Wenn man bisher getrost behaupten konnte, der deutsche Markt für Liefer-Lebensmittel befinde sich in einer Art Dornröschenschlaf – Puls war da, aber keine all zu große Regung –, dann ist er von Corona nicht nur wachgeküsst worden, sondern hat direkt ein paar Aufputschmittel in den Drink gekippt bekommen. Die Etablierten sind aufgewacht, neue Anbieter schalten auf Angriff – und Kund:innen gewöhnen sich in großem Stil daran, den Einkauf per Smartphone oder am Rechner zu erledigen.
Laut HDE Online-Monitor 2021 lag der Anteil im Netz bestellter Lebensmittel am Gesamtumsatz im vergangenen Jahr bei 2,0 Prozent (bzw. 204 Milliarden Euro; Vorjahr: 1,4 Prozent):
„Mit einem Zuwachs von rund 60 Prozent treiben Lebensmittel das Wachstum im Onlinehandel erheblich an. Das Wachstum ist fast dreimal so hoch wie im Nonfood-Bereich.“
Fast die Hälfte der Internetnutzer:innen hätten bereits Lebensmittel im Netz bestellt, 15 Prozent täten dies „mindestens alle zwei Wochen“. Und 52 Prozent der Befragten geben an, künftig „mehr“ bzw. „deutlich mehr“ Lebensmittel auf diesem Weg kaufen zu wollen.
Das ist ein guter Anlass für einen Blick in die Zukunft: Was bedeutet die derzeitige Entwicklung für die kommenden Monate?
Was passiert gerade?
1. Edeka bekennt sich endgültig zu Picnic
In der vergangenen Woche hat sich der Edeka-Vorstandsvorsitzende Markus Mosa ein für alle Mal zum Liefermodell von und der Kooperation mit Picnic bekannt. Man strebe keine Mehrheit an dem Start-up an, erklärte Mosa in der Wirtschaftspublizistischen Vereinigung in Düsseldorf, setze aber stark auf Picnic als „Online-Arm von Edeka“: „Kein stationärer Händler kann online am Ende besser sein als ein echter E-Commerce-Händler“, zitiert das Redaktionsnetzwerk Deutschland Mosa und verweist zugleich auf Picnic-Deutschland-Chef Frederic Knaudt, nach dessen Worten „[b]ereits im kommenden Jahr“ eine Expansion in weitere Bundesländer folgen könnte.
(Aktuell wird erstmal der Start in Frankreich vorbereitet, vorerst wieder unter einem albernem Tarnnamen, den Exciting Commerce entdeckt hat: TocToc.)
2. Rockaway will mit Bringmeister in neue Städte
Zum Monatsanfang hatte Edeka seine bisherige Liefertochter Bringmeister, die Kund:innen in Berlin und München bedient, an den tschechischen Investor Rockaway Capital abgegeben (siehe Supermarktblog). Der formuliert nun ehrgeizige Ziele. Künftig wolle man sich stärker auf das Thema Nachhaltigkeit fokussieren sowie die bisherige Zahl der Bestellungen bis Ende des Jahres verdreifachen.
2022 soll dann das passieren, was Bringmeister weder unter Kaiser’s Tengelmann noch unter Edeka vergönnt war: Der Start in weiteren deutschen Städten. Innerhalb von fünf Jahren wolle man in allen „key cities throughout Germany“ vertreten sein.
Deutschland sei für Rockaway ein Schlüsselmarkt für das Engagement im Ausland, erklärt CEO Jakub Havrlant und kündigt an, zu prüfen, welche Synergien mit den bisherigen Investments der Gruppe genutzt werden könnten. Eine Verbindung zum ambitionierten tschechischen Liefersupermarkt Košík.cz, in den Rockaway investiert ist, gebe es (bislang) nicht;
„but future cooperation is not ruled out, for example, in the area of their product catalogues or by sharing technological platforms.“
3. Knuspr startet München und Frankfurt
Ebenfalls aus Tschechien und nicht minder ambitioniert kommt Rohlik, das hierzulande unter dem Namen Knuspr expandieren will, demnächst nach München und hat gerade angekündigt, bereits eine Lagerfläche für Frankfurt am Main angemietet zu haben. Der Start in Hessen ist für November geplant, weitere Standorte sollen 2022 folgen. Außerdem verspricht Knuspr, von Tag eins direkt die ganze Stadt zu beliefern – und nicht, wie andere Anbieter, lediglich ausgewählte Postleitzahlengebiete.
