Teo wird eigenständig: Migros löst Smartstore-Konzept von Tegut

Teo wird eigenständig: Migros löst Smartstore-Konzept von Tegut

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Migros operiert am Zukunftskonzept Teo: Die personalfreien Märkte werfen das orangefarbene Design der Mutter Tegut ab und präsentieren sich in frischem Mint-Blau unter der Führung der neu gegründeten Smart Retail Solutions. Ein strategischer Schachzug, um das digitale Format aus dem kriselnden Supermarktgeschäft herauszulösen.

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Fünf Jahre lang leuchtete in der Fuldaer Lindenstraße in Fulda ein orangefarbener Tegut-Teo-Markt, um Kund:innen zum schnellen Lebensmitteleinkauf rund um die Uhr zu sich zu locken. Geleuchtet wird weiterhin – neuerdings aber in frischem Mint-Blau. Der älteste personallose Mini-Supermarkt, einst unterm Tegut-Banner eröffnet, präsentiert sich nach Umbau mit verändertem Logo, neuer App, neuer Beschilderung – vor allem aber: ohne Hinweis auf die einstige Muttermarke Tegut.

Ein simples Redesign? Wohl eher ein strategischer Schachzug der Schweizer Migros-Gruppe.

„Teo ist erwachsen geworden“, verkündet die zuständige Smart Retail Solutions GmbH zum fünfjährigen Jubiläum des Formats auf der neuen Website teo-markt.de. Das Unternehmen wurde Anfang 2024 gegründet, um Teo Franchise-kompatibel zu machen und (laut Handelsregistereintrag) Technologie bzw. Design auch anderen Händler zugänglich zu machen.

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Als Geschäftsführer wurden Sören Gatzweiler, vormals bei Tegut, und Sven Kispalko von der Migros Zürich eingesetzt – eine Doppelspitze, die sowohl operatives Know-how als auch direkte Kontrolle durch die Muttergesellschaft sicherstellt.

Systematisch vorbereitete Herauslösung

Inzwischen zeichnet sich aber ab, dass hinter der Umstrukturierung mehr steckt: Die Migros löst ihr innovatives Smartstore-Konzept systematisch aus dem kriselnden Tegut-Stammgeschäft heraus und positioniert es als eigenständige Einheit – möglicherweise um das Digitalformat vor weitreichenden Änderungen bei Tegut zu schützen.

Die Abspaltung folgt einem erkennbaren Muster und wird schon seit längerer Zeit vorbereitet. Schon Ende Oktober 2024 erhielten Teo-Nutzer:innen eine E-Mail, die sie über eine „Umstrukturierung innerhalb unserer Unternehmensgruppe“ informierte. Darin hieß es:


„Zukünftig wird das Konzept rund um die tegut… teos von unserem Schwesterunternehmen, der Smart Retail Solutions GmbH mit Sitz in Fulda, verwaltet und weiterentwickelt.“

In diesem Zusammenhang übernahm die neue Gesellschaft auch die Verantwortung für Datenverarbeitungen, die für den Betrieb von Märkten und App notwendig sind. (Nutzer:innen, die dies ablehnten, wurde der Account gelöscht.)

Im Dezember 2024 sicherte sich Smart Retail Solutions die Wortmarken „teo“ und „teo Markt“ – bezeichnenderweise ohne den Tegut-Zusatz. Parallel dazu meldete das Unternehmen mehrere Patente für die charakteristische Teo-Bauweise an („System zum Bau eines gedämmten Raums in einem Innenraum“), um die technologische Basis abzusichern.

Weitere Märkte sollen folgen

Der vorläufige Höhepunkt dieser Entwicklung ist der nun vollzogene Relaunch des ersten Teo-Standorts in Fulda, bei dem sämtliche Tegut-Bezüge getilgt wurden. Wer die – ebenfalls neu gestaltete – App öffnet, erfährt zudem, dass der Betreiber des Markts in Mint-Blau nun nicht mehr die tegut… gute Lebensmittel GmbH & Co. KG ist, sondern die Smart Retail Solutions GmbH.

