Alnaturas Mehrweg-Initiative mit Pfandwerk und die komplizierte Frage nach der richtigen Verpackung

Alnaturas Mehrweg-Initiative mit Pfandwerk und die komplizierte Frage nach der richtigen Verpackung

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Seit anderthalb Jahren bietet Alnatura seinen Kund:innen Lebensmittel in Mehrweggläsern zum Kauf an. Die Reaktionen sind positiv – aber nicht jeder Artikel ist in Glas automatisch am besten aufgehoben. Das lässt sich am Regal oft gar nicht so leicht erklären.

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Eins hüten Supermärkte für gewöhnlich wie der Herdenhund seine Schafe: den Platz im Regal. Zentimetergenau wird berechnet und prognostiziert, für welche Produkte dort wieviel Raum sein muss, damit die Mengen genau dem entsprechen, was die Kundinnen kaufen wollen – ohne dass das Marktpersonal alle zweieinhalb Stunden für Nachschub sorgen muss.

Insofern ist anzunehmen, dass sich die Darmstädter Bio-Supermarktkette Alnatura das sehr genau überlegt hat, als sie vor knapp anderthalb Jahren die ersten Artikel der neuen Eigenmarke „Pfandwerk“ ins Regal holte: Rote Linsen, Basmati-Reis, Rohrohrzucker, Tomaten-Passata, Ketchup u.a. – allesamt im Mehrwegpfandglas. Damals erklärte man stolz:

„Damit ist Alnatura der erste filialisierte Einzelhändler, der eine große Bandbreite an verschiedenen Lebensmitteln im Pfandglas anbietet.“

Zuvor war ein erster Test mit Nüssen, Nussmusen und Tees scheinbar erfolgreich verlaufen. In der Regel sind die Artikel mit einem zusätzlichen „Mehrweg“-Hinweis überm Preisschild gekennzeichnet. Seit diesem August probiert die Bio-Supermarktkette außerdem in elf Märkten aus, ob Kund:innen auch Zutaten für selbst zusammengestelltes Müsli im Pfandglas kaufen wollen.

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Experiment mit neuer Eigenmarke

Aber die Angelegenheit ist komplizierter als gedacht – vielleicht auch, weil Alnatura sie selbst ein Stück weit komplizierter gemacht hat. Denn anstatt bekannte Produkte der Eigenmarke Alnatura einfach zusätzlich in alternativer Verpackung anzubieten, hat man sich in Hessen dafür entschieden, mit dem Unverpackt-Großhändler Bananeira zu kooperieren, der Pfandwerk als separate Mehrwegmarke im Joghurtglas für die Läden konzipierte.

„Wir bei Alnatura beschäftigen uns fortlaufend mit der Frage nach der richtigen Verpackung für unsere Produkte und versuchen, diese im Sinne der Nachhaltigkeit zu optimieren. Vor zwei Jahren schien uns der richtige Zeitpunkt gekommen, testweise auch eine Mehrweglösung für bestimmte Produkte umzusetzen“,

sagt Holger Quast, Bereichsverantwortlicher Einkauf & Sortiment bei Alnatura, und erklärt den kleinen Eigenmarken-Umweg gleich dazu:

„Unter der neuen Marke ‚Pfandwerk‘, die exklusiv für Alnatura entwickelt worden ist, waren wir in der Gestaltung freier als es sonst möglich gewesen wäre.“

Gleichzeitig sollte die Einführung von Pfandwerk mit Produkten anderer Hersteller flankiert werden: Fairfood Freiburg, Karma Kollektiv und Voelkel lieferten eigene Produkte in Mehrweg zu. Entsprechend stolz wurde die Alternative zu den beliebter werdenden, fürs Markpersonal aber aufwändig zu betreuenden Unverpackt-Stationen auf der Verkaufsfläche beworben.

