialisten Dodo vorgemacht hat.

Beim Liefer-Timing muss Knuspr manchmal noch nachjustieren; Foto: Smb

Diese Strategie scheint sich nun zu bestätigen. Auf Nachfrage erklärt Knuspr, dass man in Berlin bereits erfolgreich mit mehreren DSPs zusammenarbeite, um eine „stabile und flexible Struktur“ zu gewährleisten. Auch die Pläne für Rhein-Main werden nun konkreter:

„Es stimmt tatsächlich, dass wir im Rhein-Main-Gebiet künftig stärker auf DSPs setzen, um flexibler auf Nachfrageschwankungen reagieren zu können. Dennoch werden wir weiterhin einen Teil direkt bei uns angestellte Fahrer:innen im Rhein-Main-Gebiet beschäftigen und dies auch langfristig beibehalten. Fahrer:innen, die im Rahmen der teilweisen Umstellung nicht mehr direkt bei uns angestellt sind, unterstützen wir aktiv bei der Vermittlung einer Position bei unseren DSPs, sofern sie dies wünschen.“

2. Die Amazon-Partnerschaft

Seit Anfang November (in Berlin) bzw. Dezember (in Rhein-Main und München) können auch Amazon-Prime-Kund:innen bei Knuspr bestellen; dafür hat Knuspr auf amazon.de eine eigene „Storefront“ eröffnet (siehe Supermarktblog) – quasi einen eigenen Webshop bei Deutschlands größtem Online-Händler, für den Knuspr-CEO Mark Hübner verspricht: „gleiches Sortiment, gleiche Preise, gleiche Lieferbedingungen“.

(Im gleichen Zeitraum hat Amazon angekündigt, seinen eigenen Lebensmittel-Lieferdienst Fresh in Deutschland einzustellen, siehe Supermarktblog.)

Knuspr-Storefront auf Amazon.de; Screenshot: amazon.de

Gegenüber dem Online-Magazin „Czechcrunch“ ordnete der Rohlik-CEO Tomáš Čupr die Kooperation vor kurzem als bahnbrechende Entwicklung für sein Unternehmen ein. Schon zum Start sei die Nachfrage „unerwartet positiv“ gewesen; die Ergebnisse lägen mehrfach über den Prognosen, die Amazon abgeliefert hätte.

Čupr träumt bereits von neuen Expansionsmöglichkeiten in (Süd-)Europa, wo man sich zuletzt eigentlich wegen der Konzentration auf den deutschen Markt zurückhalten wollte. Die Präsenz von Amazon in Frankreich, Italien und den Niederlanden biete nun aber neue Möglichkeiten.

Zumindest zu Beginn hatte diese „unerwartet positive“ Nachfrage aber auch negative Effekte: Nach dem Mailing an Amazon-Kund:innen, denen ein 10-Euro-Gutschein für die Erstbestellung bei Knuspr versprochen wurde, hatten Knuspr-Bestandskund:innen das Nachsehen. Der Online-Shop sah streckenweise ziemlich leergekauft aus – offensichtlich weil sich die Partner verkalkuliert hatten.

Auch in den vergangenen Wochen meldete Knuspr wiederholt Lieferzeitverspätungen wegen „technischer Schwierigkeiten“, „frühzeitig ausgebauchter Lieferfenster und erhöhter Nachfrage“. Auf Anfrage erklärt eine Sprecherin:

„Die hohe Nachfrage zum Start unserer Partnerschaft mit Amazon im Großraum Berlin hat letzten Monat kurzfristig dazu geführt, dass Lieferzeitfenster schneller ausgebucht waren als erwartet. Gleichzeitig gab es in den letzten Wochen zwei Fälle von kurzfristigen technischen Schwierigkeiten im Lager, die mittlerweile behoben sind. Auch die Nachfrageprognosen für Bestellungen über Amazon sind inzwischen genauer.“

Ein anderes Gerücht, nämlich dass die Amazon-Kooperation auch auf die Nutzung der Logistik ausgeweitet werden könnte, dementiert man in München:

„Nein, wir planen nicht, auf die Partnerlogistik von Amazon zurückzugreifen. Unsere Auslieferung erfordert speziell ausgestattete Fahrzeuge mit Temperaturführung, um die Qualität und Frische der Lebensmittel – insbesondere gekühlter Produkte – zu gewährleisten.“

Diese Standards könne man mit der eigenen Lieferlogistik und bereits geschulten Partnern am besten sicherstellen.

3. Die Rockaway-Kooperation

Die aktuellen Eigentümerverhältnisse bei der Knuspr-Mutter Rohlik bleiben teilweise im Dunkeln: Als der Lieferdienst im September 2023 die Übernahme von Bringmeister ankündigte, hieß es, der bisherige Bringmeister-Eigentümer Rockaway Capital würde dafür Anteile an der Muttergesellschaft Rohlik Group erhalten, deren Höhe von der Entwicklung abhänge, „die Knuspr und Bringmeister nach dem Zusammenschluss im Laufe des nächsten Jahres erzielen werden“.

