An diesem Freitagnachmittag Anfang Mai ist die Bio-Fachhandelswelt, zumindest im Münchner Stadtteil Schwabing, noch in Ordnung. Zahlreiche Kund:innen steuern den Basic-Bio-Markt in der Schleißheimer Straße an, stellen erst ihre Fahrräder draußen ab – und sich drinnen nach dem Einkauf geduldig in eine der Kassenschlangen, bevor sie mit vollgepackten Tüten in Richtung Wochenende entradeln.
Hier, am Standort der allerersten Filiale des 1998 gegründeten Bio-Fachhändlers Basic, sieht trotz dessen Insolvenz vor zwei Jahren alles noch ein bisschen aus wie früher.
Der Brötchenknast mit Kaffeemaschine ist neu. Aber die handgeschriebenen Sortimentswegweiser sind noch da. Eine Schiefertafel über der Kühlung erinnert sogar an die Unternehmensgründung, deren Ziel es war, „einen modernen Bio-Supermarkt zu entwickeln: viel frische Ware und gute Bedienungstheken, eine große Auswahl und ein spannendes Einkaufserlebnis, ein familiäres Ambiente“.
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Altmodisch, aber vertraut
Obst und Gemüse liegen weiter eingerahmt von Flechtkorb-Optik unter Naturpanorama-Bildern. Nach wie vor gibt es eine gut gehende Frischetheke, an der gleich zwei Mitarbeitende im Wechsel die Kund:innenbedürfnisse erfüllen. Die Weinabteilung hat Holzdielenboden. Und natürlich stehen in den Regalen bekannte Bio-Fachmarken – von Bauckhof bis Rapunzel. Alles ein bisschen trutschig und altmodisch, aber vertraut: „Bio-Genuss für alle“.



Nur wer ganz genau hinsieht, entdeckt Hinweise darauf, dass im letzten verbliebenen Basic-Markt Deutschlands seit einiger Zeit ein bisschen was anders ist: die orangefarbenen Logos des neuen Betreibers auf den Papiertüten zum Beispiel; oder dass es schon seit längerem Alnatura- statt Basic-Eigenmarkenartikel zu kaufen gibt; und auch mal ein Regalmeter Platz ist für Sonnenblumenöl in EU-Bio-Qualität: „Bio zum kleinen Preis“.
Aber das scheint der Kundschaft wenig auszumachen – Hauptsache, es nimmt ihnen niemand ihren Stamm-Biomarkt weg.
Basic: In Schwabing noch auf Erfolgskurs
Genau das hat die hessische Supermarktkette Anfang des vergangenen Jahres in den übrigen achtzehn Märkten getan, die man zuvor von der insolventen Basic AG übernommen und aufs eigene Konzept umgebaut hatte, um sie wirtschaftlich betreiben zu können. Knapp anderthalb Jahre nach Abschluss der Umbauten sieht es allerdings eher so aus, als wäre der einzige Markt, der sich für Tegut rentieren dürfte, ausgerechnet der, an dem noch groß das Logo des insolventen Vorgängers hängt.
Aus welchem Grund man sich in Fulda dazu entschlossen hat, den Stamm-Basic nicht in Tegut umzuwandeln (obwohl er z.B. auf Google Maps aktuell als solcher geführt wird), sagt das Unternehmen auf Supermarktblog-Anfrage nicht. Vermutlich wird man sich in der Zentrale die Umsatzzahlen angesehen und überlegt haben, diese eher nicht durch ein Rebranding riskieren zu wollen.
In den anderen Ex-Basics der bayerischen Landeshauptstadt bietet sich bei meinem Besuch an diesen Tag nämlich ein deutlich anderes Bild. Obwohl man Tegut zugutehalten muss, sich wirklich ins Zeug gelegt zu haben, um es möglichst vielen Kund:innengruppen recht zu machen.
Vom Expansionsglück zum Problemfall?
Die von mir besuchten übernommenen Läden machen allesamt einen ordentlichen Eindruck. Draußen hängen die orangefarbenen Tegut-Logos, Tegut-Schirme spenden den darunter positionierten Gartenartikeln Schatten, die eigens anthrazitfarben ummantelt wurden, damit man die Holzpaletten dahinter nicht sieht. In den großen Fenstern kleben große Versprechen von „Bio“ und „Frische“.

