Tegut-Trio in der Frankfurter City: Die Frische-Snack-Bio-Stadtsupermärkte

Tegut-Trio in der Frankfurter City: Die Frische-Snack-Bio-Stadtsupermärkte

Inhalt:

Viel Frische, Bio, Convenience: In Frankfurt demonstriert Tegut, wie sich die Handelskette zeitgemäße Supermärkte für Schnellversorger vorstellt, die einen Teil ihrer Lebensmittel online ordern.

Partner:

Der deutsche Lebensmitteleinzelhandel war über viele Jahre vor allem in einem wahnsinng gut: sich auf die Vergangenheit zu verlassen. Auf überholte Läden, Niedrigpreise, aufs Haben-wir-schon-immer-so-gemacht. Das hat sich ein gutes Stück verändert, und – Glückwunsch!: Die meisten Händler sind inzwischen in der Gegenwart angekommen.

Die in Fulda beheimatete Supermarktkette Tegut hat sich vor einigen Jahren dazu entschieden, sogar noch einen Schritt weiter zu gehen – und einen Blick in die Zukunft zu riskieren.

„[I]ch bin der Meinung, dass aus dem klassischen, stationären Supermarktgeschäft in den nächsten Jahren relevante Umsatzanteile abwandern werden, vor allem bei Nonfood, aber auch im Trockensortiment“,

erklärte Tegut-Geschäftsführer Thomas Gutberlet vor drei Jahren. Und hatte dafür eine einleuchtende Erklärung: „In der Auswahl schlage ich das Internet im Grunde nie.“

Dafür aber vielleicht mit stationären Supermärkten, die sich sehr viel stärker auf die Einkaufsbedürfnisse von Kund:innen einstellen, die das einkaufen wollen, was sie jetzt sofort benötigen: frisches Obst und Gemüse, Salate und Sandwiches für die Pause, Mahlzeiten, die sich nach Feierabend unkompliziert zubereiten zu lassen.

Das Ergebnis dieser Überlegungen lässt sich u.a. in Frankfurt am Main betrachten, wo Tegut mit einer wachsenden Zahl an Neueröffnungen (vor allem in der Innenstadt) dem Platzhirsch Rewe Konkurrenz macht.


Die Märkte: Hauptsache, die Lage stimmt

Eine Supermarktschönheit ist der im Februar 2019 eröffnete Laden im Frankfurter Bahnhofsviertel von außen gewiss nicht. Der Eingang liegt versteckt an der Seite der Kaiserpassage, einige Schritte vom Bahnhofsvorplatz entfernt. An der düster verkleideten Front war gerade ausreichend Platz, Logo und Öffnungszeiten anzubringen; damit zieht einen der Laden nicht unbedingt magisch an.

Das gilt auch für seinen etwas versteckt hinter Säulen liegenden Filialkumpel am Eschenheimer Turm.

Auf der anderen Mainseite in Sachsenhausen hat sich Laden Nummer drei ins Erdgeschoss eines größeren Gebäudekomplexes in der Nähe der Alten Brücke geschoben und gibt alles, der Tristesse mit ein paar Farbklecksen überm Eingang entgegen zu steuern.

Alles keine Traum-Immobilien. Außer halt, dass die Läden diesen Nachteil mit ihrer Lage ausgleichen. Kund:innen, die gerade in der Stadt unterwegs sind, kommen nämlich automatisch an Tegut vorbei – und deshalb im Zweifel auch rein.

Weil selbst bei Supermärkten die inneren Werte zählen, hat Tegut dafür gesorgt, dass die stimmen – allen Widrigkeiten zum Trotz. Und Widrigkeiten  gibt’s wahrlich genug: Säulen, schief zulaufende Flächen, viel zu enge Ein- oder Ausgangsbereiche.

Der Ladenbau hat das Beste draus gemacht: Auf der verschnittenen Fläche in Sachsenhausen wird auch der Platz zwischen den rechtwinklig zueinander gestellten Kühltheken noch genutzt, um schmale Regale einzusetzen; in der Getränkeabteilung stehen Mehrwegkisten auch mal in zweiter Reihe und sind um Säulen herumgebaut. Und die Kassen leiten die Kundschaft zwar in ein Nadelöhr – dafür gibt’s aber im Markt, der erstaunlich großzügig gestaltet ausfällt, keine langen Schlangen.

