Seit knapp zwei Wochen wirbt Edeka und „mit Ohrwurmgarantie“ für seine neu positionierte Mittelmarke „Edeka Herzstücke“: Die Kampagne, für die Jasmin Wagner alias Blümchen ihren 90er-Jahre-Hit „Herz an Herz“ umgetextet hat, ist nicht nur Beleg dafür, wie sehr es der Handelskette jedes mal aufs Neue gelingt, aufmerksamkeitsstark den öffentlichen Raum zu besetzen.
Sondern auch dafür, dass man der Hamburger Zentrale als Werbeagentur problemlos Werbestrategien andrehen kann, die zu null Prozent auf die Kernkompetenzen des Händlers einzahlen – Hauptsache, der YouTube-Hit ist garantiert. (Scheint laut den Kommentaren unter diesem Video wieder zu klappen.)
Die Edeka-Variante des Blümchen-Klassikers lässt jedenfalls (trotz vieler origineller Einfälle) gleich zwei zentrale Fragen unbeantwortet: Wozu der ganze Aufwand mit „der neuen Eigenmarke“? Und: Was haben eigentlich die Kund:innen davon?
Qualität, wunderbar, Edeka
Per Pressemitteilung verspricht der Edeka-Vorstandsvorsitzende Markus Mosa lediglich, die Herzstücke seien „sorgfältig ausgewählte Artikel, die es verdient haben, unser gelbes Herz zu tragen“ und die „für echte Qualitätsvorteile zu vergleichbaren Markenartikeln“ stünden. Der Song inklusive des dazugehörigen TV-Spots würde „die Qualität, den Genuss und das vielfältige Angebot der neuen Eigenmarke in den Fokus“ rücken und vermitteln, „warum die EDEKA Herzstücke so besonders sind“. Aber dafür braucht man schon reichlich Fantasie.

Die zentralen Botschaften aus dem umgetexteten Wagner-Song lauten:
- „Herz an Herz im Regal / Schmeckt total phänomenal.”
- “Herz an Herz-Stück, das schmeckt / Dass man sich die Finger leckt / Jeder Biss ein Genuss / Herz an Herz.”
- „Herz an Herz geht mir auf / Wenn ich mir ein Herzstück kauf.”
- Und: „Qualität, wunderbar, Edeka.”
Mit keinem einzigen Wort geht Edeka in seiner Kampagne konkret darauf ein, was die Produkte besonders macht – und überlässt das (zumindest teilweise) der Redaktion des Kund:innenmagazins „Mit Liebe“, die mit Camembert-Cremigkeit, Farfalle-Bronzefertigung und Chips-Kesselröstung im aktuellen Heft aber auch eher die Klassiker der Produktdifferenzierung abfrühstückt.
(Immerhin mit dem sehr viel passenderen Claim: „Die Edeka-Eigenmarke heißt jetzt Edeka Herzstücke, denn Vielfalt und besonders gute Zutaten liegen uns am Herzen.“)
Mehr Schoki auf den Keksen?
Wurde im Zuge der Umstellung nochmal an den Rezepturen der Produkte gefeilt? Ist jetzt mehr Schokolade auf den Keksen; ein höherer Fruchtanteil im Saft; mehr Gummi im Bärchen? Oder ist bloß – wie sich vermuten lässt – die Verpackung neu?
In erster Linie dürfte es Edeka eher nicht darum gehen, mit den Herzstücken noch bessere Produkte abzuliefern; Ziel der Initiative ist es, die eigenen Margen nachhaltig abzusichern. Genau in diesem Ansinnen ist der neue Markenauftritt schließlich entwickelt worden, wie die „Lebensmittel Zeitung“ bereits vor einigen Monaten berichtete.
2023 sei Edeka zwar stark mit Eigenmarken gewachsen – das lag aber vor allem an den „Gut & Günstig“-Artikeln, die im Preiseinstieg positioniert sind. Und deren Vielfalt zuletzt nützlich war, um kaufvorsichtiger gewordenen Kund:innen zu versprechen: „In jedem Edeka steckt ein Discounter“ (siehe Supermarktblog).