Drinnen wurden die Basic-charakerstischen Böden und Regalanordnungen weitgehend erhalten. Die Kühlräume für Obst und Gemüse haben einen modernen Rebrush erhalten und bieten weiter größtenteils frische Ware in Bio-Qualität – mehr als in jedem anderen klassischen Supermarkt. „Warenlager für gute Lebensmittel min München“, steht auf den Türen, „Bio“, „Regional“ und „Gutes Gefühl“ an den weiß gehaltenen Wänden.
Alles scheint darauf angelegt, dass frühere Stammkund:innen ihren alten Laden noch wiedererkennen. Und neue Kund: innen Lust darauf kriegen sollen, einen Blick in den Markt zu werfen, um den sie bislang womöglich einen Bogen gemacht haben. (Zudem wäre ein Komplettumbau deutlich teurer gekommen.)
Allein: In den Läden fehlen nun sowohl die einen, als auch die anderen. Und das ist für Tegut natürlich ein Riesenproblem.




Und zwar nicht nur ein Münchner. Die früheren Basic-Märkte in Mannheim und Augsburg, die erst Anfang 2024 auf Tegut umgeflaggt wurden, existieren schon seit einigen Wochen nicht mehr. Der erste wurde geschlossen (siehe Supermarktblog), der zweite an den Wettbewerber Denn’s Biomarkt weitergereicht. Und auch für viele der verbliebenen Filialen scheint die Zukunft eher ungewiss zu sein. Denn was Tegut selbst noch vor wenigen Monaten als Expansionsschritt nach Süddeutschland feierte, scheint sich zumindest unter den aktuellen Voraussetzungen als Fehlkalkulation zu entpuppen.
Billig und Bio nebeneinander
Mit der Übernahme stärke man die Präsenz in Süddeutschland und gewinne auf einen Schlag zahlreiche attraktive Standorte in kaufkraftstarken Lagen hinzu, hieß es damals aus Fulda. Und: Aus Basic werde „ein Supermarkt mit Bio-Schwerpunkt, der erfolgreiche und den Kundinnen und Kunden vertraute Kernelemente erhält und mit tegut… Know-How ergänzt“.
Die Realität sieht derzeit aber anders aus. Und legt die Schlussfolgerung nahe, dass vormalige Basic-Kund:innen nach der Wiedereröffnung unter dem neuen Namen nur noch selten in ihre früheren Stammfilialen kommen.
Die Gründe dafür könnten eine Fehleinschätzung der Kund:innenerwartungen sein: Basic hatte sich über Jahrzehnte als Bio-Fachhändler mit 100 Prozent Bio-Sortiment positioniert und eine Stammkundschaft aufgebaut, die genau diese Konsequenz schätzte. (Auch wenn sie ja selbst nicht ausreichte, um den Händler vor der Insolvenz zu bewahren.)


Tegut hingegen verfolgt einen anderen Ansatz: Zwar bietet das Unternehmen mit einem Bio-Anteil von knapp 30 Prozent mehr ökologisch erzeugte Produkte als konventionelle Supermarktketten. In den umgebauten Märkten stehen hochwertige Bio-Produkte nun aber neben konventioneller Ware und günstigen Artikeln der Preiseinstiegsmarke: Demeter-Eier neben EU-Bio-Eiern neben konventionellen aus Bodenhaltung (Immerhin „ohne Kükentöten“).
Ein am Regal erklärter Produktwegweiser soll dabei helfen, den richtigen Artikel zu finden: Bio-Artikel haben ein grünes Häubchen überm Preisschild, regionale Artikel aus Bayern ein gelbes, lokale Spezialitäten ein blaues – gut gedacht.
Fehlende Markenbekanntheit
Man wolle eine Brücke zwischen konventionellem Handel und Bio-Fachhandel bieten, lautete lange die Ansage. Für die Basic-Kund:innen bedeutete diese Mischung aber wohl einen Kulturschock – und war, wie manche online erklären, ein Grund, zur Konkurrenz abzuwandern.