Ganz offensichtlich hat man sich bei Tegut vorgenommen, dass das eigene Supermarkt-Format zur Fläche passen muss – und nicht anders herum. Das schafft eine Flexibilität, an die sich mancher Wettbewerber erst noch gewöhnen muss.

Dass auch auf kleinen Flächen ausreichend Platz zwischen den Regalen bleibt, dürfte sich nicht nur angesichts Corona als Vorteil erweisen. In jedem Fall entspannt es den schnellen Einkauf enorm, wenn man sich dabei nicht durch vollgestellte Gänge drängeln muss.

Und die dazwischen gestellten Flechtkörbe als Störer gehen voll in Ordnung.

Das Sortiment: Viel Abwechslung auf kleiner Fläche

An ausufernde Sortimente glaube er nicht mehr, sagt Tegut-Chef Gutberlet: „Ich bin der Meinung: weniger ist mehr.“ Dem Unternehmen geht es eher darum, „bedarfsgerechte Produkte und Mengen an[zu]bieten“.

In den Frankfurter City-Märkten heißt das, dass Frische (inklusive Kühlung) mancherorts fast die Hälfte des Verkaufsraums einzunehmen scheint.

Obst und Gemüse stehen im Vordergrund, dazu kommen lange Reihen mit Platz sparenden Kühlregalen und gut sichtbare Angebote für die „Schnelle Küche“.

Produkte für den Sofortverzehr sind z.B. in der Kaiserpassage in Kühltruhen am Eingang positioniert, damit Angestellte aus den umliegenden Büros während der Mittagspause einen schnellen Überblick ihrer Optionen bekommen. Zu Beginn des Jahres hat Tegut sogar extra die neue Eigenmarke „Freppy“ für Convenience-Artikel erfunden.

In Sachsenhausen gibt sich Tegut derweil viel Mühe, mit Angebotsartikeln an den Regelnden zu demonstrieren, dass sich an Ort und Stelle auch günstig einkaufen lässt.

Das herausragendste Alleinstellungsmerkmal ist aber auch auf kleinem Platz das große Bio-Sortiment: Mehrere Bio-Müslis zur Auswahl, Bio-Kürbis-Ketchup als Besonderheit und selbstverständlich auch Bio-Backwaren im Brötchenknast? Ein Traum!

Dazu kommt eine Veggie-Kühlartikelvielfalt, bei der sich auch so mancher gut sortierte Edeka-Kaufmann noch ein Scheibchen vegetarische Wurst abschneiden könnte.

Und natürlich die Premiumeigenmarke Tegut vom Feinsten, die mit Unterstützung des Eigentümers – und versierten Eigenmarkenherstellers – Migros mit (Schweizer) Besonderheiten glänzen kann anstatt bloß die Standards der Wettbewerber nachzubauen. (Hmm, Chocobelle-Gebäck.)

Aber, zugegeben: Bei den Bio-„Mondäpfeln“, die angeblich des Geschmacks wegen nur in Vollmondnächten gepflückt werden, ist für mich der schmale Grat zwischen Sortimentsvielfalt und Supermarkt-Esoterik leider schnell überschritten.

Die Extras: Frischetheken, Schnellkassen – und Platz für Prime Now?

Während zahlreiche Handelsketten in Innenstadtfilialen aus Platzgründen auf klassische Bedientheken verzichten, deutet Tegut sie immerhin an – und tauft sie „Frischetheken“. Dort wird z.B. Käse angeboten, der im Arbeitsbereich dahinter nach Bedarf vom Personal portioniert und verpackt werden kann. Auch die fürs erste Halbjahr 2021 angekündigte Filiale an der Konstablerwache soll eine eigene Theke für Frischware erhalten.

