Discounter als Produkt-Absender: Aldis Revolution und Pennys Kehrtwende

Discounter als Produkt-Absender: Aldis Revolution und Pennys Kehrtwende

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Während Penny seine Eigenmarken-Strategie von 2012 beerdigt und die Dachmarke abschafft, um wie alle anderen auszusehen, macht Aldi in den USA genau das Gegenteil: Künftig steht dort der eigene Name prominent auf den eigenen Produkten. In Köln könnte man eine historische Fehlentscheidung getroffen haben. Ein Kommentar.

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Manche Strategieschwenks im deutschen Lebensmitteleinzelhandel altern schneller als die frische Milch im Kühlregal: Im Juli bestätigte die Rewe-Tochter Penny, dass sie ihre Basismarke „Penny“ einstellen will. Etwa 400 Produkte, die es bislang mit dem rot-weißen Logo der Kölner:innen zu kaufen gab, sollen künftig den parallel dazu existierenden Fantasiemarken (offiziell: „Kompetenzmarken“) zugeordnet werden.

Diese Umstellung war bereits zu erahnen, als Penny im Frühjahr ankündigte, einen großen Teil seiner Molkereiprodukte künftig unter der neuen Eigenmarke „Milprima“ zu verkaufen – einer klaren Aldi-Kopie (siehe Supermarktblog).

Die Penny-Dachmarke wurde 2012 eingeführt, als der Discounter einen radikalen Neustart wagte, um aus seiner damaligen Krise herauszufinden (siehe Supermarktblog und Supermarktblog). Zur Wahrheit gehört aber auch, dass es damals schon nach kurzer Zeit zahlreiche Ausnahmen gab, bei denen man weiter auf etablierte oder neue Fantasiemarken setzte (z.B. für Saisonware). Dass die sogenannten „Kompetenzmarken“ bei Penny schon seit längerer Zeit wieder sehr viel stärker in den Vordergrund gerückt sind, ist auch kein Geheimnis.

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Aldi entdeckt die Dachmarke

Bis das letzte „Penny“-Produkt aus den Penny-Regalen verschwunden ist, kann es dennoch mehrere Monate dauern, weil das Redesign sukzessive erfolgt.

Die „Lebensmittel Zeitung“ hat in Köln erfragt, was Anlass für den Wechsel ist und von dort „Änderungen bei den Kundenansprüchen und im Wettbewerbsumfeld“ genannt bekommen. Aus Fachpresse-Sicht schien es schlüssig, dass dieser „Sonderweg“ für Penny nun ende, denn: „Als nachahmenswert haben die Konkurrenten die Strategie der Kölner (…) offensichtlich nicht angesehen.“

Und es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass keine drei Monate später auch der Discount-Primus Aldi einen umfassenden Strategieschwenk bei der Positionierung seiner Eigenmarken angekündigt hat – und zwar: in die entgegengesetzte Richtung.

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Der kommunizierte Plan gilt zwar (vorerst) nur für die USA, ist aber deswegen nicht weniger interessant. Denn die Handelskette kündigte ihr „bislang größtes Verpackungs-Redesign“ an. In einer Mitteilung heißt es:

„Ab sofort wird der Name ALDI auf jedem Produkt zu sehen sein – zudem startet die erste gleichnamige Marke des Unternehmens, um die beliebten Eigenmarken für Kundinnen und Kunden noch besser erkennbar zu machen.“

Modernisiertes Einkaufserlebnis

Konkret bedeutet das: Aldi-Produkte tragen künftig entweder das Aldi-Logo oder den auffälligen Hinweis „ein ALDI Original“, und zwar vorn auf der Packung. Aldi hat sich also dazu entschieden, den eigenen Namen zur neuen Dachmarke zu machen.

Aldi druckt den eigenen Markennamen künftig in den USA prominent auf seine Produktverpackungen; Abb: Aldi USA

Viele Kund:innen sagen zu den gekauften Artikeln ohnehin schon „Aldi-Produkte“ – die Änderung macht das offiziell. Außerdem soll sofort erkennbar sein, dass es sich um ein exklusives Aldi-Produkt handelt. Damit will der Discounter das Vertrauen in die eigene Marke stärken. Das neue Design ist laut Aldi-US-CEO Atty McGrath „der nächste Schritt, um das einfache und schnelle Einkaufserlebnis zu modernisieren“. Es soll den Einkauf klarer, moderner und visuell ansprechender machen. Zudem soll der Aldi-Name auf der Verpackung als sichtbares Qualitätsversprechen dienen.

Etablierte Aldi-Eigenmarken wie „Clancy’s“, „Simply Nature“ und „Specially Selected“ bleiben erhalten und kriegen den Zusatz „an Aldi Original“; alles ohne größeren Wiedererkennungswert („Lunch Buddies“?) wird radikal abgeschafft und zur Aldi-Marke.

Druck von den großen Konzernen

Verpackungen erhalten eine klarere Typo und eine modernere Gestaltung mit leuchtenden Grundfarben sowie (teilweise) kleinen Produkt-Illustrationen.

Also: ziemlich genau das, was Penny vor mittlerweile über zehn Jahren vorgemacht hat – und noch dazu mit exakt der Begründung, die Penny gerade nennt, um die Entscheidung von damals wieder abzuwickeln. Denn Aldi bezeichnet die beschlossene Neuausrichtung als „direkte Reaktion auf Kund:innenfeedback“, an der man „in den vergangenen Jahren“ gearbeitet habe.

