Bio im LEH: Lidl inspiriert Aldi zu Promi-Kampagne, Migros verabschiedet Alnatura-Filialen

Bio im LEH: Lidl inspiriert Aldi zu Promi-Kampagne, Migros verabschiedet Alnatura-Filialen

Inhalt:

Integration statt Innovation? Migros konzentriert sich für Bio auf ihre Schweizer Supermärkte, Lidl rabattiert was das Zeug hält, Tofu-Pionier Taifun vereint seine Marken und Aldi weckt mit seiner Promi-Werbung für „Nur Nur Natur“ Erinnerungen an österreichische Vorbilder. Die Bio-Trends im Überblick.

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Lidl drückt die Bio-Preise weiter nach unten 💶

Umsetzung: Den ganzen März über lässt Lidl eine großangelegte Bio-Rabattaktion für Nutzer:innen der Lidl-Plus-App laufen: Beim Scan an der Kasse gibt es 10 Prozent Nachlass auf über 200 Bio- und Bioland-Artikel, darunter das gesamte Bio-Obst- und -Gemüsesortiment sowie Grundnahrungsmittel wie Joghurt und Haferflocken, was an den Preisschildern in den Märkten prominent ausgezeichnet ist (Quelle: Lidl).

Strategie: Die Aktion ist Lidl zufolge Teil der Bemühungen, Bio-Produkte „erschwinglicher zu machen“ und folgt dem Umsatzwachstum der Branche um 5,7 Prozent im Jahr 2024 laut BÖLW. Im Januar hatte Lidl bereits 20 Prozent auf Obst und Gemüse in Bio-Qualität ausgelobt (für eine Woche); zur gleichen Zeit rabattierte Rossmann sein komplettes Bio-Sortiment für den kompletten Monat (siehe Supermarktblog). Zuletzt versprach Rewe den Mitgliedern seines Rewe-Bonus-Programms 10 Prozent auf die Eigenmarke Rewe Bio.

Lidl gibt erneut Bio-Rabatte für Plus-Mitglieder, diesmal aufs komplette Bio-Sortiment; Foto: Smb

Bedeutung für den Markt: Die App-Rabattierung zeigt, wie der konventionelle Lebensmitteleinzelhandel die Digitalisierung nutzt, um Kund:innen an Bio heranzuführen – gleichzeitig könnte sich dadurch jedoch der Preisdruck auf die gesamte Biobranche erhöhen. Die Frage bleibt: Wie lange können Bio-Landwirt:innen und -Hersteller diesen Preiskampf mittragen (siehe dazu auch Supermarktblog)? Gegenüber dem SWR hat ein Landwirt aus der Eifel gerade erklärt, warum er – auch deswegen – mit Bio wieder Schluss macht.

Aldi Süd kopiert Lidl-Konzept mit Neureuther 🏔️

Umsetzung: Felix Neureuther wird neuer Markenbotschafter für die Besser-Bio-Eigenmarke „Nur Nur Natur“ von Aldi Süd. Der ehemalige Ski-Rennläufer und dreifache Vater soll das auf etwa 60 Artikel angewachsene Sortiment das ganze Jahr über in verschiedenen Kampagnen bewerben – mit Fokus auf „natürlichen Genuss in höchster Bioladen-Qualität“ (Quelle: Aldi Süd).

Strategie: Die Kampagne folgt bemerkenswert präzise dem, was Lidl Österreich bereits 2022 mit Christina Stürmer etabliert hat: Ein sympathischer Prominenter mit Familienbezug, anfängliche „Skepsis“ gegenüber dem Discounter, Überraschung über die Qualität und anschließende Überzeugungsarbeit als Markenbotschafter:in. Selbst die Kernbotschaften sind nahezu deckungsgleich: Familie, Heimat, Nachhaltigkeit, bewusste Ernährung und Bio-Qualität zum günstigen Preis. Und in den TV-Spots spielen beide Male glückliche Kühe eine prominente Rolle (hier bei Lidl, dort bei Aldi).

Ironischerweise ist bereits die Stürmer-Kampagne eine Kopie dessen, was der österreichische Marktführer Spar seit 2007 mit Mirjam Weichselbraun als Testimonial für seine Eigenmarke „SPAR Natur pur“ veranstaltet (und regelmäßig wieder neu auflegt).

Bedeutung für den Markt: Die Parallelen zwischen den Kampagnen zeigen, wie austauschbar die Werbekonzepte des LEH im Bio-Segment geworden sind. Gleichzeitig demonstriert Aldi Süd mit der Initiative, dass es schwer ist, der eigenen Kundschaft die Vorzüge der Besser-Bio-Marke allein anhand der Produkteigenschaften zu erklären – vor allem, wenn das neue „bio“ daneben ähnlich hochwertig aussieht (siehe Supermarktblog). Nun soll’s die Promi-Unterstützung richten.