Weitere dürften folgen: „In diesem Jahr steht (…) die sukzessive Umrüstung unserer Märkte an“, erklärte Smart-Retail-Geschäftsführer Gatzweiler gerade der „Fuldaer Zeitung“.

Entscheidend für das Verständnis dieser Reorganisation ist ein im Dezember 2024 unterzeichneter Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrag zwischen Smart Retail Solutions und der GMZ Deutschland Holding GmbH. Dieser Vertrag geht weit über die ursprüngliche Gesellschafterbeziehung hinaus: Er verpflichtet Smart Retail Solutions, sämtliche Gewinne an die GMZ abzuführen, ermöglicht der Holding direkte Weisungsrechte gegenüber der Teo-Geschäftsführung und begründet eine steuerliche Organschaft.

So schafft Migros eine direkte Kontrolllinie zur Teo-Sparte, die vollständig an Tegut vorbeiführt – ein juristisches Manöver, das die finanzielle wie operative Eigenständigkeit des Formats sicherstellt, selbst wenn Tegut das Sanierungsultimatum bis 2026, das Migros-Zürich-Chef Patrik Pörtig jüngst mehrfach ausgegeben hatte, nicht erfüllen sollte.

Ein komplett neues Erscheinungsbild

Die visuelle Neupositionierung von Teo ist umfassend und konsequent. Das neue Corporate Design ersetzt das charakteristische Tegut-Orange durch Mint-Blau – das im deutschen Lebensmitteleinzelhandel in dieser Form auch noch durch keine andere Handelskette belegt ist. Das Logo wurde auf ein schlichtes, modernes „teo“ in Dunkelblau reduziert, ohne Hinweis auf die bisherige Muttermarke.

Die neue Website zeigt auf der Startseite ein buntes Arrangement von Kreisen in verschiedenen Farben – ein subtiler Hinweis auf die angestrebte Flexibilität des Formats für verschiedene Partner.

Der neue Slogan „teo – Dein Markt für jetzt“ betont Modernität und Convenience und richtet sich damit an eine urbane, digital-affine Zielgruppe.

Alte Teo-App mit Tegut-Branding (l.); neue Tegut-App in neutralem Schwarz, blaues Logo für den umgebauten Markt in Fulda; Screenshots: Smb/Smart Retail Solutions

Die App wurde ebenfalls komplett überarbeitet und erscheint jetzt mit einem neutralen schwarzen Logo. In der Filialübersicht wird der umgestaltete Standort in Fulda in Dunkelblau dargestellt, während die noch nicht umgestellten Teos – vorerst – weiterhin den Tegut-Zusatz tragen. Zudem plant Smart Retail Solutions offenbar, innerhalb der App „in unterschiedlichen Abständen Coupons“ anzuzeigen, „die Vergünstigungen für bestimmte Artikel oder Ihren gesamten Warenkorb beim Einkauf mit der App“ bieten.

Attraktiver für potenzielle Partner

Bei der Wiedereröffnung in Fulda präsentierte sich der modernisierte Teo mit Luftballons und Bannern, auf denen die Kernbotschaften des Konzepts hervorgehoben wurden: „Einkaufen mit Bankkarte oder App“, „24/7 Lebensmittel rund um die Uhr“ und „Optimiertes Sortiment nach Kundenwünschen“.

„Mehr als 50 Prozent des Angebots“ im umgebauten Markt seien geändert worden, „vieles davon auf Kundenwünsche hin“, heißt es in der „Fuldaer Zeitung“; neu sind u.a. Babynahrung und glutenfreie Lebensmittel. Die Umpositionierung könnte für Teo zudem die Möglichkeit sein, sich im Sortiment ein Stück weit vom Tegut-bedingten Bio-Schwerpunkt zu lösen.

Die Positionierung als eigenständige Marke macht das Format für potenzielle Franchise-Partner deutlich attraktiver – statt sich an eine möglicherweise kriselnde Supermarktkette zu binden, können sie nun ein zukunftsweisendes Konzept unter neutraler Flagge übernehmen.

