Preisstrategie bei Flink: Alles auf Discount, Aufschläge für Bio und Frische

Preisstrategie bei Flink: Alles auf Discount, Aufschläge für Bio und Frische

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Kann ein Sofortlieferdienst für Lebensmittel auch in der Preiskrise funktionieren? Während Getir mit der Gorillas-Integration beschäftigt ist, testet Flink eine Strategie, die trotz eingeschränkter Ursprungsversprechen vor allem auf cleveres Marketing setzt.

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Weil sich die aktuelle Sparsamkeit vieler Kund:innen beim Lebensmitteleinkauf nicht ganz mit dem Ziel der rasant gewachsenen Quick-Commerce-Anbieter deckt, möglichst schnell profitabel werden zu wollen, müssen sich die Sofortlieferdienste was ausdenken. Nach der Übernahme durch Getir (siehe Supermarktblog) ist noch unklar, ob bzw. wie lange es mit Gorillas weitergehen wird. Derzeit sieht es so aus, als blieben beide Marken – zumindest vorübergehend – bestehen. Zunächst werden die Strukturen im Management zusammengeführt. (Gorillas-Deutschland-Chef Clemens Koebele soll nach Medienberichten auch das Deutschland-Geschäft von Getir verantworten.)

Aber auch bei Flink tut sich was: Der Gorillas-Konkurrent hat seine Strategie geändert und Teile seines Sortiments gestrafft.

Vor allem aber wirbt Flink gegenüber Bestandskund:innen zuletzt damit, auch „Discount Günstig“ zu sein: „Finde zahlreiche Supermarkt-Produkte zu Super-Preisen“, verspricht die App unter einem eigenen Menü-Punkt, der an meinem Test-Standort in Berlin gut 40 Produkte der Rewe-Discount-Eigenmarke ja! auflistet: vom Scheibenkäse über Haferflocken bis zum Thunfischfilet.

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Und tatsächlich: die Preise sind – im Vergleich mit Rewes eigenem Lieferdienst – entweder identisch oder lagen zuletzt in (inzwischen korrigierten) Einzelfällen sogar niedriger.

„Garantiert günstig einkaufen“

Mit einem eigenen Mailing wurden zudem 20-Prozent-Gutscheine verteilt, die im Checkout vor Bestellabschluss aktiviert werden müssen:

„Garantiert günstig einkaufen? So geht’s.“

„Kleine Preise, große Freude“: Flink-Mailing an Bestandskund:innen vom Januar; Screenshot: Smb

Was Flink nicht dazu sagt, ist, dass der Sofortlieferdienst mit seinen Preisen bei den allermeisten anderen Produkten inzwischen deutlich bis sehr deutlich über denen liegt, die im Supermarkt oder beim regulären Lieferdienst bezahlt werden müssen. Vergleichen lässt sich das ganz gut, weil Flink nach einer Meldung der „Lebensmittel Zeitung“ inzwischen nicht mehr 60 Prozent, sondern 90 Prozent seines Sortiments über den strategischen Partner Rewe bezieht, der auch seine Eigenmarken zur Verfügung stellt. (Flink bestätigt eine Ausweitung auf „einen großen Teil des Sortiments“, „konkrete Zahlen“ könne man aber nicht nennen.)

Der größte Teil des Flink-Sortiments stammt inzwischen vom Kooperationspartner Rewe; Foto: Smb

Für Produkte von Rewe Best Wahl berechnet Flink z.B. Aufschläge, die zwischen 20 und 60 Cent (im Vergleich zum Rewe Liefererservice) liegen:

  • Rewe Beste Wahl Tortellini mit Käsefüllung kosten 1,59 Euro statt 1,39 Euro;
  • Rewe Beste Wahl Sonnenblumenöl kostet 3,19 Euro statt 2,79 Euro;
  • Rewe Best Wahl Angus Burger Patties kosten 4,59 Euro statt 3,99 Euro.

Auch die Preise für Produkte der Eigenmarke Rewe Bio liegen deutlich über denen, die Rewe selbst verlangt:

  • Rewe Bio-Joghurt 0,1% Fett kostet 1,19 Euro statt 0,95 Euro;
  • Rewe Bio Grüne Oliven kosten 2,69 Euro statt 2,29 Euro;
  • Rewe Bio Mini-Kartoffeltaschen kosten 3,39 Euro statt 2,69 Euro.

