Mit wenig gibt sich Deutschlands bekanntestes Discount-Zwillingspärchen so viel Mühe wie beim Verwirrspiel seiner Bio-Eigenmarken, die kontinuierlich optimiert, getauscht und verändert werden, bis wirklich niemand mehr durchblickt beim „Bio-Händler Nr.1“ (Eigenauskunft von Aldi Süd mit längerem Sternchentext).
Als kleinen Service fasse ich das gerne wieder für Sie zusammen:
- Im September 2019 bestätigen Aldi Nord und Süd, ihre bis dahin separat geführten Bio-Eigenmarken „Gut Bio“ und „bio“ zur neu gestalteten Marke „Gut Bio“ zusammenzuführen und deutschlandweit einheitlich zu verkaufen (siehe Supermarktblog).
- Zuvor hatte Aldi die Lizenz erworben, Bio-Produkte auch unter der Traditionsmarke „Schneekoppe“ vertreiben zu können, ohne den Kund:innen allerdings zu erklären, worin der Unterschied zum restlichen Bio-Sortiment besteht (siehe Supermarktblog).
- Im Juni 2023 wagt Aldi Süd den Alleingang und startet die Besser-Bio-Marke „Nur Nur Natur“, die konzeptionell an das Hofer-Original „Zurück zum Ursprung“ angelehnt ist, für die Zertifizierung allerdings vorrangig auf die Kriterien des Verbandspartners Naturland zurückgreift (siehe Supermarktblog). Seit kurzem wird „Nur Nur Natur“ relauncht (siehe Supermarktblog).
- Von Schneekoppe hat sich Aldi still und leise im Verlauf der vergangenen Monate wieder verabschiedet, die Markenlizenz wird inzwischen von Budni genutzt (siehe Supermarktblog).
- Bei Aldi Nord gibt es nun ausschließlich „Gut Bio“-Artikel zu kaufen, aber keine der Süd-Exklusivmarke „Nur Nur Natur“. Einige „Gut Bio“-Artikel sind inzwischen aber ebenfalls Naturland-zertifiziert, auch bei Aldi Süd.
Können Sie dem folgen? Hervorragend, denn der nächste Strategiewechsel kündigt sich bereits an.
Zeitgemäßer und weniger bunt
Offizielle Mitteilungen gibt es dazu bislang keine; aber einiges deutet darauf hin, dass Aldi sich künftig für sein Bio-Basissortiment wieder auf die simplere Eigenmarke „bio“ konzentrieren könnte. Bereits im Januar hatte Aldi Nord Markenschutz für ein entsprechendes Markenlogo beantragt, in dem nur noch die klein geschriebenen Buchstaben (ohne „Gut“ davor) stehen. Der darunter angedeutete Pfeil ist zu einem blätterbewachsenen Ästchen geworden.
Bei Aldi Süd gab es zuletzt bereits Paprika (Naturland-zertifiziert) mit dem neuen Markenlogo zu kaufen, sowie Bio-Birnen (EU-Bio) mit neuem Logo auf der Folie und altem auf der Kartonage.
Allzu viele Rückschlüsse auf die tatsächliche Umsetzung erlauben diese Artikel noch nicht; sie legen aber nahe, dass das Aldi-Basis-Bio künftig deutlich weniger verspielt als bisher daherkommen könnte. Die Paprika-Hülle ist schlicht, das Design mit dunkelgrüner Schrift auf hellgrünem Untergrund sehr zurückgenommen und deutlich unbunter als bisher.
Am Regal sind die Artikel nach wie vor als „Gut Bio“-Ware ausgezeichnet; und auf den Verpackungen wird weiterhin auf „mehr Informationen“ unter aldi-sued.de/gutbio und aldi-nord.de/gutbio verwiesen. Dies könnte allerdings auch dem Umstand geschuldet sein, dass sich die Umstellung noch eine Zeit ziehen wird.
Schlichtere Ergänzung zu „Nur Nur Natur“
Ein möglicher Eigenmarken-Relaunch wäre durchaus konsequent, um dem zunehmend wichtiger werdenden Bio-Basissortiment einen seriöseren Anstrich zu geben. Für Aldi Süd ergäbe sich der zusätzliche Vorteil, dass ein zurückgenommenes „bio“ sich auch optisch besser von der gerade auffälliger relaunchten Bio-Zweitmarke „Nur Nur Natur“ abheben würde.
Ein schlichteres „bio“-Eigenmarkenlogo kommt bereits bei einigen Artikeln der Aldi-Submarke „Mamia bio“ zum Einsatz, unter der es Babynahrung in Bioqualität zu kaufen gibt.