Nun ist der US-Markt für Lebensmittel in vielerlei Hinsicht nicht mit dem deutschen vergleichbar (und andersherum, Grüße an die Walmart-Expansionsabteilung von 1997) und es gibt weitere plausible Gründe für den Aldi-Strategieschwenk.

„Supermarket News“ erinnert in seiner Einordnung daran, dass Aldi zuletzt stark unter Druck großer Nahrungsmittelkonzerne stand, die den Discounter wegen der beabsichtigten Ähnlichkeit seiner eigenen Produkte zu etablierten Herstellermarken in schöner Regelmäßigkeit verklagten (zuletzt: Mondelez International).

Eine Strategie für Herausforderer

Es ist auch nicht gesagt, dass Aldi mit seiner US-Entscheidung Erfolg haben wird. Dass die Umstellung „im Laufe der kommenden Jahre“ vollständig umgesetzt werden soll, zeigt aber, dass man dort zumindest langfristig denkt.

Vor allem aber gibt es bislang keinerlei Anzeichen, dass Aldi auch in Deutschland überlegen könnte, seinen Namen zur sortimentsübergreifenden Dachmarke zu machen und dafür die gewohnte Fantasiemarkenvielfalt aufzugeben. (Eher im Gegenteil.)

Der US-Weg zeigt aber, welches Potenzial in der Entscheidung steckt, den eigenen, vertrauenswürdigen Namen auch auf Produktlinien zu übertragen, um damit preissensible Kundschaft anzusprechen und die eigene Unverwechselbarkeit zu stärken. Also genau das, was Aldi im amerikanischen Markt leisten muss, um seine Expansion voranzubringen und klassischen Supermarktketten Marktanteile abzujagen.

Und ziemlich genau das, was hierzulande eigentlich die Nummer vier unter den großen Discountern (und die Nummer 9 der umsatzstärksten stationären Vertriebslinien) leisten müsste, um wieder voranzukommen.

Die neue Discount-Spießigkeit

Unter dem seit 2022 amtierenden Penny-Deutschland-Bereichsvorstand Stefan Görgens hat man in Köln aber scheinbar den Rückzug aus der Angriffslust und Innovationsfreudigkeit der vorausgegangenen Dekade beschlossen und bemüht sich stattdessen um maximale Angleichung an die Marktführer im Lebensmittel-Discount – auch wenn dafür die bisherige Identität quasi aufgegeben werden muss.

Dieser Prozess umfasst nicht nur die beschlossene Einstellung der Penny-Dachmarke, sondern greift auch beim Redesign bestehender „Kompetenzmarken“. Bei denen scheint Penny das Ziel zu haben, jegliche gestalterische Besonderheit aufzugeben und sie – wie bei „Lindenhof“ (Käse) – mit größtmöglicher Spießigkeit zu ersetzen.

„Lindenhof“ wird wieder spießig: rechts das bisherige Verpackungsdesign, links das neue; Foto: Smb

Das ist nicht ganz ungefährlich – vor allem dann, wenn die kopierten Marktführer irgendwann in den Modernisierungsmodus schalten. Und Penny wieder nachziehen muss.

Dass viele Verbraucher:innen inzwischen keinen Qualitätsunterschied mehr zwischen Herstellermarke und Eigenmarke sehen bzw. das Vertrauen insbesondere bei Jüngeren genauso hoch wie für klassische Markenprodukte ist, kommt den Handelsketten eigentlich entgegen. Mit einer funktionierenden Dachmarke wie bei Rewe oder Edeka dürfte das aber generell einfacher sein als mit „Bäckerkrönung“, „San Fabio“, „Landfreund“, „Naturgut“, „Mühlenhof“, „Covo“, „Gustoria“ & Co. – selbst wenn am Packungsrand noch das Logo von Discounter Nummer vier als Absender auftaucht.

Dreizehn Jahre lang wollte Penny nicht wie all die anderen sein. Aber ausgerechnet jetzt, wo Aldi denselben Weg einschlägt, fehlt in Köln dazu der Mut.

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2 Kommentare
  • »den eigenen, vertrauenswürdigen Namen auch auf Produktlinien zu übertragen, um […] die eigene Unverwechselbarkeit zu stärken« – genau das scheint mir der springende Punkt zu sein. Warum sollte ein Discounter nicht selbstbewusst auch eine Marke sein wollen? Aldi bewegt sich auch hierzulande schon zaghaft in diese Richtung: Viele Produkte tragen das Aldi-Logo wenigstens auf der Rückseite; die Basis-Schokolade trägt das Aldi (Süd)-A als Prägung auf der Tafel.

  • Ein bisschen erinnert der Schritt von ALDI Süd in den Staaten an den Versuch hierzulande mit „täglich gut“ – nur dass man ihn nun mit klarem Konzept und einer plausiblen Absicht erstmals konsequent umsetzt. Und es sieht alles stimmig und wertig aus.

    Bei Penny unterschätzt man meiner Meinung nach, dass die Produkte nun nicht nur billiger, sondern damit auch weniger wertig und qualitativ aussehen. Gerade beim Käse wirkte das schwarze Lindenhof-Design mit der nur einen Akzentfarbe zumindest deutlich (!) wertiger, auch in Abgrenzung zur ehemaligen Penny-Billig-Eigenmarke ganz unten im Regal. Intuitiv ließ ich den Käse in der neuen Verpackung dort nun zuletzt eher liegen, weil ich ihn nicht für „meinen“ hielt, sondern für die günstige Version. Ob das Sinn der Sache sein kann?

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