Das scheint besser funktioniert zu haben, als es so manchem im Edeka-Reich lieb gewesen sein muss: „Im vergangenen Jahr blieb der prozentuale Absatz-Zuwachs der mittleren Eigenmarke ‚Edeka‘ Insidern zufolge mit rund 5 Prozentpunkten deutlich hinter den Zuwächsen des Labels ‚Gut & Günstig‘ zurück, das um mindestens 15 Prozent zulegte – nach einem bereits sehr starken Vorjahr“, schrieb die „LZ“. Das bereite den Kaufleuten Sorge, weil man dann niedrigere Spannen erziele: „Der Druck auf die Margen sei gestiegen.“
Die neu positionierte Mittelmarke soll helfen, diesen Trend umzukehren.
Wachsende Austauschbarkeit der Eigenmarken
Wie austauschbar Discountpreis- und Mittelmarke mittlerweile geworden sind, zeigte sich auch, als Edeka (ebenso wie Rewe) Produkte, die bislang unter der Mittelmarke zu kaufen waren, in Zeiten hoher Inflation kurzerhand in den Preiseinstieg verschob, um sich als möglichst attraktive Alternative zu Aldi und Lidl zu positionieren (siehe Supermarktblog).
Nun folgt die Umkehr: Nach Supermarktblog-Informationen werden im Zuge der Herzstücke-Einführung zahlreiche Produkte, die es bislang unter Gut & Günstig zu kaufen gab, auf die neue Mittelmarke umgestellt. Das gilt u.a. für:
- Gut & Günstig Geflügelsalami
- Gut & Günstig Halloumi
- Gut & Günstig Käsekuchen
- Gut & Günstig Käse-Brownie-Kuchen
- Gut & Günstig Streuselkuchen
- Gut & Günstig Distelöl
- Gut & Günstig Tomatensaft
- Gut & Günstig Karottensaft mit Honig
- Gut & Günstig Kesselchips Sweet Chili
- Gut & Günstig Kesselchips Salt Vinegar
… (und vermutlich einige mehr), die nun allesamt als Edeka Herzstücke zu kaufen sind bzw. gerade getauscht werden.
Teilweise liegen die Produkte übergangsweise in der alten und neuen Variante nebeneinander im Regal.

Teilweise sind die neuen Herzstücke auf den Preisschildern auch noch als Gut & Günstig ausgewiesen.



Kein Kommentar zum Gut-&-Günstig-Transfer
Die Preise sind – derzeit noch – dieselben wie vorher. Möglicherweise will Edeka die neue Marke mit den Transfers generell stärken; ausgeschlossen ist aber auch nicht, dass im Laufe der kommenden Monate einzelne Preise angehoben werden, um den eigenen Kaufleuten bessere Margen zu ermöglichen und so ein Stück weit aus der Gut-&-Günstig-Falle heraus zu rücken.
Auf die Frage, für wieviele Artikel die Umstellung von Gut & Günstig auf Edeka Herzstücke vorgesehen ist, geht die Edeka-Pressestelle auf Supermarktblog-Anfrage mit keinem Wort ein und wiederholt lediglich die Ankündigung, es solle künftig etwa 1.000 Herzstücke-Produkte zu kaufen geben. (Im Edeka-Unternehmensbericht für 2023 war zuletzt von „rund 2.500 Artikeln der Differenzierungsmarke EDEKA“ die Rede gewesen – wahrscheinlich Submarken wie „Edeka zuhause“ eingerechnet; wie diese Diskrepanz zustande kommt, lässt Edeka aber ebenfalls offen.)
Es zeichnet sich allerdings ab, dass auch bisherige Submarken der klassischen Edeka-Mittelmarke (Edeka Fruchtliebe, Edeka Originale) in den Herzstücken aufgehen. Ob das für sämtliche Submarken gelten soll, beantwortet Edeka nicht.

Die Zahl der unter Gut & Günstig vertriebenen Produkte hatte man in Hamburg zuletzt mit 2.700 angegeben.
Abschied vom Individualdesign
Mit der Neueinführung scheint es Edeka in erster Linie um eine Neuordnung des bestehenden Markenportfolios zu gehen, zwischen dem einzelne Produkte nach Belieben verschoben werden können.
Auffällig ist darüber hinaus (wie hier im Blog bereits ausführlich beschrieben), dass Edeka für Herzstücke das über viele Jahre etablierte Individualdesign seiner Mittelmarken-Produkte aufgibt, die nun auf eine weitgehend einheitliche Gestaltung setzen: Produktbezeichnungen und Zusatzerläuterungen stehen in gleicher Schrift etikettenartig unter oder neben dem einnehmenden Herzstücke-Logo.

