Discounter, baut eure Kassen ab!

Discounter, baut eure Kassen ab!

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Trotz Personalknappheit und neuer Technologien stehen in vielen Discountern am Marktende immer noch zahlreiche Kassen, die fast nie besetzt sind, und erst recht nicht gleichzeitig. Höchste Zeit, das zu ändern.

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Dass Discounter, sobald die deutlich erweiterten Sortimente und der ganze Nonfood-Krempel auf die Verkaufsfläche gestopft worden sind, noch Platz haben, mit dem sie nicht so richtig was anzufangen wissen, gehört eher zu den Ausnahmen. Und kommt trotzdem manchmal vor.

Wenn Penny z.B. in eine frühere Kaiser’s-Filiale zieht, die wegen des daneben gelegenen Rewe nicht zum Supermarkt werden konnte (siehe Supermarktblog).

Wenn Standorte angemietet werden, die eigentlich ein bisschen zu groß fürs übliche Laden-Layout der Handelsketten sind, aber nicht der Konkurrenz überlassen werden sollen.

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Oder wenn ausreichend Landefläche für den möglichen Erstkontakt mit extraterrestrischem Leben verfügbar sein soll, um selbiges mit einer üppigen Auswahl günstig zu erwerbender Erdenfrüchte zu beeindrucken, damit der Besuch aus fremden Galaxien nicht für den Wocheneinkauf woandershin wechselt.

Wenn die Außerirdischen kommen, sollen sie bei Lidl nach der Landung gleich ausreichend Platz für den Wocheneinkauf haben; Foto: Lidl

Die allermeist Zeit unbenutzt

Seine Filiale in Wimbledon unweit der britischen Landeszentrale hat Lidl zu Beginn des Jahres um viele hundert Quadratmeter erweitert, und eigentlich bräuchte es in den überbreiten Gängen nunmehr Spurmarkierungen auf dem Fußboden, um zu besonders geschäftigen Zeiten nicht ständig Kund:innen mit ihren Einkaufswagen beim Abbiegen ineinander krachen zu lassen.

Aber in den allermeisten Fällen ist in den Discountern natürlich eher: zu wenig Platz, um die viele Ware noch unterzubringen, die Kund:innen erwerben sollen. Dabei gäbe es doch eine ganz einfache Lösung dafür: Discounter, schafft eure Kassen ab!

Also, natürlich nicht alle und auf einen Schlag. (Obwohl das technologisch inzwischen ja möglich wäre: Aldi Nord probiert’s gerade in Utrecht aus, Aldi Süd in London.)

Aber vielleicht die, die ohnehin die allermeiste Zeit unbesetzt herumstehen, ohne dass je eine Kassenschublade in sie eingelegt würde?

Nach wie vor bauen Aldi, Lidl & Co. in neu eröffnete oder modernisierte Filialen hierzulande stattdessen mehr Bedienkassen als im Tagesgeschäft notwendig wären, weil die Personalsituation in den Läden eine umfassendere Besetzung ja ohnehin die allermeiste Zeit nicht hergäbe. Stattdessen werden, wenn sich Kund:innen beim Anstehen bis ans andere Marktende stauen, Mitarbeitende zur zeitweisen Bedienung einer neuen Kasse gerufen.

Hin und her zwischen Kasse, Lager und Regal

Der ständige Wechsel ist – mindestens zu Stoßzeiten – eine der letzten Ineffektivitäten des sich sonst stets überlegen fühlenden Discount-Konzepts, das sonst jeden unnötigen Aufwand zu eliminieren versucht – aber weiter massig Arbeitszeit dafür verbrät, sein Personal zwischen Kasse, Lager und Regal hin- und herlaufen zu lassen. (Wenn es Kilometergeld dafür gäbe, würde das die Attraktivität des sich händeringend um neue Kolleg:innen bemühenden Berufs sicher schlagartig verbessern.)

Dabei ahnen die Handelsketten längst, wie sie gegensteuern könnten: Indem sie nicht ausschließlich, aber doch verstärkt auf Kassen setzen, an denen Kund:innen auch das Scannen und Abkassieren noch selbst erledigen.

Albert Hein in den Niederlanden hat’s vorgemacht.

In kleineren Innenstadtfilialen in London gibt es bei Lidl längst ähnliche Tests (siehe Supermarktblog).

Und im oben schon erwähnten Laden in Wimbledon hat Lidl das Prinzip sogar auf die Spitze getrieben – und zusätzlich zu den regulären noch 14 (vierzehn!) SB-Kassen ans Marktende gebaut, sieben für Zahlungen mit Karte und Bargeld, und sieben mit dem „Card only“-Hinweis.