Die Rockaway-Beteiligung Dodo kümmert sich bei Bringmeister um die Auslieferungen der Bestellungen; Foto: Smb

Wie groß diese Beteiligung nach einem Jahr Integration ausfällt, will in München und Prag aber niemand kommentieren. Auch zur Rolle des Logistikdienstleisters Dodo, an dem Rockaway Capital ebenfalls beteiligt ist und mit dem Knuspr in Berlin zusammenarbeitet, schweigt man sich aus. Ob diese Kooperation Teil des Übernahmedeals war? Kein Kommentar.

4. Der Start in Hamburg

Als nächstes steht der (bereits vor langer, langer Zeit verkündete und stetig verschobene) Knuspr-Start in Hamburg an; zunächst war von Beginn des Jahres die Rede – das Frühjahr dürfte wahrscheinlicher sein. In der Hansestadt kann Knuspr darauf hoffen, Bestellkund:innen für sich zu gewinnen, die nach dem Aus von Amazon Fresh einen neuen Lieferdienst ausprobieren wollen (falls sie sich nicht für Rewe oder Picnic begeistern mögen).

Ob die Knuspr-Bestellmöglichkeit via Amazon gleich zum Start auch in Hamburg aufgeschaltet sein wird, ist noch unklar. Knuspr erklärt:

„Das ist grundsätzlich möglich, aber noch nicht entschieden.“

Weitere deutsche Städte stehen auf der Agenda; genauere Daten und Orte sind bislang aber nicht kommuniziert (nur „Rhein-Ruhr“ als Ziel).

Außerdem laufen derzeit die Planungen, in der zweiten Jahreshälfte 2025 einen weiteren Logistikstandort im Großraum München zu eröffnen, um der wachsenden Nachfrage dort gerecht zu werden:

„Der erste Standort stößt an seine Kapazitätsgrenze.“

5. Die Aussichten

Zusammengefasst lässt sich sagen: Mit seinem Angebot könnte Knuspr den deutschen Lebensmittel-Liefermarkt durchaus nachhaltig prägen. Kund:innen bekommen exakt das geliefert, was sie bestellt haben – die von anderen Diensten gefürchteten „Ersatzartikel“ waren bei meinen bisherigen Einkäufen quasi nicht existent. Knuspr ist schnell: nach drei Stunden steht der Einkauf (bestenfalls) vor der Wohnungstür. Und Knuspr macht es einfach, beschädigte oder mit anderen Mängeln behaftete Produkte online zu reklamieren.

Die Partnerschaft mit Amazon könnte sich dabei als Schlüssel zum Erfolg erweisen. Während der E-Commerce-Riese seinen eigenen Lieferdienst Fresh einstellt, profitiert Knuspr von dessen riesiger Prime-Kund:innenbasis – und das offenbar deutlich stärker als erwartet.

Das zeigt aber auch die größte Herausforderung: Die Logistik muss mit dem Wachstum Schritt halten. Aktuell schaffen es die Tschech:innen noch nicht einmal, ihre ambitionierten 15-Minuten-Zeitfenster zuverlässig einzuhalten.

Trotzdem: Rohlik-Gründer Tomáš Čupr denkt bereits über neue Märkte in Europa nach. Und vielleicht gelingt Knuspr ja tatsächlich das, was Amazon Fresh durch diverse Zögerlichkeiten lange versagt geblieben ist: einer wachsenden Zahl deutscher Kund:innen eine echte Alternative zum Einkauf im klassischen Supermarkt zu bieten.

Danke an Jörg und Sebastian!

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1 Kommentar
  • Mein Weihnachtsgeschenk an Knuspr: Gibt euren Kunden endlich die Möglichkeit, Fahrstuhl Ja/Nein und ein Freitext-Feld (zb. Parken vor Haus 11C, barrierefrei anliefern über Feuerwehrzufahrt) im Kundenprofil zu erfassen. Alle Zusteller kriegen on top ne Sackkarre gestellt. Vielleicht hört dann endlich das Ware zerstören durch intensives Reinpressen (bis sogar Milch platzt) in diese usseligen Bringmeister Trageboxen endlich auf. Außerdem funktioniert bis heute der Mailversand nicht (Bug seit April. 3x erfolglos an den Kundenservice gemeldet, taugt wohl nix, wenn die Kommunikation intern auch gestört ist). Und friert die App immer noch random beim Stöbern ein? Auf dem Pixel 9 Pro im August war es zuletzt weiterhin noch der Fall. Solange die Basics nicht mal funktionieren, bleibe ich gerne weiterhin bei Wolt Market

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