Als Zeichen für eine endlich konsistente Eigenmarkenführung im Bio-Sortiment sollte man das aber nicht automatisch verstehen. Denn bei der erst jüngst gemeinsam von Nord und Süd neu gestalteten Vegan-Eigenmarke „My Vay“ (in der u.a. Produkte von „Mein Veggie-Tag“ aufgehen) geht Aldi einen anderen Weg und setzt bei ökologisch erzeugten veganen Artikeln ein separates „BiO“ hinters aufgefrischte Eigenmarkenlogo.
Kann sein, dass das Kund:innen, für die Bio allenfalls „‚nice-to-have‘, aber kein Muss ist“ (wie sie das Institut für Handelsforschung in einer aktuellen Studie als vorrangig den Discount besuchend identifiziert hat), ohnehin kaum auffällt. Für ein Unternehmen, das sich selbst zu den „größten Bio-Händlern in Deutschland“ zählt, ist dieser Eigenmarken-Schlingerkurs allerdings langsam peinlich.
Netto (ohne Hund) fokussiert sich auf „BioBio“
Andererseits ist Aldi bei weitem nicht der einzige Discounter, der mit den bisherigen Entscheidungen zur Bio-Profilierung im klassischen Lebensmitteleinzelhandel hadert: Netto (ohne Hund) schließt sich nahtlos an. Erst vor zwei Jahren hatte der Rivale verkündet, sein Bio-Sortiment mit „Naturkind“ aus dem Edeka-Kosmos erweitern zu wollen: „schrittweise bis zu 80 NATURKIND-Artikel in allen Warenbereichen“ sollten ins Sortiment aufgenommen werden, als „hochwertige Bio-Fachmarkenalternative mit ganzheitlichem Nachhaltigkeitsanspruch“ und einem ganzen Fächer an Verbandssiegeln (Bioland, Naturland, Biopark).
Wobei auch Netto (ohne Hund) es versäumt hat, Kund:innen den grundlegenden Unterschied zur viel bekannteren Eigenmarke „BioBio“ zu erklären (siehe Supermarktblog).
Die ist schon vor längerem wieder stärker in den Vordergrund gerückt (siehe Supermarktblog); im Frühjahr berichtete auch die „Lebensmittel Zeitung“, der Discounter „hadere“ inzwischen mit Naturkind und habe die Zahl der Artikel zurückgefahren. Im Juni schließlich meldete die Handelskette selbst, BioBio weiter aufwerten zu wollen und Artikel künftig auch mit Zertifizierung des Anbauverbands Biokreis zu verkaufen. Dieser hatte sich im Frühjahr als letzter Verband dem klassischen Lebensmitteleinzelhandel geöffnet (Abo-Text). Nun rühmt sich Netto (ohne Hund) stolz, „erster Lebensmitteldiscounter mit zwei Bio-Anbauverband-Partnerschaften“ zu sein.
Die Bio-Zweitmarke scheint dafür ausgedient zu haben. Bisherige Naturkind-Artikel sind inzwischen weitgehend aus dem Netto-(ohne Hund)-Sortiment verschwunden: Naturjoghurts sind – mit Naturland-Zertifizierung – wieder unter BioBio erhältlich, ebenso Dinkelmüsli, Kräuter- und Gewürztee, Dinkelzwieback, Mini-Mozzarella und Schlagsahne.
Nur auf den Fruchtquarks trat das Naturkind-Logo in der von mir besuchten Filiale noch in Erscheinung. Gleichzeitig bekommen die BioBio-Produkte derzeit ein zeitgemäßeres Design verpasst.
Rewe wirbt für „die größte Bio-Eigenmarke“
Die Tendenz im deutschen Lebensmitteleinzelhandel geht also dahin, die selbst gepflanzten Bio-Irrgärten so deutlich zurecht zu stutzen, dass am Ende zumindest etwas mehr Übersicht herrscht.
Und während Edeka voll damit ausgelastet zu sein scheint, seiner Mittelmarke ein paar umsatzstärkende Schnörkel in Herzform anzuhängen (siehe Supermarktblog), freut sich Rewe: Denn in Köln hat man nicht nur die diversen Umwege der Konkurrenten konsequent vermieden, sondern auch schon vor längerem das profilgebende „Rewe Bio“ neu designt.
Auf Plakaten kann die Handelskette deshalb nichts nur für „die größte Bio-Eigenmarke“ werben („über 850 Rewe-Bio-Artikel“ – Edeka kommt laut „LZ“ nur auf 485 „Edeka Bio“-Artikel), sondern verspricht auch „Bio-Tiefpreise am laufenden Band“, die regelmäßig mittels App-Coupon noch um 5 Prozent rabattiert werden).
Hoffentlich kommt damit etwas mehr Klarheit in diesen Bio Markendschungel!
Da blickt doch kein Kunde mehr durch und die Qualitäten zu vergleichen wäre etwas leichter,soweit das überhaupt gewuenscht ist?!?!