4. Gorillas, Flink und Getir drücken aufs Tempo
Das ist bislang die Strategie von Sofortlieferdiensten wie Gorillas und Flink, die Lebensmittel innerhalb von 10 Minuten per E-Bike bringen und dafür Lagerflächen in Wohngebieten und Innenstädten anmieten, aber zunehmend auf Probleme stoßen (siehe Supermarktblog). Als nächstes hat sich Getir aus der Türkei für den Start in Berlin angekündigt.
Fast hat es den Anschein, als wolle der deutsche Markt nun innerhalb weniger Monate all das nachholen, was über viele Jahre hinweg verschlafen wurde. (Zumal sich ja auch Amazon weiterhin zum Lebensmittel-Lieferdienst wandelt und Rewe seinen Zustellservice deutlich stabilisiert hat.)
Was kommt als nächstes?
5. Uber bringt Lebensmittel-Lieferambitionen mit
Als ob all das nicht schon interessant genug wäre, dürfte bald noch zusätzlicher Schwung in den Kampf um die Marktanteile kommen – wenn nämlich Uber Eats, wie angekündigt (und hier im Blog gemeldet) in Deutschland startet. Los geht’s an diesem Mittwoch, zunächst mit überschaubarer Restaurant-Auswahl in Teilen von Berlin. Ein Ausbau soll folgen.
Das dürfte zunächst einmal für mehr Wettbewerb in der Lieferung von Restaurantessen sorgen. Es ist aber sehr wahrscheinlich, dass sich Uber damit auf Dauer nicht zufrieden geben wird – und über seine Flotte auch die Lieferung von Lebensmitteln anbieten wird, schon um mögliche Bestellrückgänge auszugleichen, wenn die Restaurants nach Corona wieder regulär öffnen.
In Frankreich, Spanien, Brasilien und den USA ist Uber dafür bereits Partnerschaften mit Handelsketten und Convenience-Markt-Betreibern eingegangen. Außerdem hat der Konzern das auf Fulfillment spezialisierte Start-up Cornershop übernommen. Im Heimatmarkt wurde gerade eine Kooperation mit goPuff bekanntgegeben, dem amerikanischen Gorillas-Pendant: Der Sofortlieferdienst ermöglicht laut Bloomberg Bestellungen aus seinen Stadtlagern über die Uber-Plattform(en) und liefert selbst aus; Uber erhält eine Provision für die Vermittlung. Im Juni soll der Service in 95 Städten verfügbar sein, bis Ende des Jahres landesweit.
Kristen Hawley vom Gastro-Fach-Newsletter „Expedite“ stellt sich angesichts dieser Entwicklung die berechtigte Frage:
„Are restaurants to Uber what books were to Amazon?“
6. Wolt will zur Allesliefer-App werden
Uber ist mit seinen Bestrebungen in Deutschland nicht alleine. Das im vergangenen Jahr in Deutschland gestartete finnische Liefer-Start-up Wolt hat ebenfalls den Ehrgeiz, seinen Kund:innen künftig nicht nur frisch zubereitete Mahlzeiten zuzustellen, sondern eine breitere Auswahl an Dingen des täglichen Bedarfs.
Gerade wurde die – bereits seit längerem laufende – Kooperation mit ausgewählten Blumenhandlungen offiziell gemacht. Hier in Berlin bringt Wolt auf Wunsch aber auch schon alkoholische Getränke und Snacks aus dem Späti, besondere Weine aus der Weinhandlung und Schokoladenspezialitäten aus der Pralinenmanufaktur. Lebensmittel wären ein nächster logischer Schritt, den man anderswo bereits gegangen ist: In Zagreb, Budapest, Riga, Athen, Tromsö und natürlich Helsinki liefern Wolt-Kurierfahrer:innen auf Wunsch kleine Einkäufe aus Partnersupermärkten nachhause.