„Mehrweg ist der bessere Weg“: Promotion-Fläche fürs „Kompetenzsortiment“ bei Alnatura in Berlin; Foto: Supermarktblog

Quast sagt:

„Wir haben von Anfang an versucht, eine gewisse Breite im Sortiment zu schaffen, und auch andere Produkte im Mehrwegpfandglas eingelistet, um die Wahrnehmbarkeit des neuen Angebots zu stärken.“

Mehrweg als „Kompetenzsortiment“

Woher der Platz im Regal gekommen ist, sagt der Sortiments-Chef nicht konkret, verweist aber darauf, dass ohnehin ständig Artikel getauscht würden. Das sei ein alltäglicher Prozess im Lebensmitteleinzelhandel.

„Mit etwas Vorlauf lässt sich so auch eine Marke wie Pfandwerk problemlos neu platzieren.“

Und die Resonanz der Kundschaft auf die Mehrweg-Initiative? Die Mehrweg-Lebensmittel seien für Alnatura derzeit eher ein „Kompetenzsortiment“, sagt Quast:

„Manche Produkte funktionieren sehr gut, andere weniger.“

Das könnte auch daran liegen, dass bislang wegen der geringeren Mengen, die benötigt werden, eine manuelle Abfüllung Standard ist und die Preise im Vergleich zu den herkömmlich verpackten Produkten höher ausfallen. Während Rote Linsen von Alnatura in dünner Plastikfolie zu 3,58 Euro pro Kilo im Regal stehen und die daneben platzierte Alternative von Rapunzel (ebenfalls in Plastik) auf 6,98 Euro kommt, kostet Pfandwerk 7,48 pro Kilo.

Gleichzeitig versucht Alnatura die Akzeptanz der Kundschaft für Bio-Lebensmittel mit zusätzlichem Mehrwert zu testen. Was einerseits löblich ist, weil dadurch Produkte eingelistet wurden, deren Hersteller zum Beispiel ganz bewusst mit integrativen Werkstätten zusammenarbeiten.

Auch das verteuert die Produkte in Mehrweg im Vergleich zu den daneben stehenden zum Teil aber deutlich. Und verfälscht somit die Resonanz der Kund:innen, die einer Pfandlösung potenziell offen gegenüber stünden, aber vom Preisschild das Signal gesendet bekommen: Dafür musst du draufzahlen. Quast entgegnet:

„Wenn Produkte in Inklusionsbetrieben per Handarbeit abgefüllt werden, ist das in der Regel natürlich teurer als bei schnelldrehenden Artikeln der gleichen Kategorie. Ich habe aber schon die Hoffnung, dass – wenn die Kund:innen das Angebot annehmen – auch die Mengen wachsen und wir dann noch bessere Preise für Lebensmittel im Pfandglas realisieren können.“

Glas ist nicht immer die beste Lösung

Bei Alnatura steht man einer Ausweitung der in Mehrwegbehältern verpackten Lebensmittel grundsätzlich positiv gegenüber:

„Bei Produkten, die es heute im Einwegglas gibt, ergibt es Sinn, künftig verstärkt auf Mehrweg zu setzen, insbesondere bei klassischen Konservenprodukten wie Mais, Kichererbsen oder Bohnen.“

Genau das versucht die Biomarktkette gerade schon: Seit Anfang November gibt es Mais im 500-Gramm-Mehrwegglas zu kaufen – erstmals unter der Eigenmarke Alnatura. Auch hier wird zunächst die Akzeptanz der Kund:innen getestet, die sich ein Stück weit umgewöhnen müssen.

Mais gibt’s bei Alnatura jetzt auch unter der Eigenmarke im Pfandglas; Foto: Supermarktblog

Auf lange Sicht wäre es aber auch seltsam, im Konservenregal weiter dieselben Produkte im energieintensiver herzustellenden Einweg- statt im ressourcenschonenderen Mehrwegglas stehen zu haben – einmal mit Pfand, einmal ohne.

Quast sagt aber auch:

„Wir müssen glaube ich aufpassen, dass wir jetzt nicht blind sämtliche Lebensmittel in Mehrweggläser packen.“

Denn selbst wenn sich Kund:innen beim Einkauf verständlicherweise nach einfachen Regeln sehnen: nicht alles, was in Glas verpackt wird, ist dadurch automatisch umweltschonender, wenn man die komplette Ökobilanz des Herstellungs- und Transportprozesses einbezieht.