Die Handelsmarke spielt doch gar keine Rolle (sofern es nicht gerade wieder Rabatt/Kupons/Appnachlass/… auf Xyz gibt). Per EU-Bio-Logo (mit grober Herkunftsangabe)/Verbandslogos/demeter-Zertifizierung und Zutatendeklaration lassen sich bei Bioprodukten schon viele wichtige Punkte zügig klären.
Ich finde Bio wird grundsätzlich viel zu sehr gehypte. Viele Käufe passieren zufällig und nicht weil die Kunden unbedingt Bio wollen. Zum anderen haben es viele Bio-Produkte aus meiner Sicht gar nicht verdient als Bio bezeichnet zu werden, da alle Vorteile die im Anbau erreicht werden durch lange Transportwege wieder zunichte gemacht werden. Daher gehe ich lieber auf den Wochenmarkt wenn ich Wert auf Herkunft UND Anbau lege. Das ist für mich das bessere Bio auch ohne die übertriebenen (zu) strengen Vorgaben der Bio-Verbände.
Ich bin vom Wochenmarkt schon vor 40 Jahren weg, weil die auf den Großmarkt fahren und sich dort ihre Verkaufsbestände holen (Orangen, Bananen, auch Äpfel und Kartoffeln und alles andere). Von wegen Herkunft UND Anbau… Einer von hundert Anbietern auf dem Wochenmarkt verkauft ausschließlich seine eigenen Feldfrüchte. Und wenn, dann sieht man das sofort an der Eintönigkeit, die keine Kunden anlockt…
@erich
Es kommt hier schon auf den Wochenmarkt an, in einer Großstadt unterschreibe ich das sofort – aber hier bei uns in der Kleinstadt mit seinen 7-8 Ständen ist das etwas anders gelagert und die Produkte dann auch wirklich vom entsprechendem Hof/Bauer. Und wer glaubt das Orangen oder Bananen aus eigenem Anbau stammen, dem ist sowieso nicht mehr zu helfen…
Bei Aldi Süd wurde auch nach der GutBio Einführung weiterhin mit dem alten bio-Logo für (Kinder)Bekleidung in Bio-Qualität geworben. Was ich bei Rewe nicht verstehe: Warum wird für Rewe Bio weiterhin das Logo von 2006 („Rewe Big Bang“/Einführung der Marken Rewe und Rewe Bio als Eigenmarke) fast unverändert genutzt? Schließlich hat man an Rewe/Rewe Beste Wahl ständig herumgedreht, erst kürzlich wurde dort wieder die Schriftart und Schreibweise im Logo geändert.
Einfach umwerfend, dieser Artikel. Da rackern wir uns seit 35 Jahren mit unserem Fachmagazin bioPress Tag für Tg ab, und müssen heute erkennen, dass in einem einzigen Block so viel über den Biomarkt gesagt werden kann… Danke für diese Einsichten.
Die Mühen der Lebensmittelkonzerne um Bio zeigen seit 30 Jahren, wie hinter Mehrwert hergehechelt wird. Follow the Money gilt bei elitärem Bio wie sonst auch. Es sollte sich niemand über die Ecken, Schatten und Hinterhalte der Branche wundern. Schließlich sind 16 Milliarden Bio-Umsatz nur eine Etappe. Im Jahr 1999 war die Milliarden € -Grenze gerade erreicht. An dem heutigen Branchen-Chaos ist die gleiche Gier verantwortlich wie im Rest der Welt. Die lautesten Öko-Pioniere sind ebenso von Ego geprägt wie alle anderen Schreihälse. Stille Schaffer dagegen werden ausgegrenzt, nicht ernst genommen und sogar geächtet, weil beim Schaffen eben, wie hier in diesem glanzvollen Artikel, ungeliebte Fakten zutage treten (können).
Obwohl die Solidargemeinschaft ganz oben hin gehängt wird, beklagt die Biobranche fehlende Solidarität und scheint selbst dann keine Fähigkeit zu eben solcher zu entwickeln, wenn die „Pioniere“ um ihrer selbst Willen für gemeinsame Strategien zusammen kommen müssten. Gemeinsamkeit wird aktuell so definiert: Wir sind die Speerspitze, die anderen machen Masse! Diese paralysierte Haltung nutzen Massemacher und setzen ihre Strategien durch: EIgenmarke, Eigenmarke und nochmals Eigenmarke. Da sind die Produzenten und Hersteller nur noch so etwas wie verklavte Werkbänke. Ihre Qualitätsansprüche bleiben auf der Strecke wie die amerikanischen Indianer, die kein Pionier wirklich auslöschen wollte.