Crunchy des Bio-Pioniers Barnhouse neben Früchtemüsli von „Jeden Tag“. Und von Bio-Kreis zertifizierte „Tegut Bio“-Putenbrustschnitzel für das Sechsfache des Preises der Discount-Variante darunter – dieser Spagat war manchem am Ende aber vielleicht doch zu groß.

Gleichzeitig scheint es zumindest bislang nicht gelungen zu sein, in ausreichendem Maße neue Kund:innen zu gewinnen. Insbesondere in München verfügt Tegut nicht über die gleiche Markenbekanntheit wie im hessischen Kerngebiet, hatte bis zur Basic-Integration nur zwei eigene Märkte – und versäumte es, die Marke nachher stadtweit auch bekannt zu machen.
Viele Verbraucher:innen sahen wohl kaum Gründe, ihren Einkauf vom vertrauten Discounter oder Supermarkt zu einem unbekannten Anbieter zu verlagern – der aus ihrer Sicht wegen des hohen Bio-Anteils noch dazu als tendenziell teurer wahrgenommen wurde.
„Jeden Tag“ statt „Kleinster Preis“
Dabei passt das Tegut-Konzept auf den ersten Blick gut zum Trend, dass immer mehr Kund:innen ihre Bio-Produkte im konventionellen Lebensmitteleinzelhandel kaufen: Viele vertrauen auf die günstigen und inzwischen mit hohen Verbandsstandards qualitativ aufgewerteten Bio-Eigenmarken der großen Händler. Tegut scheint davon – trotz der Weitsicht seines Bio-Mischkonzepts, das vor vielen Jahrzehnten etabliert wurde – nicht ausreichend profitieren zu können. Weil das Konzept weder die einen, noch die anderen Kund:innen vollständig überzeugt.
Das zeigt sich auch im Regal, wo zwischen Billig und Bio immer noch die Tegut-Mittelmarke mit ihrem „Reinheitsversprechen“ steht – obwohl sich nicht mehr so genau erklären lässt: wozu eigentlich?
Anstatt die eigene Discountmarke „Kleinster Preis“ aufzugeben, hätte man sich vor einigen Jahren womöglich besser auf deren Stärkung und Ausbau konzentrieren sollen – um jetzt nicht an die trotz Sortimentstiefe mäßig attraktive Markant-Produktlinie „Jeden Tag“ gebunden zu sein. Diese Chance zur aktiven Schwerpunktsetzung ist vertan und kommt nicht mehr zurück.

Ein weiterer Aspekt, der die Integration erschwert, ist die lokale Verwurzelung, die Basic in vielen Stadtvierteln offensichtlich hatte – eben so wie bei dem verbliebenen Basic-Markt in München-Schwabing, der seine Stammkundschaft auch unter dem neuen Betreiber (weitgehend in Inkognito) halten konnte. Der Kontrast zu den umgeflaggten Tegut-Filialen könnte kaum größer sein und wirft die Frage auf: Wäre es klüger gewesen, Basic als Marke beizubehalten und nur hinter den Kulissen zu integrieren?
Ein sanfterer Übergang
Wie Tegut die bisherige Performance der umgeflaggten Basic-Filialen in Süddeutschland bewertet und ob Kund:innenfrequenz und Umsätze den Erwartungen entsprechen, hat Tegut auf Supermarktblog-Anfrage bis zum Erscheinen dieses Texts nicht beantwortet.
Aber auch wenn sich das derzeit nicht durch konkrete Umsatzzahlen belegen lässt: Aufgegebene Standorte und wenig besuchte Filialen lassen die Entscheidung, alle Märkte unter dem Tegut-Banner zu führen, im Rückblick wie einen strategischen Fehlgriff wirken. Gleichwohl ist nachvollziehbar, dass Tegut daran glaubte, sein eigenes Konzept stärken zu können – anstatt sich mit einer nicht gewollten Mehrmarkenstrategie zu verzetteln.