Niemand verlangt, dass es anderswo genauso viele werden müssen. Aber vielerorts würden eine ausreichend große SB-Kassenzone und ein oder zwei reguläre Bedienkassen locker ausreichen, um der regulären Kund:innenfrequenz Herr zu werden. Was bedeutet würde: Dass mindestens zwei der bisher ungenutzt herumstehenden Bedienkassen mit Förderband abgebaut werden könnten – und als Lagerfläche für zusätzliche Ware dienen, die sonst in die Gänge und zwischen die Regal gestopft werden muss.

Kassierer:innen werden zu „Hosts“

Mit dem Abbauen tun sich die Unternehmen bislang aber sehr, sehr schwer: Ab einem Umsatzanteil der SB-Kassen von 20 Prozent könne man darüber nachdenken, ob sich eine reguläre Kasse dafür entfernen ließe, erklärte der damalige Penny-Chef Stephan Magel im Sommer in einem Podcast des IFH Köln. Bislang lägen die Werte je nach Markt zwischen 5 und 20 Prozent.

In den USA ist u.a. Walmart schon deutlich weiter gegangen und stattete eines seiner Supercenter in Fayetteville, Arkansas, vor zweieinhalb Jahren ausschließlich mit – im Vergleich zu europäischen Lösungen gigantischen – Self-Checkout-Kassen aus, die immerzu geöffnet bleiben sollen. Anstatt fest an einzelnen Bedienkassen zu sitzen, wurden Kassenkräfte zu „Hosts“ umgeschult, die Kundinnen auf Wunsch beim Scannen behilflich sein können.

In Großbritannien hat Tesco vor kurzem erklärt, reguläre Bedienkassen in größeren Läden zu Gunsten neuer SB-Kassen abzubauen, die speziell dafür entwickelt wurden, auch für Kund:innen mit Einkaufswagen bzw. größeren Einkäufen zugänglich zu sein.

Die neuen SB-Kassen sind breiter, haben eine sehr viel größere Einpackfläche und kamen u.a. auch beim inzwischen wieder eingemotteten Tesco-Discount-Ableger Jack’s (siehe Supermarktblog) zum Einsatz. Grund für die Entscheidung ist laut Tesco, dass Kund:innen die Bedienkassen zunehmend seltener nutzen würden. Marktbeobachter:innen gehen davon aus, dass die Handelskette nicht nur Personal sparen mag, das ohnehin immer schwerer zu bekommen ist; sondern auch zusätzliche Flächen in den Läden für den Verkauf von Ware freigeben will.

Kund:innen-Ablehnung vs. Personalknappheit

Damit das klappt, muss das Selbstscannen aber freilich reibungslos funktionieren – und darf nicht so fehleranfällig sein, wie die von Tesco zwischenzeitlich neu eingeführte Technologie aus eigener Entwicklung.

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Selbst bei den sehr viel Self-Checkout-gewöhnteren Brit:innen ist der Tesco-Vorstoß jedoch auf Gegenwehr gestoßen: die Petition einer Seniorin bei Change.org, die von Tesco die Aufgabe der genannten Pläne fordert („Stop The Replacement of People by Machines“), wurde bereits fast 240.000 Mal unterzeichnet.

Aber es ist gut möglich, dass die Supermärkte angesichts zunehmender Personalknappheit in Zukunft gar keine andere Wahl mehr haben, als stärker zu priorisieren, an welchen Stellen in Markt sie ihre Angestellten einsetzen wollen – und wo eher nicht. So wie es die Discounter eigentlich von Anfang an praktizieren.

Wenn es aber ohnehin nicht ausreichend Arbeitskräfte gibt, um sechs Bedienkassen zur selben Zeit zu besetzen, brauchen die im Laden auch nicht weiter Platz wegzunehmen.

Deshalb: Discounter, schafft eure Kassen ab!

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10 Kommentare
  • Tatsächlich begründen schon die ersten Supermärkte die Einführung von SB-Kassen und Scan & Go mit Personalknappheit, z. B. der Rewe in Radebeul-West (siehe Google-Rezensionen). Für die sechs neuen SB-Kassen wurde eine der sechs konventionellen Kassen „geopfert“.

    Dass konventionelle Kassen abgebaut werden, machen deutsche Supermärkte äußerst ungern – bei der Einführung von SB-Kassen gezwungenermaßen, weil ansonsten dafür kein Platz da wäre. Aber bloß keine mehr, als die SB-Kassen einnehmen. Deswegen schaffen SB-Kassen keinen extra Platz für Waren, mit Ausnahme von den quer eingebauten Kaufland-Geräten, an deren Rückseite man zusätzliche Regale installieren kann (siehe https://i.ibb.co/2FL6YB9/Kaufland-SBKasse.jpg ). Deswegen waren Großflächen wie Real SB-Kassen-Vorreiter, weil sie ohnehin überdimensionierte Kassenbereiche hatten und somit am ehesten auf einzelne konventionelle Kassen verzichten konnten. Deswegen gibt es keine gesonderten Scan-&-Go-Kassen, sondern der Scan-&-Go-Verkehr wird bei den „normalen“ SB-Kassen durchgeschleust.

