Siegeszug der Selbstbedienung: Wie Rewe beim „deli am Markt“ auf den Personalmangel reagiert

Siegeszug der Selbstbedienung: Wie Rewe beim „deli am Markt“ auf den Personalmangel reagiert

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In Berlin-Mitte müssen Rewe-Kund:innen ihren warmen Supermarkt-Mittagssnack neuerdings selbst aus der Auslage zangeln: in der neuen „deli Hotbar“. Mit der testet die Handelskette offensichtlich eine Alternative zum bisherigen Bedienkonzept, für das inzwischen vielerorts die Mitarbeiter:innen fehlen.

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Sei unser Gast im deli am Markt!“, begrüßt Rewe die Kund:innen ausgewählter Supermärkte, in denen seit 2017 das Überbleibsel ehemaliger Handelsgastronomie-Ambitonen der Gruppe eingezogen ist: eine Theke für Pausen- und Mittagssnacks, die ohne großen Aufwand zubereitet und mitgenommen werden können.

Hier im Blog ist das „deli am Markt“ in der Vergangenheit bereits reichlich geschmäht worden: als „Thekentempel mit Bockwurstzwinger“, an dem „Fleischtürme in metallenen Warmhaltewannen zu Kampfpreisen“ angeboten werden, die jeden Imbiss in der näheren Umgebung platt machen.

Doch die tendenziell einseitige Positionierung als Anlaufstelle für Frische- und Gemüseallergiker – also das Gegenteil dessen, was Rewe sonst in der Selbstdarstellung gern nach vorn sortiert – ist Absicht. Speisekarte und Abläufe sollten überschaubar bleiben, um von möglichst vielen Mitarbeiter:innen auch ohne Gastronomieerfahrung in die Auslage verfrachtet werden zu können: aufwärmen, fertig!

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Nicht zuletzt zielte das „deli am Markt“ trotz seines schicken Namens von Anfang an vor allem auf den deutschen Durchschnittshunger. (Warum Rewe es dann nicht einfach „Imbiss am Markt“ gerauft hat, bleibt auf ewig ein Geheimnis.)

Erst aufbacken, dann aufwärmen

Clever war das Konzept aber vor allem, weil es die Speisenaufwärmung mit dem Aufbacken der zahlreichen Backwaren verband, die direkt neben der deli-Theke im anschließenden Brötchenknast landen: So ließen sich zwei zentrale Zuständigkeiten im Markt miteinander verbinden. Dennoch weist Rewe bundesweit bislang gerade einmal 124 Filialen als „teilnehmende Märkte“ mit deli-Theke aus – obwohl es für einige Zeit so schien, als gehöre das „deli am Markt“ zumindest bei Neueröffnungen in Stadtlagen zum Standard.

Nun haben (alle) Supermärkte aber bereits seit längerem das Problem, überhaupt noch Personal für ihre zahlreichen Märkte zu finden, was sich vielerorts auch auf die Besetzung der klassischen Bedientheken (Käse, Fleisch und Wurst, Fisch) auswirkte (siehe dazu dieser ausführliche Supermarktblog-Text). Davon ist freilich auch der bzw. das „deli am Markt“ nicht verschont geblieben.

„Werte Gäste, der Deli am Markt ist (…) bis auf Weiteres geschlossen“,

informierten Hinweisschilder zuletzt in manchen Märkten die erstaunte Kundschaft, die auf Nachfrage mitgeteilt bekam, dass es schlicht und einfach zu wenig Mitarbeitende gebe, um die Theke wie gewohnt geöffnet zu halten.

Mancherorts fehlt Rewe (vorübergehend) das Personal für den deli-Betrieb; Foto: Smb

Eine Theke für alle(s)

In dem von mir häufiger frequentierten Rewe-Markt scheint sich die Situation danach wieder etwas entspannt zu haben, das „deli“ ließ sich wieder besetzen – wenn auch nur zu eignen, vom Markt unabhängigen Öffnungszeiten am Vormittag.

Was hauptsächlich deshalb erfreulich war, weil man dort gemerkt hat, dass sich nicht nur die üblichen Fleischberge verkaufen lassen, sondern auch belegte Brötchen für Vegetarier:innen oder Veganer:innen (Revolution!).

Das Potenzial des Konzepts ist noch deutlich größer: Man muss bloß imaginieren, was alles möglich wäre, würde Rewe die Theken als Empfangstresen für ganz unterschiedliche Service-Dienstleistungen nutzen, die ohnehin im Markt angeboten werden: Snack-Verkauf + Schnellkasse für Salatbar-Nutzer:innen + Paketabholung + Wassersprudelzylinderaustausch + Gutscheinerwerb – all das, was an der regulären Kasse sonst wahnsinnig nervt und aufhält und an der SB-Kasse nicht möglich ist.

