Eines muss man dem deutschen Stationärdrogeriemarktführer lassen: Beim Versuch, seinen zahlreichen Filialen ein kleines bisschen Internet beizubringen, gibt dm so schnell nicht auf. Nach der eher unpraktischen Duschgelziegel-Aushändigung und dem wohl nicht weiter verfolgten Plan, eigene Paketabholstationen in Läden aufzustellen, scheint man in der Karlsruher Zentrale inzwischen einen passenden Weg gefunden zu haben, Online und Offline zu verkuppeln: mit der Express-Abholung.
Der Service wurde ursprünglich in 20 Filialen im Münchner Raum getestet – und als Corona in diesem Frühjahr plötzlich das Einkaufsverhalten zahlreicher Kund:innen durcheinander brachte, sehr zügig auf über 2.000 Filialen in Deutschland ausgeweitet (siehe dazu auch Supermarktblog vom April).
Das Versprechen: Kund:innen legen Produkte online auf dm.de oder in der dm-App in den Warenkorb, bezahlen bei Einkaufsabschluss direkt und brauchen dann nicht tagelang auf den Paketboten warten, sondern können sich die Artikel noch am selben Tag in ihrer Filiale abholen, wo die Einkäufe von Mitarbeiter:innen gepackt werden.
In einer Stunde abholbereit gepackt
Zunächst veranschlagte dm sechs Stunden dafür, die Express-Einkäufe fertig kommissioniert zu haben. Wer morgens bestellte, konnte nachmittags im Laden vorbeigehen. Kürzlich wurde der Zeitraum auf drei Stunden gesenkt – vorübergehend bis Ende November. Offiziell heißt es aus Karlsruhe, dass man „sehr viele Kunden bereits vor den sechs beziehungsweise drei Stunden mit der fertigen Bereitstellung ihrer Produkte“ versorgen könne. Und beim EHI Payment-Kongress erklärte Roman Melcher, in der dm-Geschäftsführung für IT und die Abteilung dmTech zuständig, gerade selbstbewusst, 40 Prozent der Express-Bestellungen seien sogar bereits nach einer Stunde abholbereit.
Eine Stunde – kann das funktionieren?
Ja, kann’s: Sensationelle 52 Minuten nach Abschluss meiner Express-Bestellung Anfang der vorigen Woche meldeten Waschmittel, Bodylotion, Creme, Gefrierbeutel, Adventsgebäck und Brotaufstrich per E-Mail, in der von mir angegebenen Filiale eingesammelt werden zu wollen. Das war – zumindest im weniger frequenzstarken Mittagsgeschäft – ziemlich schnell.
Im Markt angekommen kündet man einer verfügbaren Mitarbeiterin bzw. einem verfügbaren Mitarbeiter von der Abholabsicht, zeigt die von dm verschickte E-Mail zur Identifikation vor, der Einkauf wird gescannt und kann ohne Kassenumweg mitgenommen werden.
Ziemlich genau so funktioniert ein modernes Click-&-Collect-Erlebnis, an das sich Kund:innen gewöhnen könnten, wenn sie keine Zeit oder keine Lust haben, selbst durch den Markt zu laufen. Wer bei dm ein Kundenkonto registriert hat, zahlt nicht mal die „Servicepauschale“, die für Gastbesteller:innen 2,95 € beträgt. (Eine Payback-Mitgliedschaft ist dafür nicht notwendig.)
Abhol-Peaks am Nachmittag und Abend
dm-IT-Geschäftsführer Melcher zufolge nutzen knapp 40 Prozent der Kund:innen, die den Dienst einmal ausprobiert haben, die Express-Abholung danach öfter. Abhol-Peaks liegen zwischen 16 und 18 Uhr sowie (bei länger geöffneten) Filialen zwischen 20 und 22 Uhr. Dass der Service insbesondere in Ballungsräumen gut ankommt, verwundert nicht – insbesondere zu Corona-Zeiten.
