Auf Wiedersehen, Grüne Wiese: Der Trend geht zum „City“-Markt

Auf Wiedersehen, Grüne Wiese: Der Trend geht zum „City“-Markt

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Es geht eine Erkenntnis um unter europäischen Supermarktbetreibern: Viele Kunden lehnen es ab, samstagmorgens mit dem Geländewagen an den Stadtrand zu fahren und dort in einem Supermarkt einzukaufen, der so riesig ist, dass man Brotkrumen hinter sich ausstreuen muss, um den Weg zurück zu finden.

Oder, anders gesagt: Die Grüne Wiese ist out. Willkommen in der Grauen Stadt!

Da ist meistens kein Platz, um Einkaufscenter hinzubauen. Aus diesem Grund haben die Ketten das „urban convenience store concept“ erfunden. Oder wie wir einfacher gestrickten Leute sagen: den Stadtmarkt. Das Supermarktblog erklärt, was hinter den einzelnen Konzepten steckt.

Rewe City, Deutschland
Kennen Sie das? Gleich ist Feierabend, Sie wollen zuhause noch was kochen, doch – pardauz! – im Kühlschrank ist Ebbe und der nächste Wochenendeinkauf ist noch ein paar Tage hin. Was tun? Rewe hat da eine Spitzenidee: ein „Vertriebskonzept, das den aktuellen gesellschaftlichen Trends optimal gerecht wird“!

Oder wie wir Profis sagen: ein „urban convenience store concept“.

Seit 2009 nennt Rewe kleine Läden in großen Städten „Rewe City“, weil irgendjemand im Unternehmen entdeckt hat, dass die Leute gerne dort einkaufen wollen, wo sie wohnen. (Diese Teufelsmarktforscher wieder!) Das eigentlich Spannende am City-Konzept ist, dass Rewe dafür ganz bewusst auch neue Läden mitten in der Stadt sucht. Im vergangenen Jahr eröffnete eine Filiale direkt am Berliner S-Bahnhof Friedrichstraße. Ansonsten halten sich konzeptionellen Besonderheiten aber in Grenzen.

Rewe sagt: Die City-Märkte haben besonders lange Öffnungszeiten. Aber das haben die normalen Märkte inzwischen auch.
Rewe sagt: In den City-Märkten gibt es ganz viel Frisches zu kaufen: Obst und Gemüse, Käse, Fleisch. Ja, genau wie in den normalen Märkten.
Rewe sagt: Die City-Märkte haben „nur“ 8000 Artikel im Sortiment. Gut, das ist natürlich fatal, auf dem Heimweg nicht schnell noch ein paar aus Nicaragua importierte mandelbesplitterte Einleggurken mitnehmen zu können.

Unterschied zum normalen Rewe: minimal.

Netto City (ohne Hund), Deutschland
Falls Sie schon immer mal wissen wollten, was „fußläufig erreichbare Innenstadtlagen“ sind: So bezeichnet man bei der Edeka-Tochter Netto (ohne Hund) [Erklärlink] die Orte, an denen Netto-(ohne Hund)-Läden betrieben werden, in die das ganze Zeug nicht reingeht, das die normal großen Märkte haben. Bei der Übernahme des Konkurrenten Plus wurden viele kleine Läden geerbt, die eigentlich überhaupt nicht ins Konzept passten. Die nannte man dann kurzerhand „Netto City“. Und schon passten sie.

Offiziell möchte Netto (ohne Hund) das natürlich ebenfalls als innovatives Konzept verstanden wissen, vor allem als „einziges City-Konzept in der Discount-Branche“. Die „Lebensmittelzeitung“ meldete kürzlich aber, dass die City-Filialen nach und nach durch größere ersetzt werden sollen. Also nix mit Zukunft.

Unterschied zum normalen Netto: erhöhte Stapelumfallgefahr.

Carrefour City, Frankreich
Merken Sie was? So furchtbar kreativ sind die Supermarktketten bei der Namensfindung auch im Ausland nicht. Noch ein City-Konzept wurde von Europas größtem Einzelhändler Carrefour 2009 gestartet, zur gleichen Zeit wie bei Rewe. Das Prinzip ist ähnlich: Stadtfilialen heißen seitdem „Carrefour City“, derzeit sind es 355 in ganz Frankreich.

