McLidl: Discounter wärmt spanischen Kunden Fast Food im Laden auf

McLidl: Discounter wärmt spanischen Kunden Fast Food im Laden auf

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In spanischen Filialen macht Lidl Platz im Brötchenknast, um dort halbe Hähnchen und aufgewärmte Burger zu verkaufen. Die Fertigfraß-Initiative konterkariert das Image, um das sich der Discounter sonst so sehr bemüht.

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Kleine Mahlzeiten und Snacks für die Mittagspause (Salate, belegte Brotvariationen und Joghurts) sortiert Lidl seit einem Jahr unter dem Namen „Select & Go“ geneinsam die die Kühltheke. Sonderlich ansehnlich oder lecker ist das All-You-Can-Eat-Kühlbuffet aber leider nicht, bloß: billig (siehe Supermarktblog).

Insofern muss man’s wohl als konsequent bezeichnen, dass der Discounter diesem Prinzip bei der Weiterentwicklung seiner Snack-Ambitionen auch im Ausland treu bleibt.

In Madrid hat Lidl gerade sein neues Angebot „Listo para comer“ vorgestellt, ein spanisches „Ready to Eat“, das zur Hälfte aus klassischen Fertiggerichten zum Warmmachen besteht, die auch hierzulande in den Snack-Block dazu geräumt wurden.

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Kund:innen sollen sich das in Plastik verschalte „Essen“ im Büro oder zuhause in der Microwelle aufwärmen, und entsprechend rustikal fallen auch die spanischen Angebote aus: Fleischbällchen in Soße, russischer Salat mit Speckkroketten, Risotto, Bolognese-Maccaroni, Paella.

Halbe Hähnchen aus dem Brötchenknast

Lidl geht aber noch einen Schritt weiter und bietet – bislang in vier Filialen – zusätzlich aufgewärmtes Fast Food an. Dafür räumt der Discounter ein paar Zellen in seinem Brötchenknast frei, hängt ein Holzimitat-Täfelchen mit dem „Listo para comer“-Logo drüber und bietet darunter u.a. „BBQ Beef Burger“, halbe Hähnchen, Chicken Nuggets und Wings in der Box sowie den „Sloppy Joe“-Wrap an.

Eine von insgesamt acht erwärmten Varianten ist vegetarisch (der „Falafel Wrap“).

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Das Fast Food wird zweimal pro Tag im Laden heiß gemacht, schreibt „Directo al Paladar“: erstmals rechtzeitig zur Lunch-Zeit um 12.30 Uhr, und später nochmal zum Feierabend um 18 Uhr. Die Warmhaltegerichte sollen nicht länger als vier Stunden im Regal bleiben und werden anschließend nicht mehr verkauft.

Theoretisch essbar

Spanische Medien werten die Initiative als Antwort auf den Supermarkt-Konkurrenten Mercadona, der zuletzt sein eigenes Sofortessen-Angebot unter gleichem Namen eingeführt hatte; in den Mercadona-Filialen wird das Essen allerdings über einen Tresen gereicht, hinsetzen dürfen sich die hungrigen Gäste dort in der Regel auch. Bei Lidl gibt’s das– natürlich – nicht, stattdessen konzentriert man sich auf: den Preis. Die „Mahlzeiten“ kosten allesamt zwischen 1,19 und 2,99 Euro.

Der Redakteur von „El Español“ hat für seinen Testbericht kurzerhand sämtliche verfügbaren Produkte im Wert von 34,34 Euro erworben und einen noch freundlichen Bericht zu dem sich ihm bietenden kulinarischen Nichterlebnis verfasst. Sein Urteil: Kann man theoretisch alles essen; aber nur, wenn man praktisch keine andere Alternative hat.

Die Abbildung der Lebensmittel, die Lidl als verzehrfertig verkauft, unterstreicht das durchaus eindrucksvoll.

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(Bereits das Verpackungsdesign des Fast-Food-Marktführers hatte Lidl für seine Produktentsprechungen kopiert. Da ist es  schlüssig, auch die Diskrepanz zwischen Werbeabbildung und realem Produkt zu übernehmen, die Anbieter im Quickservice-Geschäft meisterhaft beherrschen.)

Zucker, Salz und Zusatzstoffe

Vertiefen lassen sich diese Eindrücke bei „Vitónica“, das sich zusätzlich die Mühe gemacht hat, die Nährwertangaben der „Listo para comer“-Produkte mal genauer anzusehen: Die allermeisten Gerichte – auch die vermeintlich „hausgemachten“ – sind voll mit Zusatzstoffen, Geschmacksverstärkern, Zucker oder Glukosesirup, unnötig hohem Salzgehalt. Das allermeiste besteht aus Kohlehdyraten und rotem Fleisch; Gemüse ist die Ausnahme.

Natürlich lässt sich da zurecht einwenden: Was soll man von klassischem Fast Food auch anderes erwarten?

Der Punkt ist nur, dass dieser Fertigfraß von einer Handelskette ins Regal geschoben wird, die sonst mit großer Anstrengung damit wirbt, die frischeste Obst- und Gemüse-Auswahl zu bieten, dabei helfen zu wollen, dass ihre Kund:innen gesund und aktiv bleiben, ganz toll bei der Vermeidung unnötiger Plastikverpackungen voran zu kommen und möglichst keine Lebensmittel zu verschwenden. Wirklich jeder dieser Punkte wird durch den Aufwärmfraß im Brötchenknast konterkariert.