Aufschläge statt Schlange stehen

Auch klassische Markenprodukte sind betroffen: Halloumi-Grillkäse kostet bei Flink z.B. 3,39 Euro statt 2,79 Euro beim Rewe Lieferservice. Bei frischem Obst und Gemüse sind die Aufschläge teilweise besonders hoch: Bio-Avocado bietet Flink für 2,39 Euro statt 1,79 Euro an; Bio-Speisemöhren für 2,09 Euro statt 1,69 Euro; Bio-Broccoli 2,79 Euro statt 2,49 Euro usw.

„Garantiert günstig“ ist daran eher nix.

(Alle Preise: Stand 6. Februar 2023; Preise können je nach Standort variieren – mein Vergleich bezieht sich auf dasselbe PLZ-Liefgergebiet bei beiden Services.)

Für alle, die es mit dem Einkauf besonders eilig haben, mag es trotzdem in Ordnung gehen, etwas mehr für die Ware zu zahlen, für die man sonst nochmal extra im Supermarkt Schlange stehen möchte. Auf die zielt Flink mit seinem Marketing aber schon länger nicht mehr explizit, spätestens seitdem das 10-Minuten-Lieferversprechen wieder einkassiert wurde.

In der Werbung mit den Testimonials Lena Gercke und Joko Winterscheidt trat man zuletzt als Anbieter auf, der Kund:innen die Sorge des gesamten Wocheneinkaufs nehmen wolle. Auf Plakaten warb Flink:

„Wie einkaufen, nur einfacher.“
„Dein Wocheneinkauf gleich geliefert.“

Wegen der genannten Preisaufschläge gilt das aber wirklich nur noch für Kund:innen, die nicht so arg aufs Geld achten wollen bzw. müssen.

Taggleiche Lieferung als günstigere Alternative

Für alle anderen ist es im Zweifel günstiger, den Wocheneinkauf – mit exakt denselben Produkten – taggleich direkt vom Rewe Lieferservice zustellen zu lassen. Das klappt zwar nicht an jedem Standort, aber hier in Berlin ließ sich zuletzt morgens problemlos ein Liefertermin zwischen 14 und 16 Uhr (oder später) für denselben Tag vereinbaren.

Mein Test-Wocheneinkauf (alle oben genannten Produkte plus Radieschen, Zewa Smart Toilettenpapier, ja! Honey Wheats, ja! Pommes Fries, ja! Back-Camembert, ja! Butterkäse, ja! Lasagne Bolognese, ja! Bagles, Rewe Beste Wahl Fladenbrot, Rewe Beste Wahl Blutorangensaft, Rewe Beste Wahl Kokosmilch, Rewe Bio Gouda, Rewe Bio Pfefferminztee und Rewe TK-Blattspinat) hätte beim Rewe Lieferservice 55,60 Euro plus 2,90 Zustellgeühr im Zwei-Stunden-Zeitfenster gekostet (Mindestbestellwert ist 50 Euro).

Flink lässt sich die schnelle Lieferung aus eigenen Dark Stores von Kund:innen inzwischen gut bezahlen; Foto: Smb

Exakt derselbe Einkauf bei Flink hätte regulär 63,64 Euro gekostet (keine Liefergebühr, weil ab 50 Euro kostenlos); durch den 20-Prozent-Gutschein wäre er einmalig günstiger gewesen: 50,92 Euro.

Allerdings ist die Auswahl bei Rewes Lieferservice sehr viel größer; auch die der günstigen Eigenmarken, durch die sich bei der Zusammenstellung des Warenkorbs sparen ließe (z.B. beim Toilettenpapier).

Radikal kleinere Zielgruppe

Damit positioniert sich Flink nicht gerade als der Anbieter, dem man regulär den Liefereinkauf für den Wochenbedarf anvertrauen sollte – bzw. nur dann, wenn man diesen wirklich jetzt sofort erledigt haben will, ohne in irgendeiner Form vorauszuplanen oder später am Tag nochmal zuhause sein zu müssen, um den Einkauf anzunehmen. Auch dafür mag es zweifelsfrei eine Zielgruppe geben. (Die Unternehmensberatung Oliver Wyman hat sie gerade für ihre Umfrage zum Thema ausfindig gemacht.)

Die Aufschläge werden nötig sein, um Flink nachhaltig in die Gewinnzone führen zu können; gleichzeitig verkleinert sich aber die damit ansprechbare Zielgruppe, der das egal ist.

Preisstrategisch hatte Flink zuletzt kein besonders gutes Händchen: Im Dezember startete die Kooperation mit dem Partner Wolt, über dessen App ebenfalls Lebensmittel eingekauft werden können, die dann von Wolt-Kurierfahrer:innen aus Flink-Depots geliefert werden – zum Start mit nochmaligen Aufschlägen auf die regulären Flink-Preise (siehe Supermarktblog).