Lediglich die Zahl der dafür benötigten Zeilen und die für die Produktbezeichnungen eingesetzten Schriftarten variieren in Einzelfällen (und sind mit unterschiedlich eingesetzter Fettung nicht sonderlich konsistent).
Bei länderspezifischen Produkten ist zudem die entsprechende Kennzeichnung („Hergestellt in Frankreich“) nach ganz unten gerückt.

Damit vollzieht Edeka interessanterweise eine Kehrtwende, die auch Rivale Rewe derzeit mit seinem Eigenmarken-Design durchläuft.
Auch Rewe vereinheitlicht „Beste Wahl“
Vor sechs Jahren war man in Köln noch dem Trend vieler europäischer Supermarktketten gefolgt, die sich bei ihren Mittelmarken ebenfalls vom Einheitsdesign verabschiedet hatten (siehe Supermarktblog von 2018). Seit einiger Zeit ist die Umkehr dieser Strategie im Gange. Warengruppe für Warengruppe erhält ein neues vereinheitlichtes „Rewe Beste Wahl“-Design, das wieder weniger verspielt wirkt als die Vorgängervariante und auf Produktbezeichnungen in einheitlicher Schriftart setzt, die in einer Art Sprechblase gesetzt sind. Lediglich die dabei verwendeten Farben variieren.
Bereits vor längerem wurden Artikel der Submarke Rewe Beste Wahl Vegan entsprechend gestaltet; derzeit erfolgt die Umstellung offensichtlich für Teigwaren und ist bei Säften quasi abgeschlossen. Auch das Logo wird geringfügig angepasst und ist nicht mehr in Großbuchstaben gesetzt.