Anders als bei den deutschen Beispielen ist der Unterschied zum normalen Laden („Carrefour Market“) aber auf den ersten Blick sichtbar: nicht nur wegen des grünen Logos und der aufgehübschten Ladeneinrichtung, sondern weil die Märkte viel konsequenter eingeteilt sind. (Hier lassen sich Fotos ansehen.) Während die hiesigen „City“-Konzepte eher als Schrumpfversionen der Ursprungsmärkte durchgehen, gibt es in einem typischen Carrefour City zwei Abteilungen:

Die für Leute, die in Eile sind, aber noch ein bisschen Kram für die Woche brauchen: Zahnpasta, Kaffeefilter, Kekse. Oder was zum Kochen. An Schnellkassen wird zackig bezahlt, noch ein Plastiktütchen dazu, und raus.

Die zweite Abteilung ist für Leute, die in nächster Zeit weder an einem Kühlschrank, noch an einem Herd vorbeikommen werden (oder wollen). Im Eingangsbereich stehen lange Kühlregalreihen mit typischem Sofortessen [Erklärlink]: Sandwichs, Softdrinks, Schokolade. Und: viel Obst. Wer nicht gleich zur Bushaltestelle weiterhetzen muss, kann sich an den Tresen im Schaufenster setzen und von den Leuten draußen beim Einnehmen der Zwischenmahlzeit zusehen lassen.

Aber Vorsicht: Carrefour City ist nur bedingt für Vegetarier geeignet. Die Franzosen können zwar hervorragend käsen. Aufs Sofortessen purzelt aber meistens noch was Wurstiges drauf.

Unterschied zum normalen Carrefour: schöner, übersichtlicher, grüner.

* * *

Zwar ist Edeka in Deutschland gerade dabei, zumindest einige seiner verwirrenden Laden-Bezeichnungen abzuschaffen. Dafür dürften in den nächsten Jahren zahlreiche neue Spezialkonzepte wie Pilze aus dem Boden schießen. Zumindest entspräche das dem internationalen Trend, der hierzulande ja gerne mit nur wenigen Jahren Verzögerung aufgegriffen wird.

Die europäische Mutter aller Supermarktexperimente, Tesco, hat’s vorgemacht und nennt seine Kleinläden „Metro“ oder „Express“. Carrefour betreibt außer „City“ in Frankreich inzwischen auch „Carrefour Express“ (für Leute mit Kochallergie), „Carrefour City Café“ (für Leute, denen es bei Starbucks zu voll war) und „Carrefour Montagne“ – für Leute, die in den Bergen wohnen. Kein Witz. 2010 haben die ersten vier Läden in den Alpen und in den Pyrenäen geöffnet, inzwischen gibt es 14 Filialen. (Fotos ansehen?)

Damit es im deutschen Lebensmittelhandel bald genauso schillernd zugeht und Rewe nicht alle neuen Shop-Konzepte allein erfinden muss, seien den Unternehmen folgende Spontanvisionen ans Herz gelegt:

„Aldi Südy“: Der kompakte Stadt-Discounter für Menschen mit Abneigung gegen die Verenglischung der deutschen Sprache.

(Den ersten Schritt in diese Richtung hat Aldi Süd bereits unternommen: Ende 2011 eröffnete an der Konstabler Wache in Frankfurt eine Stadtfiliale, die drinnen zwar genauso aussieht wie alle anderen. Allerdings gibt es erstmals Einkaufskörbe für Wenigkäufer, und einen Teil des traurigen Sofortessen-Sortiments wurde in einer eigenen Kühltruhe an der Kasse aufgebahrt:)

„Real Schmal“: Die ganze Produktvielfalt eines typischen Real-SB-Warenhauses [Erklärlink] auf einem Hundertstel der Quadratmeter! Vermutlich würden sich dafür ausschließlich Immobilien mit Deckenhöhen ab 5 Metern eignen.

„Netto plus“: Netto (ohne Hund) in sympathisch. Die meisten Einkaufswagen, Kassen und Gefrierregale haben sowieso noch die alten Plus-Farben Orange und Blau. Ließe sich also leicht umsetzen. (Tatsächlich sollten die heutigen Netto-City-Läden ursprünglich „Plus Marken-Discount“ genannt werden.) Statt der Kleinen Preise, die Kaiser’s Tengelmann ins Plus.de-Reservat gerettet hat, bräuchte es eventuell Ersatzmaskottchen: zum Beispiel die Kleinen Kreise – lustige runde Preisschilder mit Comic-Augen und dünnen Beinchen.

„Aldi Nord clean & beautiful“: Ein Aldi-Markt, der alle üblichen Produkte führt, aber für Kunden gemacht ist, die das Doppelte bezahlen würden, wenn die Ladeneinrichtung nicht vom Sperrmüll käme.

Sonst noch Vorschläge?

Fotos: Supermarktblog

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