Sebastian Bayer, als dm-Geschäftsführer verantwortlich für das Ressort Marketing + Beschaffung, erklärt auf Supermarktblog-Anfrage:
„Wir haben festgestellt, dass Kunden den Service sehr zu schätzen wissen und ihn auch ‚per Express nutzen‘, sprich der Großteil der Kunden holt die bestellte Ware auch am Tag der Bestellung oder am Folgetag ab. Der Anteil der nicht abgeholten Bestellungen ist äußerst überschaubar und fällt nicht sonderlich ins Gewicht.“
(Theoretisch wären sieben Werktage für die Abholung Zeit.)
Der Einkauf ist in haushaltsüblichen Mengen möglich, in der Regel „pro Sortiment bis zu 3 Stück“, heißt es online auf dm.de. Es ist aber den Mitarbeiter:innen bei der Kommissionierung vorbehalten, auf die aktuelle Lage zu reagieren und Mengen ggf. zu korrigieren. Hamster müssen demnach leider draußen bleiben. dm-Marketing-Chef Bayer erklärt außerdem:
„Bei der Express-Abholung bestellen Kunden mehr Artikel als bei einem durchschnittlichen Einkauf direkt im Markt. Dies liegt unter anderem an der gezielten Auswahl der Produkte über den Onlineshop dm.de oder die Mein dm-App.“
dm verspricht (inzwischen) explizit, die Einkäufe in Papiertüten zu packen, um sie leichter nachhause transportieren zu können. Das ist insbesondere in Stadtfilialen ohne Parkplätze deutlich praktischer für die Kundschaft als unhandliche große Pakete nachhause zu schleppen (siehe Supermarktblog).
Artikelgenaue Warenverfügbarkeit im Markt
Zu Umsatzanteilen mag man sich in Karlsruhe auf Nachfrage nicht äußern; bei der Jahrespressekonferenz in der vergangenen Woche hieß es lediglich, dass inzwischen jede zehnte dm-Online-Bestellung im Markt gepackt und abgeholt werde.
Tatsächlich hat die Handelskette mit der Express-Abholung einen riesigen Schritt nach vorne gemacht, auch dank der Warenverfügbarkeit, die online für jede Filiale genau anzeigt, wieviele Artikel eines bestimmten Produkts (noch) vorrätig sind. Ersatzartikel sind deswegen in der Regel kein Thema. Ist mal was nicht vorrätig, wählt man im Bestellprozess eine als verfügbar ausgewiesene Alternative aus. Voraussetzung dafür ist, dass man der Website bzw. der App vorher mitteilt, in welcher Filiale man abzuholen gedenkt.
Ganz oben im Warenkorb erscheint nachher ein Regler für die „Prüfung auf Express-Abholung“ mit Zeitprognose für die Abholung. Das ist verständlich und gut gemacht.
Keine Lebkuchen in die Abholtüte
Leider hat dm dem Dienst die anfänglichen Kinderkrankheiten noch nicht ganz austreiben können: Produkte, die in der Wunschfiliale als vorrätig gekennzeichnet sind, aber im Zentrallager „momentan online nicht verfügbar“, können nach wie vor nicht zum Warenkorb für die Express-Abholung hinzugefügt werden.
Heißt: Von den 103 in „meinem dm-Markt“ verfügbaren Packungen dmBio-Lebkuchen landet zu beiderseitigem Bedauern leider keine in meiner Abholtüte.
Dazu kommt, dass in den einzelnen dm-Märkten offensichtlich sehr unterschiedlich mit der Express-Abholung umgegangen wird. Die Berliner Stadtfiliale am Verkehrsknotenpunkt hat sichtbar Übung damit und packt ganz offensichtlich mehrere Einkäufe am Tag.
„Mit Sorgfalt gepackt in Ihrem dm-Markt“
An einem Handelsparkstandort in Hessen sah das im Sommer ganz anders aus. Bereits das – damals gültige – Sechs-Stunden-Packversprechen konnte dort nicht so selbstverständlich eingehalten werden, als Entschuldigung für die Verspätung gab’s einen Gutschein per Mail. Und statt in Papiertüten wurde der 10-Kilo-Einkauf offensichtlich recht hektisch in einen nicht mehr benötigten, schwer zu transportierenden Windelkarton geworfen, die spitze Waschgeltube neben die leicht aufreißbare Lebensmittelpackung.