Die aktuelle Studie des Forschungsprojekts Innoredux vom Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) und dem Institut für Energie- und Umweltforschung (Ifeu) legt nahe, dass manche Produkte in dünner Plastikverpackung oder Einwegverbundkartons besser aufgehoben sind (siehe Supermarktblog). Das ist natürlich auch beim Innoredux-Praxispartner Alnatura registriert worden.

Manche Produkte wurden wieder ausgelistet

Auch deshalb plädiert Quast für einen vielfältigen Verpackungs-Mix:

„Extrem dünne Plastikfolien als Verpackung sind – schon aus Gründen des Produktschutzes – deutlich nachhaltiger als es manchen Kund:innen bewusst sein mag. Wir bieten [ihnen] an, guten Gewissens in einem unserer Super-Natur-Märkte einkaufen zu gehen, weil sich das Unternehmen Alnatura zuvor grundlegend mit der Frage beschäftigt hat, welches die beste und nachhaltigste Verpackung für jedes Produkt ist, das dort verkauft wird.“

Das bedeutet im Umkehrschluss aber nicht, dass die Kundschaft das auch immer so annimmt. Vor einiger Zeit testete Alnatura, Tomatensauce der eigenen Marke vom Einwegglas in den – für dieses Produkt – nachhaltigeren Verbundkarton zu füllen.

„Am Ende des Tages mussten wir aber einsehen: Die Kund:innen haben es nicht angenommen. Das heißt nicht, dass ihnen Nachhaltigkeit nicht wichtig gewesen wäre. Vielleicht haben viele einfach die Wiederverschließbarkeit der Glasflaschen geschätzt. Solche Nuancen müssen immer berücksichtigt werden, wenn man Verpackungen verändert.“

Zumal am Regal in der Regel kein Platz ist, um komplexe Verpackungsabwägungen zu erklären – weil die Kund:innen beim Einkauf mit anderen Dingen beschäftigt sind als lange Erklärteste zu lesen.

Und was verändert sich jetzt hinsichtlich des Angebots von Lebensmitteln in Mehrwegverpackungen bei Alnatura?

„Es ist gut möglich, dass Produkte, die es derzeit im Pfandglas gibt, künftig wieder in anderer Verpackung erhältlich sein werden – wenn uns neue Erkenntnisse darüber vorliegen, welches wirklich die nachhaltigste Lösung ist“,

sagt Quast. Tatsächlich gibt es Quinoa, Buchweizen, Puderzucker, Rohrohrzucker und gefriergetrocknete Himbeeren inzwischen nicht mehr unter der Marke Pfandwerk bei Alnatura zu kaufen. Das demonstriert ganz gut, wie sehr die Suche nach der richtigen Verpackung für Lebensmittel einem andauernden Prozess gleicht.

Mehr Mehrweg? Macht mal!

Gleichzeitig glaubt Quast aber daran, dass es auch in Zukunft um die 30 Pfandwerk-Artikel im Alnatura-Sortiment geben könnte – und die Gläser so schnell nicht mehr aus den Läden verschwinden werden. Im Gegenteil:

„Mehrweg wird sich als Verpackungsform im Supermarkt weiter etablieren. Das dürfte sicher nicht 80 Prozent des Sortiments umfassen. Aber die Lösung wird künftig an deutlich mehr Stellen im Regal auftauchen. Das gilt höchstwahrscheinlich auch für etablierte Marken im Naturkostfachhandel.“

Er sei davon überzeugt, dass Marken wie Pfandwerk, Heyho und Fairfood Freiburg ein Stück weit der Katalysator für diese Entwicklung gewesen sind.

„Darüber sind wir froh, weil das zu einer Bewusstseinsbildung bei den Kund:innen beiträgt.“

Auch wenn es denen während des Lebensmitteleinkaufs vorm Regal manchmal arg schwer fällt, zwischen Preisbereitschaft und Nachhaltigkeitsbemühen abzuwägen, noch dazu, wenn man gerade keine aktuelle Ökobilanz zur Hand hat.

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