Was gibt’s eigentlich Neues vom Supermarktchaoten unserer Herzen – Amazon? Eine ganze Menge! An diesem Mittwoch hat der Konzern gemeinsam mit dem Amsterdamer Lieferriesen Just Eat Takeaway bekannt gegeben, dass sich Mitglieder seines Prime-Programms Restaurantessen (und anderes) über die JET-Länder-Apps kostenlos nachhause liefern lassen können – vorerst so oft sie wollen.
Das bedeutet konkret: Prime-Kund:innen, die Lust auf Pizza, Burger oder Sushi haben, müssen – wenn sie via Lieferando bestellen – keine Lieferkosten mehr zahlen. (Genauer gesagt: von „teilnahmeberechtigten Partnern“, bei denen „Mindestumsätze“ gelten sowie „zusätzliche Gebühren (einschließlich Servicegebühren)“ anfallen können.) Gleiches gilt für Nutzer:innen in Österreich und Spanien.

Auf amazon.de muss das Konto zuvor mit dem bei Lieferando verknüpft worden sein.
Ende Mai hatte Amazon denselben Vorteil bereits Prime-Mitgliedern in den USA für die Nutzung des JET-Ablegers Grubhub gewährt.
Fresh öffnet sich für alle
Durch den Deal „wächst der Wert einer Prime-Mitgliedschaft weiter“, lässt sich Jamil Ghani, Vice President Amazon Prime, in einer Mittelung zitieren – und das ist auch deshalb interessant, weil Amazon längst dazu übergegangen ist, Prime-Abonnent:innen bislang eingeräumte Vorteile regelmäßig auch wieder wegzunehmen. Zum Beispiel die lange werbefreie Nutzung von Prime Video (gegen die in Deutschland gerade sammelgeklagt wird). Und in zunehmendem Maße auch die Zustellung frischer Lebensmittel.

Im November des vergangenen Jahres informierte Amazon, dass nicht mehr nur Prime-Mitglieder, sondern sämtliche Amazon-Kund:innen beim eigenen Lebensmitte-Lieferdienst Amazon Fresh einkaufen können. Bislang setzte die Nutzung ein laufendes Abonnement des Amazon-Vorteilsprogramms voraus.
Anfang Juni öffnete Amazon den Dienst auch in Großbritannien für alle Kund:innen, die nun Käse, Fleisch, Obst und Gemüse via Fresh einkaufen können, ohne Zusatzmitgliedschaften abschließen zu müssen. Eine kostenlose Zustellung im Zwei-Stunden-Zeitfenster erfolgt ab einem Einkaufswert von 80 Pfund; Prime-Mitglieder kriegen die Bestellung bereits ab 60 Pfund kostenfrei nachhause gebracht.
Wichtiger Schritt für Partnerhändler
Die Öffnung gilt auch für Partnerläden, die auf der Amazon-Plattform eigene so genannte „Storefronts“ betreiben: Einkäufe werden in bestehenden Supermärkten kommissioniert und anschließend über die Prime-Logistik zugestellt. In Großbritannien sind das große Supermarktketten wie Morrisons, Co-op und Iceland. (Nicht-Prime-Mitglieder zahlen in diesem Fall 3 Pfund Liefergebühr.)
In Frankreich verfährt Amazon mit dem Partner Monoprix genau so: Seit kurzem können sich alle Kund:innen aus Paris, Bordeaux, Lille, Lyon, Montpellier, Nantes, Nizza und Straßburg am selben Tag frische Lebensmittel von Monoprix zustellen lassen. Auch ohne Prime.
Die Konditionen allerdings sind im Vergleich zu Großbritannien, wo die Lieferkonkurrenz deutlich ausgeprägter ist, deutlich schlechter: Erst ab 150 Euro Warenwert ist die Zustellung für Normalsterbliche im Zwei-Stunden-Zeitfenster kostenlos (Prime: ab 60 Euro); darunter berechnet Amazon für den Service üppige 7,90 Euro (bis 100 Euro Warenwert) bzw. 3,90 Euro (über 100 Euro Warenwert). In den USA sind die Kosten ebenfalls vergleichsweise hoch.
Wann folgen Tegut und Fresh in Deutschland?
Dennoch war die Öffnung der Services nur eine Frage der Zeit, um eine größere Kund:innengruppe zu erreichen. Das dürfte vor allem im Interesse der Handelspartner liegen, die über Amazon-Storefronts Lebensmittel verkaufen – damit aber bislang eben nur einen eingeschränkten Kund:innenkreis erreichen konnten.
Die Wahrscheinlichkeit, dass sich das auch in Deutschland bald ändert, ist groß: Hierzulande kooperiert Amazon mit der hessischen Supermarktkette Tegut, die taggleiche Lieferungen aus ihren Supermärkten anbietet, um keine eigene Zustelllogistik dafür aufbauen zu müssen. Der Service ist derzeit in Ballungsräumen in Bayern und Hessen verfügbar, aufgrund des regional begrenzten Filialnetzes von Tegut aber nicht landesweit. Derzeit muss man nach wie vor „Prime testen“, um überhaupt eine Bestellung absenden zu können.