Womöglich wäre ein sanfterer Übergang im Laufe der Zeit sinnvoller gewesen – Basic als „Teil der Tegut-Gruppe“, um Markenbekanntheit und Kundenbindung zu erhalten. Das hätte unbestreitbar neue Herausforderungen mit sich gebracht. Vor allem aber hätte es weiter einer konsequenten Unterstützung des Expansionskurses durch die Mutter dafür bedürft.
Das Gegenteil ist der Fall: Die Basic-Integration hat für Migros Zürich zum jetzigen Zeitpunkt, an dem auf striktes Kostensparen gedrängt wird, um Tegut in Rekordzeit profitabel zu werden zu lassen, keinerlei Priorität mehr.
Vielerorts wirkt es eher so, als würden die früheren Basic-Märkte vorerst mitgeschleppt, bis sich eine Gesamtlösung für die hessische Supermarktkette findet. Oder: zumindest eine für das bisherige Expansionsgebiet Süddeutschland, das im Zuge der Sanierungsmaßnahmen laut Medienberichten infrage stehen könnte. (Dazu, ob das der Fall ist, hat sich Tegut bislang auf Anfrage ebenfalls nicht geäußert.)
Der Lebensmittelmarkt polarisiert sich
Im Zweifel wechseln die Ex-Basic-Märkte dann schon wieder Namen und Betreiber – wenn es Migros Zürich nämlich erfolgreich gelänge, die Filialen einzeln oder im Paket an Wettbewerber abzustoßen.
Doch die Probleme mit den Basic-Märkten werfen eine noch viel grundsätzlichere Frage auf: Ist das Tegut-Konzept als Brücke zwischen konventionell und Bio in seiner jetzigen Form noch zeitgemäß?
Der Lebensmittelmarkt polarisiert sich zunehmend: Einerseits stehen Discounter und preisaggressive Vollsortimenter, die immer mehr (Bio-)Produkte zu günstigen Preisen anbieten bzw. sich – wie zuletzt Lidl und Aldi – wahre Preisschlachten liefern. Andererseits positionieren sich Bio-Fachhändler mit 100 Prozent Bio-Sortiment, Beratung und Zusatzleistungen. In dieser Situation scheint es für Tegut schwer zu sein, als Kompromisslösung bei den Kund:innen zu punkten.
Der Bio-Anteil allein rechtfertigt für viele nicht mehr einen separaten Einkauf, wenn Aldi, Lidl und Co. Basis-Bio bereits abdecken. Und für Bio-Purist:innen ist das gemischte Sortiment womöglich nicht konsequent genug. Die Schließung der Bedientheken in früheren Basic-Filialen (siehe Supermarktblog) verschärft dieses Dilemma noch, da ein weiteres Unterscheidungsmerkmal zur Konkurrenz wegfällt.
Ein folgenreicher Trugschluss
Was bleibt als Fazit? Die Annahme in Fulda, man könne Bio-Fachhändler-Kundschaft mit einem großen Bio-Stammangebot halten und gleichzeitig preissensibler einkaufende Kund:innen gewinnen, hat sich offenbar als Trugschluss erwiesen. Und für eine erfolgreiche Expansion außerhalb des Tegut-Stammgebiets hätte es möglicherweise einen differenzierteren Ansatz gebraucht.
Das ist – nicht nur für Tegut – bedauerlich, das im Markt gerade zwischen den Polen zerrieben wird. Sondern auch für den ohnehin schon hochkonzentrierten deutschen Lebensmitteleinzelhandel, in dem Tegut unter Migros-Zürich-Führung zumindest vorübergehend als Hoffnungsträger für Differenzierung und Wettbewerb galt.
Letztlich ist es auch nachteilig für die Kund:innen, die – falls wirklich alles schiefgeht – in Zukunft noch weniger Auswahl bei der Wahl ihrer Einkaufsstätte haben werden. Auch wenn sie das dann größtenteils selbst so mitentschieden haben.
Danke an alle Supermarktblog-Kommentatoren für Ihre Eindrücke aus den unmgebauten Ex-Basic-Filialen! Wie es mit Tegut unter den Sanierungsvorgaben aus der Schweiz weitergehen könnte, steht bald in Teil 3 der Supermarktblog-Reihe zur Zukunft der hessischen Handelskette.