Bio-Fachmarkttraum geplatzt: Migros beendet Alnatura-Franchise🇨🇭

Umsetzung: Die Genossenschaft Migros Zürich wird ihre seit 2012 bestehende Franchise-Vereinbarung mit Alnatura („Eine sinnvolle Partnerschaft“) nicht verlängern und den Betrieb der 25 Bio-Supermärkte in der Deutschschweiz mittelfristig einstellen (Quelle: Migros) – obwohl deren Umsatz im Jahr 2023 mit 91 Millionen Franken 7,6 Prozent über dem Vorjahr lag.

Strategie: Migros-Geschäftsleiter Patrik Pörtig spricht von einer „konsequenten Fokussierung auf den Migros-Supermarkt“, während die Alnatura-Produkte weiterhin in den regulären Migros-Filialen und im Online-Shop erhältlich bleiben. Nach dem radikalen Umstrukturierungskurs bei der Migros-Tochter Tegut in Deutschland (siehe Supermarktblog) setzt der Schweizer Handelskonzern nun auch in seinem Heimatmarkt auf Integration. Die Botschaft: Bio gehört in den regulären Supermarkt, nicht in Spezialformate.

Der Alnatura-Schweiz-Chef Boris Pesek will sich nach einem neuen Betreiber für die Läden umsehen. Gegenüber Watson.ch sagte er: „Wir sprechen mit allen Interessenten. Wir benötigen einen Partner, der über eine Frischelogistik verfügt, über ein Personalwesen und ein Expansionsteam.“ Man brauche Skalierungseffekte und könne „die Filialen deshalb nicht im Alleingang weiterbetreiben“. Expert:innen beurteilen die Chancen eher skeptisch – „ohne Migros ist die Schweiz ein hartes Pflaster“, urteilt der „Tages-Anzeiger“.

Bedeutung für den Markt: Laut der Schweizer Bio-Organisation Bio-Suisse stieg der Bio-Umsatz im Nachbarland von 3,9 Milliarden Franken im Jahr 2022 auf 4,1 Milliarden im 2023. Die Migros-Entscheidung fügt sich allerdings in den branchenweiten Trend großer Handelsketten ein: Edeka hat in Deutschland mit Naturkind einen ähnlichen Weg eingeschlagen, Rewe stellte bereits sein Temma-Konzept ein. Außerdem liegen viele Alnatura-Läden neben einem Migros-Supermarkt oder befinden sich sogar im selben Einkaufszentrum.

Taifun vereinheitlicht Marken für den LEH 🌱

Umsetzung: Die Taifun-Tofu GmbH beendet ihre Zwei-Marken-Strategie und führt die bislang dem LEH vorbehaltene Marke „Tukan – bio & vegan“ und die Fachhandelsmarke „Taifun“ zusammen. Ab April werden erstmals die bisher exklusiv dem Bio-Fachhandel vorbehaltenen Taifun-Produkte auch im konventionellen LEH erhältlich sein (Quelle: Taifun).

Strategie: Die Änderung betrifft nur Markenname und Optik, während die Produktqualität gleich bleibt. Das Unternehmen begründet den Schritt mit veränderten Einkaufsgewohnheiten: Die hätten sich „über die Jahre verändert, viele Menschen möchten ihren Bio-Einkauf auch im Supermarkt um die Ecke erledigen“.

Bedeutung für den Markt: Taifun repräsentiert beispielhaft den Druck, dem traditionelle Bio-Marken ausgesetzt sind: Die frühere Trennung zwischen Fachhandels- und LEH-Sortimenten wird zunehmend als überholtes Konzept betrachtet. Die Mainstreamisierung von Bio scheint unaufhaltsam, während der Bio-Fachhandel verstärkt nach neuen Differenzierungsmerkmalen suchen muss.

Fazit: Was heißt das für den Bio-Markt?

1. Integration statt Separation: Bio-Lebensmittel rücken zunehmend ins Standardsortiment konventioneller Märkte, nicht in separate Formate – diese Erkenntnis setzt sich branchenweit durch, wie der Alnatura-Ausstieg der Migros zeigt.

2. Die Bio-Preisspirale dreht sich weiter: Während Discounter wie Lidl mit Rabatten den Einstiegspreis senken, versuchen andere mit Premium-Positionierungen (Aldi mit Neureuther) gegenzusteuern. Eine langfristig tragfähige Balance scheint noch nicht gefunden.

3. Fachmarken suchen neue Wege: Die Exklusivität für den Bio-Fachhandel bröckelt zunehmend, wie Taifun zeigt. Gleichzeitig entstehen mit Drogeriemärkten wie dm neue Zwischenformate, die traditionellen Bio-Marken den Weg in den Massenmarkt ebnen könnten (siehe Supermarktblog).

Die entscheidende Frage für die kommenden Monate: Wird Bio durch die Mainstreamisierung an Substanz und Glaubwürdigkeit verlieren – oder gelingt es dem LEH, Bio als echten Mehrwert jenseits des Preiskampfes zu etablieren?

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