Einkaufen, Mittagessen – oder beides? Whole Foods Bryant Park löst die Grenzen zwischen Supermarkt und Restaurant auf

Einkaufen, Mittagessen – oder beides? Whole Foods Bryant Park löst die Grenzen zwischen Supermarkt und Restaurant auf

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Mit einer gastronomischen Aufwertung seiner Läden arbeitet die US-Kette Whole Foods daran, das Prinzip klassischer Supermärkte generalzuüberholen. Als neuer Eigentümer ist Amazon nicht nur plötzlicher Supermarktbesitzer – sondern ein Stück weit auch Restaurantbetreiber.

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Dass die amerikanische Supermarktkette Whole Foods neuerdings zu Amazon gehört, hat viele etablierte Lebensmittelhändler ziemlich nervös gemacht.

Der Bloomberg-Bericht, dass sich die Frequenz in den Whole-Foods-Läden nach der Übernahme (und den direkt umgesetzten Preissenkungen für einige Produkte) um 25 Prozent erhöht habe, hat da sicher auch nicht geholfen. Bloomberg beruft sich auf Daten von Foursquare, die sich aber ausschließlich auf die ersten zwei Tage nach den Preissenkungen beziehen und freilich nichts darüber aussagen, inwiefern auch die Umsätze gestiegen sind bzw. ob die gestiegene Frequenz ausschließlich von den zahlreichen Journalisten verursacht wurde, die die Märkte stürmten, um Preisschilder zu twittern und Kurzanalysen zu publizieren.

Die Nervosität ist dennoch angebracht – nicht nur weil sich Amazon als Betreiber stationärer Supermärkte in einem ohnehin stark umkämpften Revier breit macht und direkt von der Übernahme profitieren dürfte (siehe Supermarktblog).

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Sondern auch, weil sich der Konzern mit Whole Foods ein Handelsunternehmen gesichert hat, das schon eine ganzen Zeit lang daran arbeitet, das Prinzip klassischer Supermärkte generalzuüberholen – indem es sie nicht mehr primär als Anlaufstellen zur Nahrungsmittelselbstversorgung definiert. Sondern als eine Mischung aus Markt, Bistro und Restaurant, bei dem die Grenzen bisher getrennter Konzepte zunehmend aufgelöst werden.

Für Snack-Mitnehmer und Dinner-Enthusiasten

Dafür verbündet sich Whole Foods z.B. mit jungen Gastronomen und holt deren erfolgreich erprobte Restaurantkonzepte als Ableger in seine neuen „365 by Whole Foods“-Läden (siehe Supermarktblog), die Kunden nicht nur mit günstigeren Preisen locken sollen, sondern eben auch mit gastronomischen Angeboten. Eine der nächsten Filialen eröffnet bald in Brooklyn:

Ein paar Subway-Stationen weiter, in Manhattan, ist Whole Foods schon deutlich weiter. In der Anfang Januar dieses Jahres aufgemachten Bryant-Park-Filiale gegenüber der New York Public Library sind Angebote für Sofortesser, Snack-Mitnehmer, aber auch Dinner-Enthusiasten ein zentraler Bestandteil des Konzepts.

Zur Eröffnung warb die Handelskette mit dem Versprechen, „Manhattan’s newest dining destination“ gebaut zu haben. Und auf Instagram postete die Kette den Sandwichbegleittext:

„Your midtown lunch game just got better.“

Auch wenn das dem Laden von außen – sagen wir: nicht direkt anzusehen ist.

Mit Produkten gefüllte Regale zum Rausnehmen und Mitnachhausenehmen gibt’s auf den über zwei Etagen verteilten 3.300 Quadratmetern Ladenfläche zwar auch. Sie fallen zwischen all den Sitzgelegenheiten, Theken und Selbstbestellterminals fürs schnelle Mittagessen nur kaum noch auf.

Salatverzehr mit Großstadt-Aussicht

Den Eingang schmückt die „news agency“, die eine halbe Stunde vor dem restlichen Laden öffnet und sich mit Snacks, Kaffee und einer üppigen SB-Backwarenauswahl an alle richtet, die keine Zeit zum Regalbummeln haben, sondern was für den Weg kaufen und schnell wieder weg wollen.

Der Name ist offensichtlich als Referenz an die Tradition New Yorker Schnellbedien-Zeitungsläden gedacht; Gedrucktes ist dort aber allenfalls schmückendes Beiwerk.

Zeit zum Lesen haben die eiligen Einkäufer ohnehin nicht. Whole Foods schreibt trotzdem ans Regal, wenn die frischen Doughnuts vom Artisan-Bäcker aus der Nachbarschaft kommen. Dann schmecken sie der Kundschaft gleich doppelt so gut.

Backwaren gibt’s auch ein Stockwerk höher, dort aber in Bedienung.

Das passt ideal in den Thekenquadranten, den sämtliche Rolltreppenbenutzer automatisch durchqueren, bevor sie sich entscheiden müssen, ob sie denn nun zum Einkaufen hier sind – oder doch eher zum Sofortessen und Bekochtwerden umschwenken wollen (siehe Titelfoto oben).

Das geht für Eilige, die sich eine Menü-Auswahl aus den Mittagstheken zusammengestellt haben oder einen Salat ausgesucht, den sie mit Blick auf das Großtadtgewusel eine Etage drunter verzehren wollen.