Mehr zu Tegut:
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- Strategieproblem oder Sanierungsopfer? Tegut schließt ersten Ex-Basic-Markt schon wieder
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Wie sehr kann man sich eigentlich auf tegut… einschiessen und alles schlecht reden.
Lasst das Unternehmen doch einfach in Ruhe machen.
Man denkt ihr werdet von Rewe und Edeka bezahlt um die Kette schnell vom Markt zu vertreiben
Es geht hier nicht ums „Einschießen“, sondern um eine Analyse der (Fehl-)Entscheidungen, die zu der aktuellen Misere geführt haben. (Zumal mir die klassische Fachpresse dieses Thema bislang stark zu vernachlässigen scheint; das Unternehmen selbst kommuniziert ja auch kaum noch aktiv.) Ich setze mich gerne mit Ihren Kritikpunkten an der Berichterstattung auseinander. Dafür müssen Sie sie aber konkreter formulieren.
In Böblingen haben vor einem knappen Jahr in einem Neubau in der Innenstadt Aldi, Tegut und dm neu aufgemacht und das de-facto-Monopol von Edeka im Zentrum beendet.
Während ich bei Aldi und dm inzwischen regelmäßig einkaufe, verirre ich mich nur selten in den Tegut. Das Frisch-Angebot ist deutlich teurer als bei Aldi oder sogar Edeka), und für Bio bekommt ich bei Aldi (und, was haltbare Produkte betrifft, bei dm) fast alles, was ich brauche.
Die Analyse, dass tegut mit dem aktuellen Konzept (von allem ein bisschen und nichts richtig) zwischen allen Stühlen zerrieben wird, scheint mir plausibel. Dabei wäre ein Anbieter, der es mit den großen Vier (Edeka, Rewe, Aldi, Schwarz) aufnimmt, eigentlich vonnöten.
Noch zur Marke „Basic“: Dass Tegut einen Laden weiter als „Basic“ betreibt, liegt vermutlich auch an den Markenrechten. Wenn ein Unternehmen ein anderes übernimmt, nutzt man die alte Marke oft an einem oder wenigen Standorten weiter, um die Markenrechte dauerhaft zu sichern. Deswegen gibt es auch bis heute eine Filiale der „Dresdner Bank“, oder gab es bis 2021 noch eine „Minol“-Tankstelle, oder hat Kaufland lange ein paar Filialen als „Handelshof“ betrieben, oder Rewe als „Nahkauf“.
Na, der Grund für den Erhalt dieser Filiale ist sicher auch der selbe, warum es immer noch eine DEA-Tankstelle gibt, und nach deren Schließung 2017 in Haltern am See jetzt die neue letzte Tankstelle in Lichtenfels/Oberfranken: Wenn die Marke nicht genutzt wird, verfallen die Markenrechte.
Also ist dies keine Shell-Tankstelle und dieser Markt kein Tegut.
REWE hatte damals im Dumont-Carré in Köln einen „Standa“-Markt. Nach dem der geschlossen wurde, bekam der örtliche „Karstadt Lebensmittel – Partner der REWE“ nebenan das REWE-Logo entfernt und statt dessen ein Standa-Logo.
Tegut gehört der Migros Zürich aus der Schweiz. Bei der Migros ist man mit dem Geschäftsgang bzw. hohen Verlusten mit Tegut von den letzten Jahren sehr unzufrieden. Ich mache jede Wette, dass Tegut in zwei Jahren unter den Hammer kommt da in Deutschland mit Bio nicht wirklich schwarze Zahlen erwirtschaftet werden können. Die Preissensibilität der Kunden ist zu hoch.
Tegut beschäftigt viele Studenten, trickst aber beim Gehalt (z. B. wird das Abrechnen der Kasse nicht bezahlt), verletzt die gesetzliche Ruhefrist von 11 Stunden und setzt die Aushilfen ziemlich unter Druck, damit diese für zwei arbeiten. Diese fehlen dann aber als gut verdienende Kunden, wenn sie ihr Studium abgeschlossen haben. Und die braucht es, da Tegut teurer als die Mitbewerber ist. Außerdem ist die Qualität von Obst und Gemüse oft schlecht, was biobewusste Käufer abschreckt. Ich glaube daher nicht, dass das Unternehmen eine große Zukunft hat.