In Finnland experimentieren die Hellblauen außerdem mit eigenen Darkstores. Bereits im Frühjahr wurden „Grocery Associates“ für den Aufbau von „Wolt Stores“ gesucht; aus denen ließen sich während der Wintermonate nicht nur Lebensmittel, sondern auf Wunsch auch Utensilien zur Schneebeseitigung ordern. „Auch in Deutschland wollen wir zum Alleslieferer werden“, hat Gründer Miki Kuusi zu Beginn des Jahres im Interview mit „Business Insider“/Gruenderszene.de erklärt.
7. Doordash hat Deutschland im Auge
Das ist aber immer noch nicht alles. Denn durch die Bewegung, die innerhalb weniger Monate in den deutschen Markt gekommen ist, sehen weitere Anbieter gute Chance für einen Einstieg. Dazu könnte zum einen Bolt aus Estland gehören, das sich zuletzt um Mitarbeiter:innen für den Aufbau seines Bolt-Food-Services in Berlin bemühte (siehe Supermarktblog). Im europäischen Ausland positioniert sich das Start-up bereits als „supermarket on your phone“.
Und dann ist da noch die Frage, ob einer der bislang unabhängigen Anbieter womöglich bald schon unter roter Flagge radeln könnte. Denn Ende April berichtete Bloomberg, dass sich Doordash – die unangefochtene Nummer eins im amerikanischen Liefermarkt – für eine Expansion nach Europa interessiere, und zwar speziell Großbritannien und Deutschland, wofür Übernahmen in Frage kämen.
„DoorDash is also interested in expanding in the grocery delivery space in Europe, one person said. The U.S. company may decide not to do a deal, and has also considered going it alone, two of the people said.“
Doordash könnte die Konkurrenzsituation noch einmal stark verschärfen.
8. Lieferando muss sich bewegen
All das setzt Marktführer Lieferando unter Druck, der sich bislang als Sieger vergangener Lieferschlachten fühlen durfte, nachdem man Wettbewerber Delivery Hero hierzulande aus dem Markt herausgekauft und den einzigen verbliebenen Rivalen Deliveroo erfolgreich ausgeräuchert hatte. Nun zeichnet sich ab, dass die vor wenigen Jahren für eine Milliarde teuer erkaufte Marktmonopolisierung wohl nicht von Dauer war.
Das ist auch deshalb relevant, weil sich Lieferando – dem Modell der Mutter Just Eat Takeaway folgend – bislang in erster Linie als Bestelldigitalisierer versteht, der keine große Lust auf kostspielige Experimente hat. Die zentrale „Innovation“ des Modells besteht darin, Speisekarten von Restaurants auf der eigenen Plattform online zu stellen und diese so groß zu machen, dass keine Gastronomin und kein Gastronom mehr an einer Kooperation vorbeikommt.
Mehrheitlich fahren Partner:innen die Bestellungen ihrer Kund:innen selbst aus. Die eigene Lieferlogistik ist für Lieferando bislang nur Mittel zum Zweck:
- um Restaurants, die bislang noch nicht liefern, auf die Plattform zu locken;
- und um mit großen Fast-Food-Ketten wie McDonald’s und Burger King zu kooperieren, damit hungrige Kund:innen gar nicht erst auf die Idee kommen, sich nach anderen Liefermöglichkeiten umzusehen.
Die Flotte mit den orangefarbenen Rucksäcken ist für Lieferando also in erster Linie ein Werkzeug für Marketing und Kund:innenbindung – und im Quasi-Monopol hat diese Strategie bislang auch gut funktioniert. Das Argument der Niederländer:innen ist, dass die eigene Logistik wahnsinnig teuer und schwer profitabel zu kriegen ist – zumindest in dem Markt, den Lieferando als Plattformanbieter bedienen will.
Die Frage ist, was passiert, wenn Wettbewerber mit weiteren Services für eine zunehmend bessere Auslastung sorgen, anstatt sich auf zwei bis drei Bestellpeaks am Tag zu verlassen, wie es Lieferando (und seine europäischen Pendants) praktizieren.