    Spannende Frage wird sein, ob die zunehmende Verbreitung von Scan & Go dazu führt, SB-Kassen auch dort zu installieren, wo konventionelle Kassen aus Platzgründen signifikant reduziert werden müssten. Denn dank Scan & Go geht Self-Scanning jetzt auch bei großen Warenkörben, die bislang den bedienten Kassen vorbehalten waren. Und dank Scan & Go kann der Durchsatz pro SB-Kasse deutlich erhöht werden.

  • Schöner, satirischer Artikel. Aber man hätte die Ironie noch etwas stärker herausarbeiten können und noch mehr übertreiben.
    Nennt mich altmodisch, aber wir vereinsamen immer mehr, dem Egoismus wird immer mehr Tür und Tor geöffnet und dafür alles, was unter dem Begriff „Service“ als zwischenmenschliche Kontakte subsummiert wird, runtergefahren und abgeschafft. Die Kunden übernehmen immer mehr Aufgaben selbst. Das fing mal mit der Briefmarke zum Selbst-Frankieren an und hört mit den SB-Kassen nicht auf. Kassierende werden genauso abgeschafft wie seinerzeit Tankwarte. Und wo bleibt der Service, dass einem die Einkäufe hinter der Kasse auch noch eingepackt werden? Gab’s in Ansätzen auch mal. Und ich wäre dafür. Aber nein, der kleine Wortwechsel mit dem Kassenmenschen, die nonverbale Kommunikation mit den anderen Wartenden … alles wird einem genommen. Nicht gegen Fortschritt und Weiterentwicklung! Aber nicht jede Entwicklung, die sich durchsetzt, ist gut. Die VHS-Videokassetten waren auch nur die zweit- oder drittbeste Variante, wurden aber durchgedrückt.

    • VHS mag nicht die beste technische Version gewesen sein, aber Videokassetten haben sich halt durchgesetzt, weil man zuhause keinen Filmvorführer haben wollte.
      Ich unterhalte mich gar nicht bis seh selten mit den Kassenkräften, weil ich das nicht mag und idR keine Zeit dafür habe. Auch mit anderen in der Schlange unterhalte ich mich nicht. Ich mache meinen Einkauf möglichst effizient und schnell und muss dann immer an der Kasse rumbummeln, weil die Deutschen immer noch am liebsten ihr Kleingeld an der Kasse streicheln und einzeln Lebewohl sagen müssen. Wer jemanden zum Reden sucht solle bitte in die Kneipe gehen aber nicht meine Supermarktschlange aufhalten.
      Es ist furchbar wie rückständig immer noch Märkte sind wenn es um’s Bezahlen geht. Genau wie vor 50 Jahrren, hat sich praktisch nichts geändert.

    • @Onkel Hotte: VHS war selbst bei Videokassetten das schlechtere System gegenüber Video2000, wurde aber dank Marktmacht des Herstellers durchgedrückt.
      Wo ist das miteinander geblieben, die kalte Fragmentierung der Gesellschaft greift immer weiter um sich, jeder ist nur noch auf seine eigene Effizienz bedacht. Menschlich gehen wir früher oder später den Bach runter.

  • Sie werden sich wundern, aber mit jedem Brief, den ich versende, gehe ich einzeln zur nächsten Postagentur und lass ihn frankieren und verschicken.
    Zugegeben: Dieses Verhalten entspringt nicht meinem Servicewunsch, sondern der Tatsache, dass zwischen zwei Briefen, die ich versende, immer mindestens eine Portoerhöhung stattfindet, so dass sich das Horten von Briefmarken nicht lohnt.

  • Vergessen wird immer der Großteil der Menschen die gar kein Self-Scanning machen wollen und können.. ich sehe es im örtlichen Baumarkt regelmäßig. Da muss quasi immer einer daneben stehen und erklären. Auch beim Ausfall von Kartenzahlung kann man bei normalen Kassen schnell reagieren.. bei 6-7 selfscanning Kassen wo gleichzeitig die Funktion ausfällt wird das schon sportlicher… wobei mir sowieso nicht klar ist, warum es überhaupt 2022 noch so häufig ausfällt..

    • So einige Selfscannig Kassen haben auch eine schlechte Benutzerführung und sind überladen mit Regln und Optionen, sogar die Kassen bei Tesco in UK sind da nicht viel besser. Piepen gerne laut rum und meckern aber sagen mir nicht explizit was ich falsch mache oder wie es richtig machen soll. Und wenn dann die gerufene Servicekraft ihre Email und Kennwort nicht im Kopf hat steht alles still.
      Wenn ich bei diesen Kassen meine ganzen Einkäufe auch noch einzeln auf eine Waage stellen muss, dann muss ich diese sogar öfters umpacken als auf’s Band. Da bleib ich doch lieber bei der normalen Kasse, habe ich weniger Arbeit mit und SS bleibt für max 10 Artikeln praktisch.

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