Weitere Partner aus dem deutschen Lebensmitteleinzelhandel kann Amazon immer noch nicht vorweisen. (Obwohl einige Kandidaten – Globus, Bünting, Bartels-Langness, Klaas & Kock – durchaus dafür in Frage kämen.)
Und Amazon Fresh liefert weiter nur in Berlin/Potsdam, Hamburg und München, wo die Zahl der Wettbewerber zuletzt so stark gestiegen ist, dass sich Fresh auch dort bald für alle Kund:innen des Prime-Zwangs entledigen dürfte. (Interessant wird die Preisgestaltung sein: Konkurrent Knuspr liefert derzeit kostenfrei ab 69 bzw. 79 Euro, Rewe in der Regel ab 120 Euro, Picnic ab dem Mindestbestellwert in Höhe von 40 Euro [aber nicht taggleich].)
Neues Vorteilsprogramm bei Fresh
Um Prime-Mitgliedern nicht unnötig das Gefühl zu geben, dass ihnen Leistungen weggenommen werden, hat der Handelskonzern zudem (zunächst für Großbritannien) angekündigt, das Programm „Prime Member Deals“ für Fresh zu starten: Prime-Abonnent:innen erhalten fortan 10 Prozent Rabatt in den britischen Amazon-Fresh-Minisupermärkten sowie Zugriff auf „exklusive“ Online-Deals. (Derzeit z.B. 50 Prozent Rabatt auf 24er-Packs Pepsi, 40 Prozent auf ausgewählte Snacks, 30 Prozent auf ausgewählte Obst- und Gemüseartikel.)
Es läge nahe, dieses Programm auch für deutsche Kund:innen zu starten.

Wie sich Amazons Rolle im Lebensmitteleinzelhandel entwickelt, ist weiter ebenso unberechenbar wie ungewiss. Für die USA hatte man zuletzt bekannt gegeben, in größeren Supermärkten auf seine Just-Walk-Out-Technologie verzichten zu wollen (mehr dazu demnächst im Blog); und auch in Sachen Lebensmittel-Lieferung ändert sich die Strategie regelmäßig.
Anfang Juni hatte Amazon seinen eigenen Fresh-Lieferdienst in fünf britischen Städten – Portsmouth, Glasgow, Sheffield, Leeds und Newcastle – wieder eingestellt; Kund:innen können dort allerdings (abhängig vom genauen Wohnort) weiter Lebensmittel bei Morrisons, Co-op und Iceland bestellen.
Mehr Delivery Updates im Blog:
- Das plant Wolt für die schnelle Lebensmittel-Lieferung in Deutschland
- Goodbye, Gorillas – ist der Quick Commerce noch zu retten?
- Alnatura Lieferservice: Entscheidung über Weiterbetrieb fällt dieses Jahr
Wird Fresh nicht mehr in Hamburg und Potsdam angeboten? Im Text ist nur von München und Berlin zu lesen.
Davon ab, wenn Amazon überhaupt noch mal so was wie nennenswerten Umsatz mit Fresh machen möchten, wäre es überaus ratsam, den Primezwang aufzulösen. Und natürlich auch die Liefergebiete auszuweiten. Letzteres dürfte sogar noch wichtiger sein.
Doch, natürlich. Danke, korrigiert.