Bislang hatte Lieferando schlicht keinen Bock auf, seinen Service auf andere Bereiche auszuweiten. Wer „Lebensmittel Lieferservice Lieferando“ googelt, landet auf einer Unterseite von lieferando.de, auf der das Unternehmen erklärt:
„Gerade am Wochenende haben viele das Problem, dass sich nichts Essbares mehr im Kühlschrank befindet. (…) Nie wieder einkaufen müssen und an langen Schlangen stehen, sondern immer Gebrauch vom Supermarkt Lieferservice machen. Das wär’s. [Der Lieferando-Betreiber] Yourdelivery.de kann Ihnen zwar auch keinen Supermarkt Lieferservice herbei zaubern, aber bietet dafür hunderte andere Essens- und Getränkelieferanten. Verhungern und verdursten werden Sie so auf keinen Fall über das Wochenende.“
Diese Innovationsverhinderungsabwehr ist angesichts der Marktentwicklung der vergangenen Monate eher schlecht gealtert. Noch im Februar bekräftigte Lieferando-Deutschland-Chefin Katharina Hauke im K5-TV-Gespräch (Video nach Anmeldung) zwar, sich aufs gastronomische Kerngeschäft fokussieren zu wollen.
Dabei testete Lieferando zum damaligen Zeitpunkt an ausgewählten Orten bereits die Lieferung von Produkten aus dem Convenience-Sortiment des Tankstellenbetreibers Shell. Inzwischen sind, wie den Kolleg:innen von „Location Insider“ aufgefallen ist, auch Convenience-Märkte von Spar Express dazu gekommen. (Die in Deutschland, obwohl die Marke zu Edeka gehört, aber vorrangig in Lizenz betrieben werden.)
Lieferando scheint also sehr genau zu wissen, was dem eigenen Marktumfeld demnächst für Änderungen blühen – und hat sich deshalb erste Partnerschaften gesichert. Das wird kaum über das Problem hinwegtäuschen können, dass die eigene Flotte allenfalls im Sparmodus betrieben wird – sehr zum Ärger zahlreicher Gastronom:innen, deren Laune eher nicht besser werden dürfte, wenn sie sich die wenigen verfügbaren Fahrer:innen zu Hochfrequenzzeiten auch noch mit zusätzlichen Partnern aus anderen Branchen teilen müssen.
Um im Lebensmittel-Liefergeschäft mitzuhalten, wird Lieferando ein großes Stück von seiner bisherigen Strategie abrücken müssen – zumal sich niemand von einem im Schneckentempo durch die Stadt gurkenden Lieferando-Fahrer Schokolade und Cola von der Tanke heimbringen lassen will, wenn die Konkurrenz von Gorillas & Co. mit frischem Gemüse und Produkten aus der Region in zehn Minuten vor der Tür steht.
9. Delivery Hero nimmt neuen Anlauf
An diesem Mittwoch hat zudem Delivery Hero angekündigt, zweieinhalb Jahre nach dem Verkauf seiner Liefermarken Lieferheld, Foodora und Pizza.de an Lieferando einen neuen Anlauf in Deutschland wagen zu wollen. Unter der bislang vor allem in Asien verbreiteten Marke Foodpanda soll ein vollwertiger Lieferservice aufgebaut werden, zunächst mit einem „Soft-Launch“ im Sommer in Berlin. Nach dem offiziellen Start am 10. August soll es in weitere deutsche Städte gehen.
Teil des Services soll nicht nur die klassische Restaurant-Lieferung sein; eigene „Cloud Kitchens“ und Restaurantkonzepte stehen ebenfalls auf der Agenda. Angekündigt sind zudem Kooperationen mit lokalen Läden und „Dmarts“ (bzw. „Pandamarts“), also Stadtlager, aus denen Foodpanda per App bestellte Lebensmittel liefern will, ähnlich wie das die Tochter Mjam bereits in Wien praktiziert (für einen ausführlichen Hintergrund: siehe Supermarktblog). Dazu passt auch, dass Artur Schreiber, der bislang Mjam in Österreich verantwortet, Foodpanda-Deutschland-Chef wird.
