[Update am Ende des Texts.]
Das niederländische Liefersupermarkt-Start-up Picnic testet, ob sein Modell mit festen Zeitfenstern und kostenloser Zustellung auch bei deutschen Kunden auf Akzeptanz stößt. In Nordrhein-Westfalen läuft derzeit ein Test westlich der Landeshauptstadt Düsseldorf, bei dem sich Anwohner der Städte Neuss, Kaarst und Meerbusch (sowie in den Düsseldorfer Stadtteilen Heerdt, Niederkassel, Oberkassel auf der linken Rheinseite) um eine begrenzte Zahl an „Testplätzen“ bewerben können und wöchentlich benötigte Lebensmittel per Smartphone-App bestellen.
Der Versuch ist nach Supermarktblog-Informationen bereits im Oktober des vergangenen Jahres gestartet (und war ursprünglich nur auf Kaarst und Neuss begrenzt). Darüber hinaus arbeitet das Start-up in NRW nicht unter seinem niederländischen Namen, sondern als „Sprinter Supermarkt“.
Das Prinzip ist allerdings ähnlich wie in der benachbarten Heimat (siehe Supermarktblog): Sämtliche Lieferungen ab einem Mindestbestellwert von 25 Euro sind kostenlos; dafür müssen sich Kunden mit vorgegebenen Ein-Stunden-Zeitfenstern arrangieren, die am Tag der Lieferung minutengenau eingegrenzt werden. Momentan wird von Montag bis Freitag geliefert, samstags nicht.
Picnic alias Sprinter verspricht Teilnehmern, immer den günstigsten Preis anzubieten, indem die Produktpreise stetig mit denen der Wettbewerber verglichen und bei Bedarf entsprechend abgesenkt werden. (Aktionsangbote ausgenommen.) Gezahlt werden kann per Lastschrift, Pfand wird auch mitgenommen, und die Lieferung kommt mit den von Picnic selbst entwickelten E-Liefertransportern.
Eine Supermarktblog-Anfrage dazu, wieviele Teilnehmer der Test umfasst und ob die Niederländer planen, in größerem Stil in Deutschland aktiv zu werden, hat das Unternehmen bis zum Erscheinen dieses Texts nicht beantwortet.
Ideal für den Markteintritt
Tester des NRW-Angebots verpflichten sich, nicht in den sozialen Medien über ihre Erfahrungen mit Sprinter zu schreiben und Journalisten keine Auskunft darüber zu geben. Man wolle „nicht von Reportern, Wettbewerbern oder anderen Institutionen kontaktiert werden“, heißt es.
Stattdessen will das Start-up sein Angebot durch Verbesserungsvorschläge der Tester optimieren. Einmal pro Woche sollen Kunden einen Fragebogen ausfüllen. Zum Dank gibt es einen Einkaufsrabatt von 50 Prozent auf alle Bestellungen bis 50 Euro.
Für einen dauerhaften Markteintritt in Deutschland wäre Nordrhein-Westfalen aus Picnic-Sicht gleich in mehrfacher Hinsicht ideal. Zum einen dürfte die Belieferung der deutschen Kunden relativ problemlos aus einem der bislang drei niederländischen Verteilzentren in Nijkerk bzw. Utrecht möglich sein, von denen eines gerade erst neu eröffnet wurde. Einkäufe werden bei Picnic zentral kommissioniert und für die Auslieferung an kleine City-Hubs verteilt sowie dort auf die Lieferfahrzeuge umgeladen.
Zum anderen ist der Marktanteil online bestellter Lebensmittel in Deutschland bislang noch überschaubar und die Lieferkonkurrenz in NRW hält sich in Grenzen. Von den großen Handelsketten ist Rewe mit seinem Lieferservice aktiv, hat aber z.B. im Raum Dortmund einiges aufzuholen, weil die in den vergangenen Jahren weitgehend autark agierende Rewe Dortmund sich nicht am Ausbau des Lieferservice-Netzes beteiligte.
Konkurrent Edeka konzentriert sich mit seinem Lieferservice Bringmeister auf Berlin und München; Kaufland ist – trotz ursprünglich anderweitiger Pläne – gar nicht erst in NRW angetreten; auch Amazon Fresh lässt auf sich warten.
Vorteil gegenüber Amazon
Aber selbst wenn neue Konkurrenten kommen: Mit seinem Prinzip, trotz niedrigem Mindestbestellwert konsequent auf Lieferkosten zu verzichten, hätte Picnic alias Sprinter ein wichtiges Alleinstellungsmerkmal, über das bislang keiner der Wettbewerber verfügt. Amazon z.B. verlangt von seinen Kunden zusätzlich zur Prime-Jahresabogebühr monatlich noch einmal 9,99 Euro, um frische Lebensmittel zu liefern.
Nachdem die Handelsbranche lange Zeit vor allem den US-Konzern als möglichen neuen Herausforderer im Blickfeld hatte, dem zugetraut wurde, die Verhältnisse im deutschen Lebensmitteleinzelhandel durcheinander zu bringen, könnte bald also zusätzliche Konkurrenz von unerwarteter Seite kommen.
Im Supermarktblog-Gespräch hatte Picnic-Gründer Michiel Muller im vergangenen Monat bekräftigt, die Priorität für den Ausbau liege für sein Unternehmen derzeit im niederländischen Heimatmarkt (Original-Zitate hier nachlesen), dabei aber eine Expansion in andere Märkte nicht explizit ausgeschlossen. Der Test in NRW ist ein klares Indiz dafür, dass Picnic überzeugt ist, auch in anderen europäischen Ländern erfolgreich sein zu können.