Oder für Zeithaber, die sich lieber bedienen lassen wollen, um eine ordentliche Mahlzeit einzunehmen – z.B. im stilvollen Ambiente von „Frankies Spuntino“, das hausgemachte italienische Pasta, Sandwiches und Salate serviert, oder vorne an der „Harbor Bar“ für einen Teller Meeresfrüchte.

Dazu gibt’s Sushi (vom Partner Kano by Genji Sushi), Quadratpizza, Toasts, Kaffee und Espresso (vom Partner Allegro).

Wer die menschliche Interaktion bei der Nagrungsbeschaffung möglichst gering halten möchte, der tippt sich einfach an den Selbstbestellterminals auf eigene Initiative durch die Menü-Kombinationen …

… bezahlt direkt per Karte und muss sich bloß einmal um 180 Grad drehen, um den zubereiteten Burger oder die Bowl mitsamt Getränk an der Ausgabe abholen, die als einzige im ganzen Laden ein bisschen zu kantinenhaft geraten ist.

Picknicker werden eine Etage tiefer in der Frischeabteilung versorgt – unter anderem mit üppigen Obstarrangements, über denen Whole Foods passenderweise für sich als „America’s healthiest grocery store“ wirbt. Wobei „grocery store“ der eigentlichen Funktion der Filiale kaum gerecht wird.

(Weitere Eindrücke von Whole Foods Bryant Bark liefert gothamist.com.)

All das ist am ausgewählten Standort nur konsequent: Nach Whole-Foods-Angaben sind die Straßen um Bryant Park eine der Lagen mit der höchsten Fußgängerfrequenz im ganzen Land.

Anwohner wollen schnell was einkaufen, Touristen sich für die Empire-State-Building-Besichtigung stärken, Büroangestellte peilen in der Pause ein ebenso schnelles wie leckeres Mittagessen an. Und abends nach Feierabend sitzt es sich bis Ladenschluss um 23 Uhr auch noch ganz gut ein bisschen länger.

Das mag nicht an allen klassischen Supermarkt-Standorten gleich gut funktionieren, an vielen sogar gar nicht. Aber Whole Foods hat verstanden, dass es zumindest in Innenstadtlagen unerlässlich ist, Kunden eine Vielfalt an Angeboten zu machen, um sie zu sich zu locken.

Anders formuliert: Amazon ist seit der Übernahme der Kette nicht nur Supermarktbesitzer. Sondern bis zu einem gewissen Grad auch Restaurantbetreiber, Mahlzeitenanbieter, Snackversorger – all das, was viele große Lebensmittelhändler (auch in Deutschland) nach wie vor massiv vernachlässigen und unterschätzen.

Was erwarten die Kunden künftig?

Mit seinem neuen Eigentümer verfügt Whole Foods über die notwendigen Ressourcen, diese Transformation des Supermarktkonzepts weiter voranzutreiben. Womöglich müssen sich die etablierten Handelsketten nicht nur darum sorgen, künftig Konkurrenz durch niedrigere Preise für Bio-Lebensmittel zu bekommen – sondern sich auch darauf einstellen, dass Amazon mit Whole Foods in der Lage ist, die Erwartungshaltung der Kunden an Supermärkte wesentlich zu beeinflussen.

Zumindest wenn es sich einmal durchgesetzt hat, Einkaufen nicht mehr bloß darüber zu definieren, in Plastik verschweiße Multipacks aus neonlichtgefluteten Lagerhallen rauszutragen.

Fotos: Supermarktblog"


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2 Kommentare
  • Schöner Bericht, schicke Fotos! Nice auch die Verlinkung auf den Gothamist Blog – die dortigen Leserkommentare zum Thema „Produce Butcher“ sind echtes Comedy-Gold!

    Zum Thema schlagen zwei Herzen in meiner Brust: einerseits hätte ich so etwas hier auch gerne – andererseits schrecken mich die Preise dann doch wieder ab. Ich bin daher nicht sicher, ob das hier in Deutschland auch funktionieren würde.

    Ich sehe das auch hier in Frankfurt: in meinem Wohnhaus residiert seit ca. 2000 ein basic Bio-Supermarkt. Vor einiger Zeit haben die den Laden um ein eigenes Bistro erweitert, wo es Pizza, Nudelgerichte, Reisgerichte, Salat, Sandwiches, Suppen und Säfte gibt – alles bio, und alles zu entsprechenden Preisen. Ist immer leer, wenn ich daran vorbeikomme (was in der Regel morgens und abends ist), und ich war in einem Jahr auch nur zwei Mal dort, weil es mir halt zu teuer ist, um dort öfters zu essen. Ob die mittags Umsatz machen, weiß ich nicht – kann ich mir aber nicht vorstellen, zumal es so viele Büros in der Gegend nicht gibt.

    Jedenfalls danke für die Reportage, macht immer wieder Spaß, zu lesen!

  • Finde es schade, dass es Whole Foods nicht in DE gibt. Bei uns sind selbst neue Bio Supermärkte meist viel hässlicher als so ein Whole Foods Market. War letztens auch in einem kleinen in London, der war sah wieder so toll aus. In DE gibts sowas einfach nicht.

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