Als ehrgeiziges Ziel sind sieben Minuten Lieferzeit für Smart-Bestellungen formuliert; damit würde Delivery Hero die Konkurrenz von Gorillas und Flink noch unterbieten.
Als Reaktion hat Lieferando am Mittwoch angekündigt, in Deutschland ebenfalls die Lieferung von Lebensmitteln anbieten zu wollen. Man wolle dafür mit großen Handelsketten und kleinen Convenience-Märkten kooperieren. Genauere Angaben machte das Unternehmen zunächst nicht. Lieferando solle zur „Super App“ ausgebaut werden, um zu testen, ob sich ein ähnlicher Ansatz auch in anderen Märkten lohne. Damit rückt Just Eat Takeaway.com massiv von seinem bisher propagierten Plattformmodell ab.
10. Zeit für neue Allianzen
Interessant wird in der nächsten Stufe des Lieferbooms vor allem, welche Allianzen sich formen – also: welcher Dienst mit welchem Anbieter kooperiert. Denn viele der Neuen werden die Sortimentskompetenz der großen Handelsketten benötigen, um ihre Services auszubauen.
Was das für die Handelsketten bedeutet, steht dann demnächst hier im Blog.
Nachtrag, 12. Mai: Der Absatz zur Neustart-Bekanntgabe von Delivery Hero, die Reaktion von Lieferando und der Starttag von Uber Eats wurden im Text nachträglich ergänzt.
Und Prime Now via Tegut ist derweil seit Tagen geschlossen wegen des IT-Angriffs. Auch Lehrgeld in der schönen neuen Welt. (Am Rande bemerkt auch ein spannender tegut-Not-Prospekt diese Woche, der mit Verweis auf IT-Probleme keine üblichen Sonderangebote bewirbt, sondern Rabatte auf Warengruppen, die „an der Kasse abgezogen werden“. Ob mit Taschenrechner, Rechenschieber oder schriftlichem Dividieren auf Karopapier habe ich noch nicht beobachtet.)
Ja, aber es gilt immer noch die alte Frage: Wer von diesen ganzen Hipsterdiensten wird sich denn jemals außerhalb Berlinhamburgmünchenfrankfurt durchsetzen, da wo die restlichen 60 Millionen Einwohner dieses Landes sind, die nicht „irgendwas mit Medien“ im Loft machen? Picnic-Lieferwagen in der fränkischen oder mecklenburgischen Provinz? Gorillas-Kampfradler in Oer-Erkenschwick?
Picnic anstelle Kampfradler in Oer-Erkenschwick z.B., zusammen mit Recklinghausen (direkt daneben) durchaus die Größe, die Picnic selbst als ideal ansieht (oder wenigstens zu Beginn ansah, die Halbwertzeit solcher Meldungen ist ja auch nur begrenzt), denn Klein-/Mittelstädte funktionieren mit den kleinen Autos am besten.
Die Provinz braucht andere Lösungen, vorausgesetzt da ist überhaupt ein Problem. Lange Anfahrten machen einen individuellen Lieferservice viel zu teuer, aber für so ziemlich alles braucht man dort sowieso ein Auto, also kann man auch weiterhin einkaufen fahren. Vielleicht in Zukunft auch mal kürzere Wege zu einem Tegut Teo, das könnte ich mir gut vorstellen.
Der Kannibalismus der Lieferdienste in Berlinhamburgmünchenfrankfurt ist allerdings tatsächlich irre, was da ein Geld verbrannt wird… Kommt mir wie ein Lottospiel vor, wer zum Schluss mit einem Lieferando-ähnlichen Monopol übrig bleibt und dann konsequent verteuert und den Service wieder verschlechtern wird. Bis zur nächsten Sau, die durch’s Dorf getrieben wird, aber dafür gibt’s ja diesen tollen Blog hier 🙂
Also ausgehend von den voll bepackten Rollwagen mit Prime-Now-Tüten, die hier (zumindest normalerweise) regelmäßig aus den Teguts in den speckgürtelig-einfamilienhausigen Frankfurter Umland-Kleinstädten geschoben werden, würde ich sagen, eine Nachfrage ist schon da. (Auch wenn das teilweise noch der Reiz des Neuen sein kann, denn der Roll-out hier im Norden der Stadt war erst vor einigen Wochen.)