Fertigfraß vs. Glaubwürdigkeit

Das ist ein ziemliches Armutszeugnis. Zum einen, weil Lidl – wie „El Español“ zurecht anmerkt – mit der Einführung des Angebots Erwartungen weckt, die die Produkte kaum einhalten können. (Ich mag besonders gerne, wie die Lidl-Verantwortlichen für den Fotografen so tun, als würden sie in den Aufwärm-Burger beißen.)

Und zum anderen, weil sich Lidl mittelfristig entscheiden muss, wie glaubwürdig man mit seiner Selbstdarstellung gegenüber Kund:innen sein möchte. Es verlangt ja niemand, dass der Discounter übermorgen zum Reformhaus wird. Aber einerseits Frische und Aktivität propagieren, während industrieller Fertigfraß in die Auslage gehoben wird, ist ziemlicher Unfug.

Dabei experimentiert Lidl seit der Einführung seiner Brötchenknasts auch in Deutschland kontinuierlich mit wechselnden Snack-Varianten, die allesamt mehr oder weniger brotbasiert sind: Dönertaschen und „Pizza Diavolo“, Flammkuchen und Hähnchen-Gyros-Baguette, Leberkäs-Snacks, Hot Dogs und „Schinken-Schiffchen“ (siehe Supermarktblog).

Womöglich ist damit die Grenze der Snack-Fähigkeit des Discount-Konzepts bereits erreicht.

Streetfood im Plastikschlauch

Die Verantwortlichen sind da offensichtlich anderer Ansicht: Zuletzt schob Lidl unter dem fast schon unverschämten Eigenmarkennamen „My Street Food“ diversen Lebensmittelunfug in die Regale und warb dafür mit den Worten:

„Exotische Düfte an jeder Straßenecke, hier und dort Kleinigkeiten probieren und auch manchmal kulinarische Grenzen überschreiten – das macht Streetfood aus (…).“

Also: das exakte Gegenteil dessen, was der Discounter damit verkaufen wollte („Coloured Burger Buns“, „Toast Pocket Snacks Indian und Cowboy Style“ und „Croduts“, eine Mischung aus Croissant und Donut).

In der Woche, in der die Politik die großen Handelsketten auf einem Gipfel im Kanzleramt eigentlich zu faireren Lebensmittelpreisen bewegen wollte, wirkt das alles besonders zynisch. Vor allem, nachdem HDE-Präsident Josef Sanktjohanser eventuelle Restglaubwürdigkeit mit der Lüge entsorgte, der Handel sehe seine Aufgabe darin, „seinen Kunden jeden Tag das bestmögliche und attraktivste Angebot zu unterbreiten“.

Bestmögliches Angebot: 1 Kilo Fertignudeln

Vielleicht mag Sanktjohanser ja bald mal das Angebot von Lidl annehmen, das zum attraktiven Preis angebotene Bami Goreng aus der 1-Kilo-Schale zu verzehren, für das der Packungstexter hoffentlich in die Hölle kommt („Für dich gekocht!“ in der „Delikatessen Manufaktur“).

Hier, bitteschön:

In größeren Filialen testet Lidl zumindest auch Snacks, die ansatzweise gesünder sind als der Rest: Mini-Salatschalen zum Preis von 1 Euro zum Beispiel und ganz okaye „Smoothie-Salate“.

Nicht auszudenken, wie lecker die sein könnten, wenn sie nicht ausschließlich auf den geringstmöglichen Verkaufspreis hin konzipiert würden, sondern: mit guten Zutaten zum angemessenen Preis (für Hersteller:innen und Kund:innen).

In Spanien hat McLidl derweil angekündigt, das Aufwärm-Fast-Food-Angebot auf weitere Filialen im ganzen Land ausweiten zu wollen.

Fotos: Supermarktblog"

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5 Kommentare
  • Zum Ende: Sehr wahr! Aldi (Süd) hat seit einiger Zeit Snacksalate aus niederländischer Produktion. Die tatsächlich schmecken, etwa Quinoa-Ziegenfrischkäse oder Pasta-halbgetrocknete-Tomaten mit lecker Dressing. Die sind aus niederländischer, dänischer oder britischer Supermarktsalatsicht immer noch keine Offenbarung (dürfen auch nicht über 2,99 Euro kosten, im Gegensatz zu 5-8 Euro für leckere „Mahlzeitsalate“ in den genannten Ländern) – aber gaaaaanz langsam tut sich endlich was jenseits von Schinken-Käse-gekochtes-Ei. Auch wenn man es erstmal als Entwicklungshilfe aus Holland importieren muss 😉

    • Oh, danke für den Hinweis, hab ich noch gar nicht entdeckt. Unter welchem Eigenmarkennamen firmieren die denn?

    • SNACK TIME wie die herkömmlichen Schinken-Käse-Salate, die genauso verpackt daneben liegen, aber aus Deutschland kommen. Ist je nach Filiale auch immer etwas Glückssache, welche man gerade noch findet. Sind jedenfalls im Mitnehmessenregal meist ganz unten.

  • In Kroatien gab es schon letztes Jahr bei Lidl in Zadar aufgewärmte Ham- und Cheeseburger aus dem Brötchenknast. Ich hab den damals getestet und fand ihn zwar nicht unbedingt lecker, aber doch zumindest auf Augenhöhe mit dem Wirtshaus zum goldenen M.
    Kann aber nicht sagen ob das noch immer angeboten wird. Sobald ich wieder in die Nähe komme, werde ich nachschauen

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