Gute Analyse. Theoretisch fehlt in Deutschland ein Premium-Supermarkt, wie es Waitrose in England ist – aber angesichts der hiesigen Konsumgewohnheiten womöglich eben doch nur theoretisch. Tegut will anscheinend beides sein: Wohlfühl-Supermarkt für gehobene Ansprüche UND Rundum-Versorger mit breitem Sortiment – und schafft den Spagat nicht. – @Mark: Ja, gerade Obst und Gemüse bleiben hinter dem hohen Anspruch oft zurück.
Diese Alles-abdecken-wollen-Strategie mag bei tegut vielleicht auch entstehungsgeschichtlich bedingt sein: das ursprüngliche Kerngebiet ist ja das osthessische Hinterland rund um Fulda. Dass es tegut geschafft hat, ausgerechnet in dieser erzkonservativ-katholischen Gegend das bei Vielen bis heute als linksgrün verschrieene Bio zu etablieren, muss man der Kette hoch anrechnen. Das hatte natürlich auch mit dem persönlichen Engagement der damaligen Eigentümerfamilie und deren Glaubwürdigkeit zu tun. Ohne den Spagat mit einem gleichzeitig auch breiten konventionellen Angebot als Vollversorger für alle Zielgruppen wäre es sicherlich dennoch nicht gegangen.
Im eher großstätisch-liberal geprägten Rhein-Main-Gebiet oder in den Metropolen Bayerns, wohin tegut zuletzt expandierte, ist die Kaufkraft höher, aber auch die Ansprüche. Da kann, auch im Hinblick auf die oftmals viel zu kleinen Flächen, dieses Mischmasch nicht funktionieren – vor allem nicht bei diesen Preisen – und es braucht eine klarere Fokussierung auf Premium und Bio.
Konventionelle Herstellermarken wie Maggi, Pfanni, Coca-Cola etc. mögen momentan noch gute Margen bringen, worauf der neue Schweizer Chef ja fixiert zu sein scheint. M.E. ist das aber für tegut auf Dauer eine Sackgasse, denn vor allem in den jüngeren Zielgruppen ist das entscheidende Argument, für Lebensmittel mehr Geld auszugeben, zunehmend nicht mehr die (dort eh kaum noch ankommende) Fernsehwerbung, sondern echte Qualitätsmerkmale wie eben Bio, echte Regionalität, Fairtrade usw.
Was ich vor allem ums Verrecken nicht verstehe: tegut hat mit seinen hochgradig glaubwürdigen und sympathiebehafteten diversen Eigenmarkenlinien ein absolutes Pfund, mit dem es richtig wuchern und als echtes Alleinstellungsmerkmal nutzen könnte, geht dabei aber viel zu verzagt vor.
Wenn ich es zu entscheiden hätte, würde ich als Erstes diesen hässlichen, minderwertigen Jeden-Tag-Schund aus den Läden werfen und den konventionellen Preiseinstieg mit „tegut… mit dem Qualitätsversprechen“ abdecken. Nämliches – natürlich konsequent herauszustellendes – Qualitätsversprechen rechtfertigt nämlich auch die preisliche Positionierung etwas oberhalb der Konkurrenz: für eine Handelsmarke, die auf künstliche Aromen und anderen überflüssigen Schnickschnack verzichtet, zahle ich gerne etwas mehr.