Dass der Liefersupermarkt dabei nicht direkt die Großstadtversorgung anpeilt, sondern eher vorsichtig ist, entspricht dem Vorgehen in den Niederlanden: Dort war Picnic 2015 zunächst in der 150.000-Einwohner-Stadt Amersfoort (ungefähr so groß wie Neuss) gestartet, um Erfahrungen zu sammeln. Erst seit kurzem bedient das Unternehmen auch Kunden in Teilen Amsterdams. Im vergangenen Jahr hatte das Start-up zusätzliche Finanzmittel in Höhe von 100 Millionen Euro von niederländischen Investoren erhalten, um weiter zu wachsen.
In den Niederlanden testet Picnic derweil Allianzen mit anderen Händlern: Seit Anfang März kooperiert der Liefersupermarkt mit dem Online-Versender Wehkamp. Zum Start können dessen Kunden im Raum Amersfoort ihre Retouren einfach den Picnic-Lieferfahrern mitgeben. Im Erfolgsfall soll die Zusammenarbeit ausgeweitet werden.
Nachtrag, 18. März: Gegenüber der „FAS“ bestätigt Picnic an diesem Sonntag, Mitte April offiziell in Deutschland zu starten, dann auch unter dem eigenen Namen. Ausgehend vom Raum Düsseldorf sollen im Laufe des Jahres „drei bis fünf Städte in Nordrhein-Westfalen nahe der Grenze“ dazukommen, laut Picnic-Deutschland-Chef Frederic Knaudt (Gründer des inzwischen zu Lidl gehörenden Kochboxen-Versenders Kochzauber) weitere „20 bis 30“ in 2019. Die Kommissionierung erfolgt in einem eigenen Verteillager in Viersen. Firmensitz der Picnic GmbH ist Düsseldorf.
Die deutsche Website ist bereits online, auch die Android-App ist am Mittag schon im Play Store verfügbar.
Offensichtlich war die Expansion nach Deutschland von vornherein geplant: Die Vorbereitungen für den Start begannen niederländischen Medien zufolge vor anderthalb Jahren.
Titelfoto + Logo [M]: Picnic/Smb, Fotos: Picnic
Dann hoffe ich doch, dass der Test erfolgreich verläuft. Wenn ich könnte, würde ich ja glatt umziehen, damit ich mich als Tester bewerben kann. Picnic bietet für mich derzeit den (auf dem Papier) attraktivsten Lieferdienst.
Naja… es ist nicht alles Gold was glänzt! Mehr darf ich wegen der Schweigebindung ja nicht sagen 🙁
Das Schweigegelübde hat sich ja womöglich mit der offiziellen Bekanntgabe des Deutschland-Starts heute erledigt (siehe Nachtrag). Was hat denn bei Ihnen gut geklappt – und was nicht?
Das habe ich auch nicht behauptet. Aber ein „mittelmäßig“ sticht aus einer Masse von „schlecht“ dann eben doch immer noch deutlich heraus. 😉
[…] hebben getekend om niets op socialmedia te zeggen en niet met de pers te praten. Niettemin krijgt Supermarktblog het […]
[…] hebben getekend om niets op socialmedia te zeggen en niet met de pers te praten. Niettemin krijgt Supermarktblog het […]
Aus dem FAQ: „Das klingt alles zu gut, um wahr zu sein“. Den Satz unterstreiche ich.
Wie in Deutschland üblich, wird König Kunde natürlich über den Preis gelockt. Super Qualität zum schmalsten Preis. Liefergebühr, geschenkt!
Personal, Ware, Fahrzeuge, Lager, die Hubs, die App, Retouren – all das muss aus den schmalen Margen finanziert werden und soll irgendwann ja auch noch Gewinn abwerfen.
Die Kalkulation würde ich ja gerne mal sehen. A++ – Ware und dann auch noch tagesgenauer Einkauf seitens von Picnic ist da m.E. einfach nicht drin.
Ich prophezeie: auch Picnic wird sich in Deutschland mindestens ein blaues Auge holen. Wenn es denn in fünf Jahren überhaupt noch existiert.
Ich verstehe Ihre Skepsis, nach dieser Argumentation müsste allerdings auch das Modell „klassischer Discounter“ nach seiner Einführung ein ziemlicher Rohrkrepierer geworden sein. Ist dann aber doch anders gekommen.
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/unternehmen/online-haendler-aus-holland-liefert-lebensmittel-bis-an-die-tuer-15499570.html – der Artikel in der FAZ/FAS.
[…] Um die Konkurrenz (im Ausland) nicht zu verschrecken oder vorzuwarnen, hieß es (bis jetzt) immer, dass sich Picnic (trotz einer Kapitalspritze von 100 Mio. Euro im letzten Jahr) erst einmal auf die Expansion in den Niederlanden konzentrieren würde. Das war aber nicht die ganze Wahrheit. Denn seit letztem Herbst testete Picnic unter anderem Namen (Sprinter Supermarkt) bereits das Konzept auch in Deutschland, wie der Supermarktblog jüngst berichtet hat. […]
In dem Wort undercover
steckt das selbe UN wie in unprofessionell … oder schöner ausgedrückt: bemüht 🙂
Ich würd mich über ein Update freuen, was aus diesem vielversprechenden Unternehmen geworden ist. bleibt es bei der massiven Expansion 2019?
Hallo,
nein es wird zwar nach wie vor deutlich expandiert, aber 20-30 Städte gelten als utopisch.
Mittlerweile liest man von 7-10 Städten.