Aber ganz so weit reicht die Fantasie in Köln derzeit nicht. Stattdessen scheint man die gegenteilige Richtung einschlagen zu wollen.

Pancakes und Chicken Wings zum Selbstabwiegen

Vor dem Markt unter ihrer Hauptstadtrepräsentanz in Berlin-Mitte versucht die Handelskette Kund:innen neuerdings mit einem angepassten Format zu locken – der „deli Hotbar“:

„Jetzt neu! Einfach selbst auswählen, mitnehmen und genießen.“

Rewe bewirbt die „deli Hotbar“ direkt vor der Nase des örtlichen Sushi-Konzessionärs; Foto: Smb

Ganz hintern im Markt ist die frühere Bedien-Fleischtheke dafür ohne weitere Designanpassung zu einem Selbstbedienungstresen umgebaut worden, aus dem sich die „deli amMarkt“-Klassiker – mit einigen Neuzugängen – nun selbst rauszangeln lassen:

Putenschnitzel, Mini-Haxen, Bratkartoffeln mit Speck, Kartoffelgratin, Karotten „Rustika“ (huch!), Chicken Nuggets oder Chicken Wings, Jägerschnitzel, Kartoffeltaschen mit Frischkäse, American Pancakes und „Omelette“. Die ganze „deli Hotbar“ ist ein einziger thekengewordener Schnellgar- und Fritteusenarbeitsnachweis.

Auf der nebendran positionierten Waage muss anschließend das Gewicht für die Kasse ermittelt werden. Die Kampfpreistaktik des Originals ist geblieben: „Jeder heiße Snack 1,59 € pro 100 g“, steht auf den Schildern.

Von Pizza und Birger, wie sie an Einzelstandorten (z.B. im Rewe Center im hessischen Rodgau) getestet wurden, ist das meilenweit entfernt; und bisherige Mittagsgerichte wie Pasta und Suppe sind für die „deli Hotbar“ unbrauchbar.

Das können wir doch einschweißen!

Dafür hat man eine Lösung gefunden, um weiter belegte Brötchen anbieten zu können: indem bleiche Käse- und Schinkenbaguettes auf Einweg-Tabletts einzeln eingeschweißt und mit „Frisch selbstgemacht“-Aufkleber verziert daneben gelegt werden, um gemeinsam mit den ebenfalls eingeschweißten Käseschinkenbrötchen jegliche Ernsthaftigkeit der Handelskette zu eliminieren, sich bei Obst und Gemüse gegen unnötige Plastikfolierung zu stemmen.

Belegte Baguettes, frisch in Plastik einpoliert; Foto: Smb

All das eliminiert aber den Zwang, dauerhaft Mitarbeitende hinter die zusätzliche deli-Kasse zu setzen – und die verbliebene Restnotwendigkeit, Rewe in Sachen Handelsgastronomie ernst nehmen zu müssen, praktischerweise gleich mit.

Ob man vorhat, die Heiße Selbstbedientheke auch in andere Märkte zu bauen, ist bislang unklar; und sagen wir mal so: Thekenkonzepte sind jetzt auch nicht unbedingt die Stärke der Kölner:innen, wie der Vorzeige-Penny in Berlin-Mitte direkt daneben (siehe Supermarktblog) demonstriert, wo die Salatbar im Eingangsbereich inzwischen der Lagerung verpackter Nüsse und Trockenfrüchte dient.

Es war einmal: eine Salatbar im Discounter; Foto: Smb

Am schönsten ist aber ohnehin, was die Rewe-Betriebsärztin neulich den Mitarbeiter:innen der Gruppe im Rewe-Magazin „One“ riet für die Verpflegung während der Arbeit riet: Vor allem an heißen Tagen empfehle sich

„leichte Kost wie Gemüse und Salat. Essen Sie in der Mittagspause lieber keinen Burger, der schwer im Magen liegt und müde macht. Eine ballaststoffreiche Ernährung hingegen hilft, sich agiler und (…) arbeitsfähiger zu fühlen.“

Oder, anders gesagt: mittags besser nicht zum „deli am Markt“. Aber, psst! Nicht, dass das jemand den Kund:innen verrät.

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4 Kommentare
  • „Ob man vorhat, die Heiße Selbstbedientheke auch in andere Märkte zu bauen, ist bislang unklar“

    Berlin ist jedenfalls nicht die einzige Stadt, in der man das testet. Der Rewe am Rosenkavalierplatz in München hat auch so eine (zumindest abends) wenig appetitlich aussehende heiße Theke.

  • Hat nicht der vor einiger Zeit umgebaute REWE-Markt im „Schloss-Strassen-Center“ auch so eine Selbst(z)angeltheke? Zumindest direkt nach dem Umbau gab es die, und da gab’s durchaus auch Suppe – zum Selber-Rausschöpfen in ein verschließbares Bechergefäß.

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