Das 30 Prozent Bio-Ziel heißt doch: rund 60 Milliarden € Bioumsatz! Die Naturkostfachbranche ist nicht in der Lage, diese Entwicklung zu moderieren,. Die (Grüne)Politik springt über die Stöckchen, die ihr hingehalten werden oder sie bewegt sich eben gar nicht, wie die letzten 16 Jahre vor der Wende, weg von der CDU. Regte sich in der EU wegen anderer Mehrheitsverhältnisse doch etwas, kommt eine Sekunde vor dem Ziel die Rolle rückwärts. Dafür gibt die Lobby locker Milliarden aus!
Die Macht der Handelskonzentration brechen, das sollte die heimliche Strategie sein. Netzwerken statt Zentralisierung! Die digitalen Techniken waren vor 40 Jahren ein Hoffnungsschimmer für mehr Freiheit, weil zentrale Werkbänke sich in Auflösung befanden/befinden. Dumm nur, dass jede Revolution ihre Kinder frisst.
Setzen wir also besser auf Veränderung, die viel Geduld braucht – und Strategien.
Vielleicht wird die Zukunft wieder echte, natürliche Kreisläufe möglich machen mit dem Boden im MIttelpunkt, ohne Agrochemie, dafür Futter für das lebenswichtige (und fast völlig verdrängte) Biom im Boden als Grundlage für Pflanzenwachstum und die menschliche Gesundheit. Stickstoff verdrängt übrigens den natürlich gebundenen Kohlensoff (CO2) aus dem Boden. Dieser aggresive Klimakiller wird überhaupt icht beachtet!
Synthetischer Stickstoff wird massenweise eingesetzt auch und gerade für die pflanzliche Revolution in unserer propagierten modernen Esskultur, die bisher rund vier Prozent Veganer hervor gebracht hat mit dem Auftrag, die Welt zu retten.
Natur ist OUT. Wissenschaft ist IN. Schließlich müssen wir ja den Mars erobern! Wie soll das gehen nur mit Natur?
Der SchaffErich
Der Marken-Fetisch hat schon irre Züge angenommen (und ich war beruflich selbst lange Zeit mit dem Thema befasst). Natürlich sind Marken essentiell, warum ein Kunde ein bestimmtes Produkt kauft und nicht das andere daneben, aber für einen Markenaufbau braucht es in erster Linie Zeit und Konstanz (nicht das am Bodensee ;-)), Rewe hat’s scheinbar begriffen.
Was aber hier bei den Discountern abgeht, ist vor allem eine Spielwiese für Marketing-Agenturen, die ihre Daseinsberechtigung beweisen müssen, um selbst nicht unterzugehen. „Wo kämen wir denn hin (bzw. wer zahlt meinen nächsten Porsche?), wenn Marken oder ihre Auftritte einfach beständig wären?“ Und der Kunde zahlt’s ja, gerade weil Bio-Produkte (fast) immer teurer sind, da fällt’s nicht so auf! Und die Entscheider schauen nur panisch auf die Marktanteile und glauben den Agenturen, dass die langsamere Umsatzsteigerung nur an der Logo-Farbe liegt. Oder ähnlich.
Ich vermute mal, der Masse der nicht-Bio-religiösen Verbraucher, die einfach gesündere und für die Umwelt bessere Produkte kaufen wollen, die konkrete Marke schlichtweg egal ist; es wird halt gekauft, was gerade in Laden da ist. (Anders gesagt, wegen einem Naturkind-Joghurt fährt wohl nur eine winzige Minderheit nochmal extra zu netto, wenn sie den Rest gerade bei Aldi gekauft hat.)
Kulturell spannend ist aber die hiesige Aversion gegen Farbe beim Bio, wer einmal in den großen Bio-Supermärkten in USA war, wird wissen, was ich meine.
PS: Ich habe gewiss nichts gegen Haferdrinks, aber, wenn ich „My Vay“ lese, wird mir übel! Sowas wird nicht gekauft, Punkt!
Für mich ist BioBio bis heute die einzige Discounter-Biomarke, die mir halbwegs sympathisch ist und nicht schreit „Kumma, wir ham auch Bio, Hauptsache billig!“. Edeka Bio und Rewe Bio laufen so mit, werden kaum besonders präsentiert und die anderen Bio-Eigenmarken wirken auch nicht wirklich geliebt von den Händlern. Zwar ist BioBio auch nicht mehr die Pionier-Marke aus Plus-Zeiten, die für mich wirklich einen ehrlichen Anspruch an gute Bio-Qualität für den Massenmarkt vermittelt hat, sondern geht im allgemeinen Schmuddel-Netto-Chaos unter, der Rest überzeugt aber noch weniger. Dass Lidl keine Bio-Marke mehr hat, sondern die Bio-Siegel auf die jeweiligen Produkte der Standardmarken klebt, finde ich bis heute misslungen.