In Fulda scheint man zuversichtlich zu sein, solche Partner gewinnen zu können. In den Teo-Datenschutzbestimmungen heißt es bereits, dass „teos auch von einem sog. Händler betrieben werden“ können. „Ob dies der Fall ist, und wer der Händler des jeweiligen teos ist, den Sie besuchen, wird Ihnen am jeweiligen Eingang des teos kommuniziert.“ Aktuell ist nur Tegut als Partner genannt.

Tegut ist ins Trudeln geraten

All das erfolgt vor dem Hintergrund massiver wirtschaftlicher Probleme bei der hessischen Supermarktkette, die gerade von dem ihr auferlegten Sparkurs mächtig durchgeschüttelt wird (und zunehmend wichtige Mitarbeiter:innen verliert). Tegut schrieb 2024 einen Verlust von 55 Millionen Schweizer Franken, die Migros Zürich selbst verlor in den Jahren 2021-2023 über 140 Millionen Franken.

Im November 2024 hatte die Genossenschaft „umfassende Sanierungsmaßnahmen“ für Tegut angekündigt, darunter den Abbau von 120 Vollzeitstellen und die geplante Abgabe von etwa 10 Prozent der Filialen.

Migros-Zürich-Chef Pörtig stellte ein klares Ultimatum: bis Ende 2026 müsse Tegut schwarze Zahlen schreiben. Dann habe „das Unternehmen in der Migros eine Zukunft – sonst nicht“.

Zuletzt war bekannt geworden, dass sich Migros Zürich Ende 2023 – noch unter Pörtigs Vorgänger Jörg Blunschi – vertraglich verpflichtet hatte, Tegut bis Ende 2026 zu finanzieren – unabhängig davon, ob das Unternehmen als zukunftsfähig angesehen wird.

Bekommt Migros Ostschweiz stärkeren Zugriff?

Das macht die Neupositionierung von Teo nachvollziehbar. Bemerkenswert ist hingegen, wie unterschiedlich das Formats innerhalb der Migros-Gruppe bewertet wird: Während Migros Zürich ihre eigenen Teo-Filialen in Kloten und Dietlikon mangels Rentabilität Ende April überraschend geschlossen hat, plant Migros Ostschweiz die Expansion mit der Technologie – und übernimmt dafür auch die abgebauten Teo-Module, die an neuen Standorten wieder aufgebaut werden.

In Herisau (AR) will die Genossenschaft demnächst außerdem „den ersten 24-Stunden-Supermarkt der Schweiz“ eröffnen, weitere Standorte in Kemptthal und Wetzikon (ZH) sollen folgen.

Das unterstreicht die föderalistische Struktur der Migros, bei der regionale Genossenschaften teils widersprüchliche Wege gehen.

Die Bündelung der Teo-Kompetenzen bei Smart Retail Solutions könnte zukünftig einen konzernweiten, von Tegut unabhängigen Zugriff auf das Format ermöglichen und es, wie ursprünglich geplant, für unterschiedliche Betreibermodelle anpassbar machen. Möglich wäre auch, Teo an eine andere Migros-Gesellschaft weiterzureichen, die stärker in die Zukunft der Technologie zu investieren bereit ist. Anstatt – wie Migros Zürich – damit beschäftigt zu sein, sich wieder gesund zu sparen.

Teile der Recherche für diesen Text erfolgten mit Unterstützung von North Data GmbH.

Der Text wurde nachträglich mit dem Absatz über potenzielle Partner in den Datenschutzbestimmungen und die geplante Coupon-Funktion sowie die Fotos des umgestalteten Teo-Markts ergänzt.

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2 Kommentare
  • Ist es eigentlich zu viel verlangt, auf die Frage wo sich der nächste Teo-Markt befindet eine Antwort zu erhalten? Auf der alten Tegut-Teo-Seite befindet sich unter Standorte nur eine weiße Fläche, die neue Seite gibt dazu keine Antwort.

    Spricht echt für ein fähiges Konzept, eine solche Frage unbeantwortet zu lassen.

  • Hallo!

    Vielen Dank für diesen ausführlichen Artikel! Derzeit wird bei mir in Fulda an der Ochsenwiese der teo umgebaut. Wann dieser wieder benutzbar ist finde ich leider nirgendwo. Bin schon gespannt auf das neue Design bzw. Warenangebot.

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