Davon scheint man sich (vernünftigerweise) wieder verabschiedet zu haben. Gerade wird die Flink-Kooperation auf alle deutschen Wolt-Städte ausgedehnt. Und von Flink heißt es dazu:

„Die Preise bei Wolt sind auf dem selben Niveau wie in der Flink App.“

Eigenmarke soll bleiben

Berichte aus Fachmedien, denen zufolge Flink den geplanten Ausbau der Eigenmarke „Flink’s Finest“ gestoppt habe, will man in Berlin derweil nicht bestätigen. Auf Supermarktblog-Anfrage erklärt Flink:

„Im Gegenteil, der Ausbau unserer Eigenmarken läuft stetig weiter, neben den Flink’s Finest Aufstrichen haben wir unser Sortiment deutlich erweitert, führen diese allerdings teilweise unter anderen Namen (bspw. Kallas) und einfach unter Flink. So sind neben unseren Aufstrichen und Suppen auch Produkte wie Ready to Eat Kichererbsen, Linsen, Kidney Bohen, salzige Snacks, kürzlich gelaunchte Nüsse oder auch unser Bio Wein als Eigenmarken je nach Verfügbarkeit zu finden. Zudem arbeiten wir an dem Ausbau weiterer Produkte und Eigenmarken.“

Produkte lokaler Partner sollen laut Berichten ebenfalls seltener im Sortiment vorkommen. Und tatsächlich: Manche Produkte lassen sich in der Übersicht bereits getätigter Bestellungen jetzt einfach nicht mehr aufrufen. Dass die Auswahl an regionalen Partnern „verkleinert wurde“, nennt Flink „korrekt“.

„Wir arbeiten jedoch nach wie vor und erfolgreich, u.a. mit lokalen Bäckereien, Brauereien und Röstereien zusammen und können somit unseren Kunden regionale Lieblingsprodukte anbieten.“

Mehr als ein „Rewe Express“?

Die Frage ist, wie sehr Flink wesentliche Alleinstellungsmerkmale aufgibt, mit denen man sich als Quick-Commerce-Anbieter von klassischen Supermärkten differenzieren kann – weil sonst nämlich nicht viel mehr übrig bleibt als ein etwas schnellerer, zum Teil deutlich teurerer Lieferservice für Produkte aus dem Rewe-Sortiment.

Konsequent weiter gedacht – und zum jetzigen Zeitpunkt wirklich nur rein theoretisch – könnte Rewe Flink als Schnell-Option in den eigenen Lieferdienst integrieren und z.B. per „Rewe Express“ Produkte an besonders eilige Kundschaft ausliefern (wie Sainsbury’s mit ChopChop oder Ocado mit Zoom in Großbritannien). Aber in Köln wird man sich hüten, in der aktuellen Lage ein solches Risiko einzugehen.

Und Flink wird beweisen müssen, dass ein um fast alle Ursprungsversprechen und -vorteile reduzierter Sofortlieferdienst trotzdem funktionieren und Geld verdienen kann.

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3 Kommentare
  • Gibt es überhaupt noch einen Grund, Lieferdienste wie Flink, Gorillas und Co zu nutzen?! Lieferzeitenversprechen, ist Geschichte. Sortiment/Auswahl – überschaubar. Preise, (zum größten Teil) teurer als bei den etablierten Konzernen und deren Lieferdienste.

    Selbst mit dem nötigen Budget imRücken bestelle ich doch lieber gleich bei Rewe, als den Umweg über ein Unternehmen zu nehmen, welches gefühlt im Tagesrhythmus seine Konzepte ändert.

  • Fette Aufschläge nimmt Flink derzeit auch im Non-Food-Bereich, vor allem bei Drogerieartikeln. Aber auch langhaltende Ware wie Kaffee ist deutlich teurer als beim Rewe-Lieferservice im gleichen Postleitzahlenbereich – Preise in Euro:

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    Dallmayr Prodomo 500g
    Flink 8,99 / Rewe Lieferservice 7,99

  • Bei den ersten beiden Preisbeispielen sind mir Fehler unterlaufen. Das Toilettenpapier liefert Flink in der größeren Version als Rewe. Der Aufschlag beträgt so nicht mehr 3 Euro sondern 50 Cent.

    Und im zweiten Beispiel verrechnete ich mich, da liegt die Differenz bei 1,80 Euro.

    Die Gesamtbetrachtung ändert sich dadurch jedoch kaum. Flink nimmt teils saftige Aufschläge: bei den als besonders preiswert beworbenen Discountprodukten ebenso wie bei den Markenartikeln, deren bereits hohe UVP noch einmal deutlich überboten wird.

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