Und auch im Bio-Bereich braucht es eine Fokussierung auf die Eigenmarken. Hier würde ich versuchen, so viel wie möglich Alnatura (was ja so eine Art Not-Marke für alle Handelsketten ohne genügend eigene Bio-Kompetenz ist) durch „tegut… Bio“ (für Verbandsware) und „tegut… Bio zum kleinen Preis“ (für EU-Bio) zu ersetzen. Idealerweise gäbe es jeden einzelnen Artikel im Markt in fünf Versionen: als Verbandsbio-Eigenmarke, als EU-Bio-Eigenmarke, als Bio-Fachmarke, als konventionelle Eigenmarke mit Qualitätsversprechen und als konventionelle Herstellermarke. Wo der Platz dafür nicht reicht, würde ich konsequent von hinten nach vorne streichen. Wer viel Wert auf Persil und Ristorante-Pizza legt, geht ohnehin eher zu Rewe, weil’s da im Zweifel günstiger ist. Zu tegut… gehe ich, weil ich Sodasan-Waschmittel und die leckere, von Gio in Berlin hergestellte, unter „tegut… Bio“ günstig verkaufte Tiefkühlpizza haben will.
Auf dem flachen Land mag die bisherige Sortimentsstrategie weiterhin ihre Berechtigung haben, im Ballungszentrum hingegen deckt Rewe bereits die Alles-für-Jeden-Routine ab, und zwar besser und billiger als tegut. Deren Chance ist das Premium-Segment und das Einkaufserlebnis. Schöne Läden bauen und flexibel Dinge ausprobieren können sie ja schon, jetzt müssen sie noch den Personalmangel in den Griff kriegen (oder mehr SB-Kassen aufstellen), damit der Wohlfühlfaktor nicht beim Schlangestehen wieder verpufft.
@Aufrechtgehn: Ja, 100%. Danke auch für die Darstellung der Hintergründe.
Tolle Analyse!
Anstatt die „Alles nur ein bißchen“-Strategie zu bedienen, hätte Tegut sich auch wunderbar ähnlich wie Trader Joe’s in den USA positionieren können. Konventionelle und Bio Produkte für eine hippe, qualitätsbewusste Zielgruppe. Stattdessen reiben sich die Fuldaer zwischen Discount und Bio-Premium Kunden, mit zig Eigenmarken, auf. Der Spagat ist m.M. zu groß um hier auch nur ansatzweise Kompetenz in irgendeinem Sortiment zu zeigen. Was Tegut ohnehin nicht gelingt. Zumindest habe ich bisher keinen Tegut-Markt gesehen, der in irgendeiner Kategorie Kompetenz aufzeigt.
„Weniger ist mehr“ im Sortiment, dafür mehr Einkaufserlebnis und Freude am Entdecken der (Eigenmarken)-Sortimente, hätte Tegut eine schöne Positionierung im deutschen Handel verschaffen können.
Den Tegut-Mitarbeitern wünsche ich weiterhin alles Gute!
Ein ganz auf Eigenmarken konzentrierter Supermarkt – das wäre doch wirklich einmal was. Persönlich mache ich mir wenig aus Markenprodukten. Ein Supermarkt, der den eigenen Namen selbstbewusst als Qualitätsversprechen positioniert und der sich damit auch für die verkauften Produkte verbürgt (und nicht auf das alberne Phantasiemarkenunwesen verfällt), wäre eine echte Innovation. Dafür gerne mit kleinerem, aber weniger beliebigem Sortiment. Trader Joe’s oder Marks & Spencer machen es vor.
@Aufrechtgehn
Auch zu rosigeren tegut-Zeiten ging das damals noch recht außergewöhnliche Konzept (vor allem auf dem Land abseits entsprechender Käufergruppen und in einigen Fällen sogar beim Luxus, einziger LEH im Ort/Umfeld zu sein) nicht überall auf und hat einzelne Filialschließungen nach sich gezogen. Da waren aber wirklich Standorte dabei, wo man auf der kleinen Fläche weder die wenigen anspruchsvollen Kunden noch die breite Billonachfrage befriedigen konnte; und wer kauft z.B. demeter-Produkte oder gutes O/G in einem Geschäft, wo mangels Nachfrage alles zügig ins MHD bzw. den Verfall läuft?
@Peer Schader
Kleine Korinthe: Bauckhof nennt sich schon seit über einem Jahr „Bauck Mühle“ (womit das D L Z auch in die Textform der Marke eingezogen ist), um stärker nach dem dzt. Kerngeschäft wahrgenommen zu werden, das v.a. vom Hafertrend profitiert.