In dieser Kombination ist die Express-Abholung vermutlich eher ein Grund, doch wieder selbst einkaufen zu gehen. Aber, wie gesagt, offensichtlich handelt es sich dabei um filialindividuelle Erlebnisse.
Das Kernversprechen „Mit Sorgfalt gepackt in Ihrem dm-Markt“ sollte die Drogeriemarktkette in jedem Fall einhalten, um sich Wiederbestellungen zu sichern. Meine Berliner Abholtüte in der vergangenen Woche war randvoll perfekt gepackt, schwere Sachen unten, Adventsgebäck für den Sofortverzehr oben.
Vorbild für den Lebensmitteleinzelhandel?
Ob sich dm vorstellen kann, Express-Abholungen auch künftig innerhalb von drei Stunden zu packen, mag das Unternehmen auf Anfrage nicht konkret verraten. (Obwohl der verkürzte Zeitraum noch mal ein sehr viel gewichtigeres Argument für die Nutzung wäre.) Sebastian Bayer von dm sagt, man beobachte u.a. das veränderte Einkaufsverhalten, die Nachfrage der Kund:innen sowie die Kapazitäten der Mitarbeiter:innen in den Märkten und werde die Bereitstellungszeit „gegebenenfalls anpassen.“
Plausibel ist, dass zunächst wieder der Sechs-Stunden-Zeitraum greift, um Mitarbeiter:innen im dieses Jahr schwer kalkulierbaren Vorweihnachtsgeschäft nicht zusätzlichem Druck auszusetzen. Im – je nach Corona-Lage – vermutlich wieder entspannteren Januar kann man dann ja mal weitersehen.
Unterm Strich hat dm mit der Express-Abholung einen Service geschaffen, der für viel Kund:innen tatsächlich eine ganz enorme Einkaufserleichterung sein dürfte – und Vorbild für den Lebensmitteleinzelhandel sein könnte. (Wobei dieser durch Kühlartikel, auf die dm keine Rücksicht nehmen muss, noch einmal eine andere logistische Herausforderung zu bewältigen hat.)
Mehr über die Auswirkungen von Corona auf dm steht in einem zweiten Supermarktblog-Text, der gerade erschienen ist.
Fotos: Supermarktblog
vor allem ist die Abholung im Geschäft für die Zukunft rechtssicher
habe diese Woche mit einemführenden Politiker einer Partei gesprochen, die 2021 an die Regierung will
danach ist durchaus geplant, dass das Pakete an die Haustür liefern massiv eingeschränkt werden soll(Ausnahmen könnte es für alte und behinderte Menschen geben oder für sehr schwere Sachen wie Möbel))
dann müssten alle Pakete entweder in Shops, Stationen oder Hubs abgeholt werden, die in aufgegebenden Geschäften entstehen könnten.
Für lebensmittel/Drogerie macht es Sinn, deshalb Pläne für Abholung in den Geschäften vorzubereiten, wo auch die Kühlkette eingehalten werden kann
Na, da bin ich aber gespannt, wie der führende Politiker das anstellen würde, wenn er denn an die Regierung gelassen wird.
Natürlich ist so eine Online-Steuer geblubber und wird niemals kommen. So eine Steuer lässt sich im Wahlkampf als ‚Amazon-Steuer‘ zur Rettung des deutschen Einzelhandels aber gut verkaufen. Ich weiß zumindest von einer mir nicht sympathischen Partei, die das vorhat. Ist natürlich nonsens und das wissen die auch, dient aber (O-Ton) ‚der Profilsschärfung‘
Da fällt mir nur das eine Trump Meme ein:
„sounds good, doesn’t work“
Auf was genau in diesem Fall soll sich das beziehen?
Ist der Link zu internetworld.de (die Kinderkrankheiten) absichtlich aus dem Google-Cache?
Ja, der war sonst nicht (mehr) verfügbar.
Dann war das aber nur vorübergehend, jetzt ist er problemlos erreichbar.
Stimmt, hab’s umgebaut.