SB-Kassen einzubauen, um den Kassierprozess zu beschleunigen, hat sich Tegut (an den von mir besuchten Standorten) bislang nicht getraut. Dafür setzt man auf zwei unterschiedliche Kassentypen: reguläre mit Band und „Schnellkassen“, die eigentlich Stehkassen sind, für den Kauf weniger Artikel konzipiert und im Feierabendbetrieb schnell nachbesetzt werden können.

Ach ja, und diese etwas leer aussehende Service-Ecke hinter den Kassen im Markt in Sachsenhausen: Wäre die nicht prima als Mini-Zwischenlager für schnelle Online-Bestellungen über Prime Now geeignet?

Markt für Schnellversorger – mit kleinen Schwächen

Mit seiner zeitgemäßen Interpretation des Frische-Snack-Bio-Supermarkts für Innenstadtlagen gelingt es Tegut tatsächlich ganz gut, sich vom Hauptkonkurrenten Rewe abzuheben – der sich seiner Marktposition in der Stadt so sicher zu sein scheint, dass manche Läden selbst nach Renovierungen erstaunlich hingeklatscht aussehen.

Ja, Nordwest-Zentrum-Rewe-Center, damit bist du gemeint:

(Sorry für den kleinen Bildexkurs.)

All das bedeutet im Umkehrschluss aber nicht, dass Tegut damit die Zufriedenheit der Kundschaft automatisch sicher wäre.

Regelmäßige Kund:innen erinnern sich an überlagertes Obst und Gemüse im Stadtmarkt am Eschenheimer Turm, an seltsame Warensortierungen, schmutzige Warenkörbe und lange Schlangen – was dem Bild, das Tegut gerne vermitteln möchte, so ganz und gar nicht gerecht wird. Nach der Umgestaltung des Markts soll sich das aber gebessert haben. Supermarktblog-Leser Daniel berichtet:

„Die Obstproblematik hat sich aufgelöst, seitdem sie die Abteilung vom teilweise sonnendurchfluteten Eingangsbereich in die Mitte des Ladens umgesiedelt haben. Tatsächlich checke ich im Tegut Mindesthaltbarkeitsdaten bei meinen Einkäufen, mache ich bei Rewe praktisch nie.“

Die Bilanz? Tegut macht schon viel richtig mit seiner Idee des Schnellversorger-Supermarkts für Auf-dem-Heimweg-Einkäufer. Corona allerdings dürfte dafür sorgen, dass die Convenience-Ausrichtung der Läden vorübergehend eine Herausforderung bleibt, weil viel weniger Menschen in der Stadt unterwegs sind, wenn sie weiter von zuhause arbeiten.

Gleichzeitig dürfte Corona auch dafür sorgen, dass sich die Richtigkeit von Gutberlets ursprünglicher Prognose beschleunigt – und Kund:innen künftig zumindest einen Teil ihrer wöchentlich benötigten Lebensmittel online ordern, um seltener in den Laden zu müssen.

Dafür ist Tegut gerüstet: Die Sortimente auf den kleinen Flächen lassen sich leicht nachjustieren – ohne am Ende unnötig viel Platz übrig zu haben.

Mehr zur Strategie, wie sich Tegut auf die Zukunft des Lebensmittelhandels einstellt (und Amazon dabei helfen soll), lesen Sie in diesem Supermarktblog-Text.

Danke für die Frankfurt-Korrespondenz an Daniel M.!

Fotos: Supermarktblog"

Kommentieren

Datenschutzhinweis: Mit der Nutzung dieses Formulars erklären Sie sich mit der Speicherung und Verarbeitung Ihrer Daten durch diese Website einverstanden. Eine Freischaltung erfolgt nur unter Angabe einer validen E-Mail-Adresse (die nicht veröffentlicht wird). Mehr Informationen.

1 Kommentar
  • Demnächst gibt es noch einen vierten Tegut in Frankfurt/Main. In der alten Segmüller-Filiale an der Konstablerwache wird kräftig umgebaut. Gottseidank. Ich kann Rewe und Penny nicht mehr sehen.

Blog-Unterstützer:innen können sich über Steady einloggen, um Support-Hinweise und Werbung im Text auszublenden:

Archiv