Die offensichtliche Frage ist, ob das Geschäft mit „schnell mal fehlende Kuchenzutaten einkaufen“ jemals profitabel werden kann. Aber das stellt sich wohl auch mit den Schnell-mal-ein-Sixpack-und-Chips-Bestellern in Kreuzberg, Schwabing, St. Pauli oder Bornheim.
Zur Zeit fluppen die Lieferdienste in Städten ohne jeden Zweifel, Corona hilft da ja auch mit. Und Bequemlichkeit plus alternde Bevölkerung garantieren auch eine Zukunft, vor allem, wenn eben kein Vollsortimenter in Laufentfernung liegt. Trotzdem bin ich der Überzeugung, dass in dem oben ausgeführten Wettrennen der Anbieter massiv Geld verbrannt werden wird.
Was ich langfristig fast spannender finde ist die Frage, wie denn in Zukunft neue Produkte bekannt gemacht werden sollen, wenn immer weniger Leute im Markt etwas Neues „entdecken“ können. Die klassischen Werbekanäle erreichen immer weniger Kunden, und online scheint mir die Nerv-Grenze auch allmählich erreicht (bei mir schon lange überschritten, da wird nur noch geblockt und weggeklickt). Aber das ist ein anderes Thema…
(Ich habe es zwar schon gefühlt zwei Dutzend Mal geschrieben, aber:)
Auf dem Land gibt es schon jahrzehntelang „Alternativen“ zu Picnic, denn die sogenannten „rollenden Lebensmittelmärkte“ bringen auch Vorbestelltes mit, mit Ausnahme von sehr sperrigen Gütern (wie ganze Getränkekisten, für die es aber andere Lieferdienste gibt). Das kann man sich, sollte man es nicht kennen, so wie Bofrost/Eismann vorstellen, nur dass nicht alle Produkte tiefgekühlt sein müssen.
Es ist interessant zu sehen, wie lange es in Deutschland gedauert hat, bis mit Wolt wenigstens ein Bewerber ansatzweise das in Angriff nimmt, was anderswo (z.B. in den reicheren Ländern Lateinamerikas) schon zum Standard geworden ist: Ich registriere mich bei einem Lieferdienst und suche mir auf einer Plattform meine Angebote heraus, egal ob Essen oder Getränke, Lebensmittel oder Drogerieartikel. Dabei muss mittlerweile auch kein Dienst mehr Angst davor haben, dass man ihm die Ankeranbieter wegschnappt, denn die großen Supermärkte, Fast-Food-Ketten und Hipster-Franchises sind auch bei allen Plattformen vertreten. Und die ganz großen mehrstöckigen Supermärkte haben auch kein Problem damit, wenn die Motos der „freien“ Dienste neben den eigenen in der Parkzone stehen.
Schön wäre es, wenn man jetzt andersherum noch die Fahrräder oder wenigsten E-Motos aus Nordamerika und Europa nach Lateinamerika holen könnte. Schön, aber bei der Infrastrukturlage in den meisten Großstädten auch utopisch.
Ist Prime Now nun offiziell in Berlin tot? Bekomme beim Start der App nur noch ne Meldung, dass ich ein Update installieren soll und nach Absprung in den Google Play Store heißt es dann, die App sei nicht mehr mit nem OnePlus 7T Pro kompatibel. Die Browser-Version geht derweil noch.
Amazon Fresh war vor ein paar Jahren eine gute Alternative zu Rewe & Co, aber hier baut der Lieferdienst immer weiter ab. Lieferung inzwischen in Privatautos, ein schlechter werdendes Online-Bestellsystem, „offiziell fehlende“ Artikel (man darf da eigentlich nichts mehr bestellen, was man unbedingt braucht), häufiger dann auch „offiziell gelieferte“ Artikel, die aber nicht dabei sind, Rückerstattung über die falsche Summe. Ich frage mich, ob Amazon überhaupt noch Lebensmittel liefern möchte. Vielen Dank über den schönen Überblick über die Konkurrenz!
Siehe dazu auch dieser Beitrag.