(Rewe-to-go-Artikel erhalten momentan ebenfalls einen Rebrush inklusive leicht verändertem Logo.)
Die Handelsketten dürften sich davon eine leichtere Erkennbarkeit im Regal versprechen. Die Redesigns lassen sich aber auch als Folge davon deuten, dass die Eigenmarken der Supermärkte in den vergangenen Jahren stetig an Glaubwürdigkeit gewonnen haben – und vor allem von jüngeren Kund:innen inzwischen qualitativ als nahezu gleichwertig mit klassischen Herstellermarken begriffen werden.
Oder um’s mit Blümchen zu sagen, die das in diesem Fall dann doch ganz treffend auf den Punkt zu bringen weiß: “Qualität, wunderbar, Edeka.“
Falls Ihnen weitere Produktverschiebungen von Gut & Günstig zu Herzstücke aufgefallen sind, teilen Sie die doch mit uns in den Kommentaren!
Vielen Dank an Alex, Johannes und Jonas für Hinweise und Bilder!
Mein Foto, mit dem ich eigentlich beim Supermarktblog nachfragen wollte, datiert vom letzten Samstag. Dort sind mir im Kühlregal die Herzstück Mini-Frühlingsrollen neben den GG Frühlingsrollen aufgefallen. Im Anschluss habe ich dann noch mehr „Herzstücke“ entdeckt. Und mich wieder mal gefragt, was das wieder soll …? Zeigt auch: Die Kampagne ist völlig an mir vorüber gegangen, weil kein TV, kein Radio und YT mit ad Blocker…
Oder werden doch unter der Hand das eine oder andere Rezept gleich mit „verbessert“ (für Edeka)? Dass der Herzstücke-Streuselkuchen nicht mit Sahnehäubchen geliefert wird, ist schon klar, aber von den „18% Butter“ ist auch keine Rede mehr, und Butter ist sehr teuer geworden… Zimt zwar meines Wissens nicht, aber warum wurden die Zimtsterne zu Nusssternen? Als Kunde werde ich da echt misstrauisch, zumal ja auch (schon vor längerem) z.B. die Gut&Günstig-Buttermilchdessert-Rezeptur deutlich verschlechtert wurde, Sahne wurde durch Verdickungsmittel ersetzt und damit aus einem ehemals leckerem Milchprodukt ein ekliger Schleim.
Ansonsten sind mir als Kunde sowohl bei der Rewe- als auch bei Edeka-Pasta das Italienische beim Redesign verloren gegangen, da würde ich spontan eher zur original-italienischen Marke greifen. Dafür gefällt mir, vom Rewe-Saft nicht mehr optisch angeschrien zu werden, da hat er doch wieder eine Kaufchance bekommen. Ist alles nicht einfach!
Die Zimtsterne wurden nicht zu Nusssternen. Beide gab’s schon vorher, hier lagen die ähnlichen Verpackungen wahrscheinlich einfach nebeneinander, wodurch es auffiel. Nusssterne verzichten ganz auf Zimt – vorher wie nachher.
Es wurden sehr viele Artikel auf Herzstücke umgeflaggt, alle mir bekannten Produkte ohne Rezepturänderung / -verbesserung. Auch die meines alten Arbeitgebers.
Die Werbung mit Blümchen soll positiv assoziieren, ich muß zugeben daß dies der Edeka auch bei mir gelungen ist.
Habe bei meinem Edeka das Saftregal aus der Werbung aufgesucht, aber keine Herzstücke gefunden. Dort stehen ausnahmslos alle Sorten noch unter „Fruchtliebe“ im Regal 😉
Das Logo mit dem gelben Herz im blauen Feld und darunter Edeka Schrift in Weiß, das ist doch genug eigentlich – hier dann noch drunter „Herzstücke“ zu schreiben finde ich doppelt gemobbelt, Herz in Logo und Schrift herauszustellen nimmt ja auch einiges an Platz weg auf dem Produkt.
Vielleicht will man von gut und günstig weg, weil man denkt das klingt zu billig. Aber vielleicht ist es auch ganz anders und ein neuer PR-Mensch oder -Team wollte sich einfach nur profilieren oder man denkt man müssen dem Kunden mal wieder alten Wein in neuen Schläuchen präsentieren, damit (wieder) mehr verkauft wird.
Die Herzstücke-Verpackung sieht optisch sehr viel besser aus und wird auch zum
Kauf führen obwohl der Inhalt sich nicht verbessert hat.
Ich versuche den Kauf zu vermeiden, weil ich vorher auch keine Gut.-und Günstig-
Produkte gekauft habe.
Ich esse das was mir schmeckt!
Mir scheint „vereinheitlichen“ dient der Verschlankung. Wie im Sortiment, werden auch im EDEKA HQ Units zusammengezogen und Distribution synergiert. Mit dem Aufgehen der G&G Preiseinstiegmarke in den Herzstück-Topf wird es für preisbewusste Kunden undurchsichtiger Schnäppchen zu jagen.
Dem Handel werden damit verschleierte fettere Margen ermöglicht.
Es gibt keinerlei Hinweis darauf, dass Gut & Günstig in der neuen Mittelmarke „aufgehen“ soll.
gigantischer Vorteil für Edeka
bei vielen GundG Produkten und bekannten Markenartikel weiss der Kunde die Preise relativ genau
bei den Herzstücken kann Edeka den Preis relativ frei innerhalb der Spanne von GundG und Marke festlegen
Gegen eine Vereinheitlichung des Eigenmarkensortiments spricht nichts dagegen. Allerdings ist die Werbung mit Blümchen (alias Jasmin Wagner) dermaßen penetrant und nervig, dass mir die Mühe nicht zu groß aufzustehen und am Radio den Sender zu wechseln. Dance- Musik ist leider nur für einen kleinen Teil der Bevölkerung erträglich – ich gehöre hier nicht dazu. Das war schon in den 90ern für mich ein absolutes NO- GO und heute erst recht.
Eigentlich ist Edeka bekannt für gute und gelungene Werbung, die mit Witz seine Aufmerksamkeit auf die Produkte lenkt. Die Werbung: „Edeka, wir lieben Lebensmittel“ ist für mich ein Beispiel, wie gute und gelungene Werbung aussehen kann, die nicht all zu aufdringlich ist und trotzdem Interesse beim Kunden weckt.
So schreckt mich die Werbung eher ab und Edeka hat mich als Kunden verloren.
Schade – die neue Eigenmarke kann man sicherlich besser bewerben.
Warum hat man den Gut und Günstig Schriftzug der vorher noch recht modern aussah überhaupt überarbeitet? das neue gebogene sieht viel älter und billiger aus.